Umfrage und Plädoyer für eine dezentrale, (regen-) wasserorientierte
Stadtplanung
(10.5.2015) Der Klimawandel zwingt zum Umdenken: Viele bestehende Entwässerungssysteme können die stark anschwellenden Niederschlagsmengen nicht mehr aufnehmen. Deshalb setzt die wasserorientierte Stadtplanung auf eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, die ...
- die Versiegelung neuer Flächen stoppt,
- Abwasserkanäle entlastet,
- Kosten senkt,
- Trinkwasservorräte schont und
- das Grundwasser vor Umweltgiften schützt.
Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung als Gebot der Stunde stand u.a. im Mittelpunkt von 11 Fachtagungen zum Thema Regenwasser, an denen bundesweit über 1.100 Fachleute aus der Wasserwirtschaft teilnahmen.
Bei einer anschließenden Medienveranstaltung, die die Kronimus AG Betonsteinwerke und die Mall GmbH organisierten, wurden erstmals die bei 1.900 Architekten, Ingenieuren und Behörden erhobenen Umfrageergebnisse zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung in Deutschland vorgestellt. International anerkannte Wasserexperten wie Professor Dr. Heiko Sieker, Hoppegarten, und Sachverständiger Klaus W. König, Überlingen, legten außerdem konkrete Vorschläge zur Lösung der Starkregenprobleme in Zeiten des Klimawandels vor.
Viele Jahrzehnte währender Lebenszyklus der Wasserinfrastruktur
Vertreter der Firmen Mall und Kronimus forderten die Politik in Bund, Ländern und Gemeinden auf, sich stärker als bisher für eine rasche, wirkungsvolle und dezentrale Regenwasserbewirtschaftung auf allen Ebenen einzusetzen, so wie es das Wasserhaushaltsgesetz schon länger vorschreibt. Bisher kommt der Umbau der Entwässerungssysteme trotz des Wasserhaushaltsgesetzes, das vor sechs Jahren verabschiedet wurde, nur schleppend voran. Nach Einschätzung der Experten hängt das auch mit dem viele Jahrzehnte währenden Lebenszyklus der Bau- und Wasserinfrastruktur zusammen.
In den bundesdeutschen Genehmigungsbehörden und Planungsbüros ist jedoch ein grundlegender Paradigmenwechsel erfolgt. Markus Böll, Pressesprecher der Mall GmbH, stellte die bundesweit repräsentative Planerumfrage zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung vor:
- 80% der befragten Architekten, Ingenieure und Behörden sehen demnach die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung positiv.
- 90% der Teilnehmer haben nur gute Erfahrungen mit dem dezentralen Umgang mit Regenwasser gemacht, die im Kern aus praktischen Maßnahmen zur Versickerung und Rückhaltung, Nutzung und Behandlung von Regenwasser bestehen.
- 97% erwarten eine gleichbleibende bzw. verstärkte Nachfrage der Regenwasserbewirtschaftung in den nächsten Jahren.
- Für weitere Umfrageergebnisse sich auch Charts des Markus Böll-Vortrags als PDF.
Themen der Zukunft seien Starkregen, Regenwasserversickerung und -behandlung sowie die Gestaltung des urbanen Stadtklimas. Diese Marktprognose steht im direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel, der laut Prognosen der Meteorologen für mehr Starkregenperioden und Veränderungen im Stadtklima sorgen wird. Nach Einschätzung der Planer sind die bestehenden Entwässerungssysteme nicht in der Lage, vor allem die in den Wintermonaten stark anschwellenden Regenmengen zu bewältigen. Sie favorisieren deshalb u.a. ...
- die Regenwasserversickerung und -nutzung,
- Dachbegrünung und
- die Verwendung von wasserdurchlässigen Materialien - anstatt Straßen, Höfe und Plätze mit Asphalt und Beton zu versiegeln.
„nicht länger tolerierbar“
Ein klares Plädoyer für die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung hielt Dr. Harald Sommer in Vertretung von Professor Dr. Heiko Sieker (Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH). Er sieht in Versickerung, Rückhaltung, Nutzung und Behandlung die geeigneten Mittel für eine Anpassung bestehender Entwässerungssysteme an die Herausforderungen des Klimawandels. Eine simple Vergrößerung der Kanalnetze führe dagegen zu enormen Kosten und verlagere die Probleme nur, so Sieker. Schon jetzt seien die Kanäle durch die erhöhten Starkregenabflüsse und weiter fortschreitende Versiegelung überlastet. Die Mischwasserkanalisation in Deutschland laufe durchschnittlich 20 bis 40 Mal pro Jahr über, wodurch Abwässer ungereinigt in Gewässer eingeleitet würden. Diese Praxis habe der Europäische Gerichtshof bereits als „nicht länger tolerierbar“ bezeichnet - siehe auch Charts des Vortrags als PDF.
In seinem Vortrag über die Vorteile einer dezentralen
Regenwasserbewirtschaftung in Deutschland rief der
Regenwasserexperte
Klaus W. König Bund, Länder und Kommunen dazu auf, eine
wasserorientierte Stadtplanung mit weniger versiegelten Flächen
voranzutreiben. Dies spare Kosten, indem es Kanäle und Kläranlagen
entlaste, verbessere den Umweltschutz und verbessere das
Stadtklima und sei somit eine "Win-Win-
Die Verwendung von wasserdurchlässigen Materialien wäre für Klima und Kosten sinnvoller, so Klaus W. König. Mit Hinweis auf die im Sommer zunehmende Trockenheit und Hitze empfahl er Dachbegrünungen und offene Wasserflächen, wodurch das Stadtklima und das menschliche Wohlbefinden positiv beeinflusst würden. Ganz wichtig ist für König die Nutzung des Regenwassers in Industrie und Gewerbe und in Privathaushalten. Er sprach sich für eine staatliche Verpflichtung bei Neubauten aus, ein zweites Leitungssystem einzubauen. Seiner Meinung nach muss sich die Politik in Brüssel und Berlin zu einem Wasser-Recycling bei Regen- und Grauwasser durchringen, um nennenswerte Einsparungen bei der Ressource Wasser zu erzielen - siehe auch Charts des Vortrags als PDF.
Speziell für die Behandlung von versickerndem Regenwasser entwickelte Systeme sorgen dafür, so Martin Kronimus, Vorstandsvorsitzender der Kronimus AG dass die ablaufenden Niederschläge vor Ort gereinigt werden und nicht ungefiltert ins Grundwasser gelangen. Nach Darstellung von Kronimus wurden spezielle Betonsteinsysteme entwickelt, die in der Lage seien, Verunreinigungen im Regenwasser dauerhaft zurückzuhalten und somit das Grundwasser zu schützen. Dadurch sei es fast überall möglich, eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung zu verwirklichen - sogar bei stark belasteten Logistikflächen. Mittlerweile könnten neuartige befestigte Flächen angelegt werden, die innerhalb des Belages entwässern und reinigen, so dass Niederschläge unmittelbar vor Ort versickert werden können - siehe auch Charts des Vortrags als PDF.
Dipl.-Ing. Martin Lienhard, Leiter Technische Abteilung der Mall GmbH, betonte bei der Veranstaltung, dass es bei der Umsetzung des §55 "Grundsätze der Abwasserbeseitigung" im Wasserhaushaltsgesetz mangle. Es sollte keine Mischkanalisation mehr gebaut werden, sofern eine Trennkanalisation möglich ist. Zudem stellte Lienhard neue Systemlösungen für die Regenwasserbehandlung mit verbesserten Reinigungswerten vor und zeigte den Einbau und die Technik von Betonbauteilen am Praxisbeispiel eines Löschwasserbehälters beim SOS-Kinderdorf in Berlin - siehe auch Charts des Vortrags als PDF.
Weitere Informationen zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung können per E-Mail an Mall angefordert werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- 2020er Mall-Marktbefragung zum Umgang mit Regenwasser (27.9.2020)
- BDEW: „Wiederverwendung von Grauwasser wäre Rückschritt ins Mittelalter“ (22.3.2017)
- Rain4me - ACOs Angebot für eine differenzierte Regenwasserernte und -nutzung (19.9.2016)
- Maximale Verdunstungsleistung vom Klima-Gründach zur Kühlung von Städten (16.9.2016)
- Bäume transpirieren für kühlere Städte - allerdings abhängig vom jeweiligen Umfeld (16.9.2016)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Versickerungsfähige Pflasterbeläge aus Beton im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes (8.5.2015)
- Regenwasser nutzen und versickern - mit Malls Regenspeicher Sico (27.3.2015)
- Gebündeltes Wissen zur Versickerung und Rückhaltung von Regenwasser auf 134 Seiten (27.3.2015)
- fbr-Marktübersicht zur dezentralen Wasserwirtschaft incl. versiegelungsfreier Bodenbefestigung (8.3.2015)
- Neues fbr-Hinweisblatt zur Kombination von Regenwassernutzung und -versickerung (24.7.2014)
- BGL: Regenwasser ist kein zu entsorgendes Übel, sondern wertvolles Nutzgut (24.7.2014)
- DWA-Fachbuch zur Zukunft der Abwasserwirtschaft: Wandel erfordert Weichenstellungen (23.7.2014)
- "Wasserautarkes Grundstück" im fbr-Band 15 (11.8.2011)
siehe zudem:
- Regenwassernutzung, Wasseraufbereitung und Außenbeläge im Außenanlagen-Magazin bei Baulinks
- Literatur / Bücher über Außenanlagen bei Baubuch / Amazon.de