Erdbebenkatalog für Europa und den Mittelmeerraum für das letzte Jahrtausend
(12.8.2012) Wie stark kann in Deutschland die Erde beben? Wo sind in Europa die Häufungen von Erdbeben zu finden? Diese Fragen sind Ausgangspunkt für Risikoabschätzungen und werden relevant, wenn es um die Sicherheit von Gebäuden oder das Auftreten von Tsunamis geht. Wissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ haben dazu einen harmonisierten Erdbebenkatalog für Europa und den Mittelmeerraum für das letzte Jahrtausend erarbeitet. Der Katalog umfasst etwa 45.000 Erdbeben, wie sie in der neuesten Ausgabe des „Journal of Seismology“ berichten.
Erdbeben treten in unterschiedlicher Häufigkeit auf. Und in manchen Regionen können starke Erdbeben in Zeitabständen von Hunderten von Jahren auftreten. Das seltene Auftreten kann eine trügerische Sicherheit verursachen, die das tatsächlich vorhandene Risiko überdeckt, zumal erste messtechnische Aufzeichnungen erst seit rund hundert Jahren vorliegen und verlässliche Daten auch zu schwächeren Beben erst seit etwa fünfzig Jahren.
Die einzige Möglichkeit zur Erfasssung des real existierenden Risikos ist die Auswertung historischer Beben. „Der von uns vorgelegte Katalog umfasst die Beben der letzten tausend Jahre ab einer Magnitude Mw von 3,5 im nördlichen Teil des katalogisierten Gebietes und Magnitude Mw größer als 4,0 für den südlichen Teil“, erklärt Dr. Gottfried Grünthal vom GFZ. „Unser Erdbebenkatalog überdeckt das Gebiet von den Azoren bis zum Kaspischen Meer, von der Sahara bis zum Nordkap.“
Auf der Basis von etwa 80 zumeist nationalen Katalogen, mehr als 100 weiteren Quellen sowie vielen eigenen Analysen historischer Schlüsselerdbeben bietet der EMEC-Katalog (European-Mediterranean Earthquake Catalogue) jetzt erstmals eine regionale Langzeit-Datenbasis mit vereinheitlichten Magnituden zur Messung der Stärke von Beben. Bei der Zusammenführung all dieser Quellen, die teils beträchtlich differierende Stärkeangaben der Beben anhand unterschiedlicher Magnitudenskalen oder Intensitäten nutzen, wurde besonderes Augenmerk darauf gerichtet, diese in Form harmonisierter Mw-Magnituden zu vereinheitlichen. Die Beben sind in EMEC für den Zeitraum von 1000 AD bis 2006 katalogisiert. Im Gebiet südlich von 40°N und östlich von 10°E erlaubt die Datenlage sogar die Katalogisierung ab 300 AD. Natürlich sind die Bebendaten in den frühesten katalogisierten Zeiten nicht vollständig. Die Zeiten, ab deren bestimmte Bebenmagnituden hinreichend vollständig vorliegen, variiert im Kataloggebiet beträchtlich. So lässt sich abschätzen, dass beispielsweise Beben mit Mw = 6,5 in der Levante ab etwa 300 AD hinreichend vollständig erfasst sind, Beben mit Mw größer als 5 dort ab etwa 1965. Dagegen liegen Beben mit Mw größer als 5 im Gebiet Deutschlands ab etwa 1600 hinreichend vollständig katalogisiert vor.
„Bestandteil der EMEC-Veröffentlichung ist zudem eine Liste von Beben, die nach unseren neuen Erkenntnissen nicht stattgefunden haben (sog. fakes) infolge von Irrtümern von Chronisten, Verwechslungen und Datumsfehlern“, erläutert GFZ-Forscher Gottfried Grünthal.
Wert gelegt wurde auch auf Nutzerfreundlichkeit: „Auf der GFZ-EMEC-Webseite können die Daten innerhalb des Kataloggebietes nach Nutzerwünschen heruntergeladen und entsprechend den Vorgaben der Nutzer Karten der Epizentren der Erdbeben innerhalb gewünschter zeitlicher und räumlicher Ausschnitte, Maßstäbe und Kartenprojektionen generiert, gespeichert und gedruckt werden.“ Der EMEC-Katalog ist damit eine verlässliche Grundlage für die Gefährdungsabschätzung für Erdbeben und bebenbedingter Tsunamis. Darüber hinaus ist ein solcher Erdbebenkatalog die Grundlage vieler weiterer geowissenschaftlicher Untersuchungen und Quelle für Recherchen außerhalb von Forschungsanwendungen.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- The European-Mediterranean Earthquake Catalogue (EMEC)
- Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
- Erdbeben-Szenario in der Nähe einer deutschen Großstadt - am Beispiel Köln (7.12.2020)
- Erdbebenzonierung: Neueinschätzung der Erdbebengefährdung fliest in die neue DIN EN 1998-1/NA ein (13.6.2018)
- Mit Erdlöchern und Bäumen gegen Erdbeben (5.12.2016)
- EN 15129 zu Erdbebenvorrichtungen wird überarbeitet (3.4.2016)
- Geothermie: keine zusätzliche Strahlenbelastung durch Radon (12.4.2013)
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ausgewählte weitere Meldungen:
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- Leitfaden zur Bemessung von Stahl- und Verbundbauten für Anprall- und Explosionslasten (21.9.2011)
- RIB führt Erdbebennachweise mit FEM nach aktuellsten Normen ein (10.8.2011)
- Neue Unterlage zum Nachweis der Erdbebensicherheit von Holzbauwerken (13.7.2011)
- Mehr Erdbebensicherheit durch textilen Schutz-"Verband" für Gebäude (11.5.2011)
- Mit Holz erdbebensicher bauen: Uni Kassel erforscht die Grundlagen (11.5.2011)
- Positionspapier zur Induzierten Seismizität bei tiefen Geothermieprojekten (11.7.2010)
- "CFK-Pflaster" für altersschwache und erdbebengefährdete Bauten (31.1.2007)
- Fachwerkhäuser sollen vor Erdbebenfolgen schützen (10.2.2005)
siehe zudem:
- Bauforschung auf Baulinks