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Bauforschung: Flüssige Gebäudehülle zum Schutz vor Hitze und Kälte

(24.11.2016) Ein Konsortium aus Universitäten und Industrieunternehmen hat smarte Fassaden- und Fenstermodule entwickelt, die den Wärmefluss in Gebäuden abhängig von der Witterung regulieren können. Das Team von Materialwissenschaftlern wird im Rahmen eines Forschungsvorhabens koordiniert an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Die Doktoranden Mariana Fatobene Ando und Benjamin Heiz von der Uni Jena mit dem Prototyp eines Glasmoduls, das den Wärmefluss in Gebäuden regulieren soll. Foto © Jan-Peter Kasper/FSU (Bild vergrößern)

„Die grundlegende Idee besteht darin, Gebäude in eine sehr dünne flüssige Hülle zu kleiden“, erläutert Prof. Wondraczek vom Otto-Schott-Institut für Materialforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Flüssigkeit diene dabei zunächst als Puffer- und Speichermedium für Wärme, kann darüber hinaus aber auch weitere Funktionen übernehmen - z.B. einen Farbwechsel oder einen solarthermischen Wärmeaustausch.


  

Konkret sieht das Konzept der Jenaer Forscher so aus, dass Glasmodule von der Dicke einer normalen Fensterscheibe mit dünnen Kanälen versehen werden, durch die eine farblose Speicherflüssigkeit auf Wasserbasis fließt. Die nur wenige Millimeter tiefen und breiten Kanäle verlaufen parallel und sollen bei Anpassung der optischen Eigenschaften der Flüssigkeit im Glas kaum sichtbar sein. Eine solche Scheibe kann dann im Prinzip eine oder mehrere beliebige Scheiben einer herkömmlichen Doppel- oder Dreifachverglasung ersetzen. Notwendig werden hierbei zusätzliche Flüssigkeitskanäle und Anschlüsse in der Rahmenkonstruktion, an denen derzeit mehrere der Industriepartner arbeiten.

Die Module lassen sich einerseits als Fensterverglasung einsetzen, wofür eine möglichst geringe Sichtbarkeit der Kanalstrukturen entscheidend ist. Andererseits können sie direkt in Gebäudefassaden integriert werden.

In ihrer aktuell im Fachmagazin „Advanced Science“ veröffentlichten Arbeit (DOI: 10.1002/advs.201600362) demonstrieren die Forscher, dass das Prinzip der Wärmeregulierung funktioniert: Wärmebildaufnahmen und weitere Untersuchungen an ersten Glasmodulen belegen, dass - durch den kontinuierlichen Flüssigkeitsfluss durch die Kapillaren - je nach Anwendungsziel Wärme sowohl aufgenommen als auch abgegeben werden kann. Binnen weniger Minuten sollen so Temperaturschwankungen ausgeglichen werden können, wobei sich die Glasmodule und Fenster als großflächige Kühler, Heizer oder Luftwärmetauscher zum Beispiel für den Betrieb einer Wärmepumpe verwenden lassen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher zudem durch Computersimulationen untermauert.

Was sich im Laborversuch als aussichtsreich erwiesen hat, soll nun auch im großen Maßstab getestet werden. Bereits in wenigen Wochen sollen erste Modellgebäude mit den Modulen in der Größe realer Fenster ausgestattet werden. Neben Prüfständen in Skandinavien wird dabei auch in Südeuropa sowie in Jena und Weimar getestet. Diese Versuche werden etwa ein Jahr umfassen, wobei unterschiedliche Jahreszeiten und Wetterbedingungen abgedeckt werden sollen.

In Jena werden die Arbeiten am Otto-Schott-Institut für Materialforschung sowie am erst kürzlich eingerichteten Zentrum für Energie und Umweltchemie (CEEC Jena) koordiniert. Neben den an der Prototypenentwicklung beteiligten Partnern, der Bauhaus Universität Weimar sowie der SCHOTT Technical Glass Solutions GmbH besteht das Konsortium aus elf weiteren Partnern. Die europäische Kommission fördert die Entwicklung mit einem Gesamtvolumen von etwa 5,9 Millionen Euro.

Weitere Informationen zur „flüssigen Gebäudehülle“ und ihrer zeitlichen Realisierbarkeit bei weiteren Projekten können per E-Mail an Prof. Dr. Lothar Wondraczek angefordert werden.

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