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Standardisierte Modelle gegen Infrastrukturprobleme: Leonhard Weiss setzt auf Brückenverschub

(1.7.2025) Die baulichen Grundlagen der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland befinden sich zunehmend in einem kritischen Zustand. Während zahlreiche Personen der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand eintreten und damit der Druck auf Arbeitsmarkt und soziale Sicherungssysteme steigt, haben gleichzeitig viele Bauwerke ein Alter erreicht, in dem gravierende strukturelle Defizite auftreten.

Kelsterbach-Hinkelstein - Brückenverschub; Bauvorhaben Regionaltangente West. (Bild: Michael Thomas Wolff) 

Nach einer Studie der Transport & Environment gGmbH (T&E Deutschland) wurden über 40% der Brücken im Autobahn- und Bundesstraßennetz in den Jahren 1960 bis 1980 errichtet. Diese Bauwerke weisen nun flächendeckend Sanierungsbedarf auf. In dieser Kategorie gelten rund 16.000 von etwa 40.000 Brücken als unterschiedlich stark sanierungsbedürftig. (Quelle: Studie „Ausgebaut!”1)) Hinzu kommen mehr als 67.000 kommunale Brücken für Straßen-, Fuß- und Radwege, deren baulicher Zustand laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu, 2023) als noch kritischer eingeschätzt wird. Diese Studie kam zu dem Schluss, dass etwa jede zweite dieser Brücken bis 2030 saniert oder neu gebaut werden müsste.

„Wenn man schnell viele neue Brücken bauen will, muss man neue Wege gehen”, betont Dipl.-Ing. Eckhard Schreiner, Technischer Leiter und Prokurist im Ingenieurbau von Leonhard Weiss.

Zeit- und kostensparendes Verfahren: Brückenverschub

Leonhard Weiss setzt auf den Brückenverschub – ein Verfahren, bei dem vorgefertigte, standardisierte Brückenmodelle zum Einsatz kommen. Die aufwendige Einzelfallplanung entfällt dabei. Stattdessen wird auf vorhandene Rahmenbauwerke zurückgegriffen, die kurzfristig projektbezogen überprüft und angeboten werden können. „Auf Basis bereits konzipierter Rahmenbauwerke können wir zeitnah eine qualifizierte Aussage gegenüber dem Kunden treffen, ob sein Projekt mit unserem Anforderungscluster umsetzbar ist. Die Pläne liegen bereits fertig vor”, erklärt Eckhard Schreiner.

Normgerecht, schnell und bewährt: Vorteile des Brückenverschubs

Sofern die Rahmenbedingungen stimmen, erfolgt die Umsetzung nach einem standardisierten Ablauf: Die neue Brücke wird zunächst unmittelbar neben der alten Position errichtet und anschließend in die Endlage verschoben. Da auch dieses Verfahren vor Ort durchgeführt wird, gelten dieselben Qualitätsstandards wie bei konventionellen Bauweisen. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch in der deutlich reduzierten Bauzeit: „Liegen keine besonderen räumlichen Bedingungen vor und sind auch keine vorausgehenden Abbrucharbeiten erforderlich, lässt sich ein solches Projekt innerhalb von drei Monaten durchführen. Der eigentliche Brückenverschub erfolgt dann innerhalb von 72 Stunden”, so Eckhard Schreiner. Darüber hinaus wird auf die Einhaltung aller geltenden technischen Regelwerke (EBA, ZTV-ING, RiL etc.) geachtet, wodurch Genehmigungsprozesse beschleunigt und Unsicherheiten vermieden werden.

Skalierbarkeit des Systems für unterschiedliche Projektgrößen

Für das Verschubverfahren stehen sechs standardisierte Varianten mit drei verschiedenen Widerlagertypen zur Verfügung. Diese decken lichte Weiten bis zu 14,50 m und lichte Höhen bis zu 7,50 m ab. Für größere Bauwerke werden projektbezogene Anpassungen vorgenommen, die ebenfalls mit der Verschubtechnik kombiniert werden können.

Ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit des Verfahrens wurde beim Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8 (VDE8) erbracht: In Nürnberg wurde ein 8 m hohes, 12 m breites und 35 m langes Stahlbeton-Kreuzungsbauwerk mit einem Gewicht von über 3.200 Tonnen verschoben. Die gesamte Fertigung und der Einbau erfolgten innerhalb von sechs Monaten. Der eigentliche Verschub wurde mithilfe von Hydraulikpressen (Traglast je 250 Tonnen) innerhalb einer Woche Streckensperrung und in nur 1,5 Stunden durchgeführt. „Diese Leistung ist nur mit erfahrenen und aufeinander eingespielten Teams möglich”, bestätigt Eckhard Schreiner. Das Unternehmen verfüge mit seinen Bereichen Ingenieur- und Schlüsselfertigbau, Gleisinfrastrukturbau sowie Straßen- und Netzbau über sämtliche relevante Kompetenzen. In Kombination mit einer effizienten Organisation im Mehrschichtbetrieb können so hohe Leistungskapazitäten realisiert werden.

Wertach – Stabbogenbrücke Quer-/Längsverschub. (Bild: Burkhardt Walter) 

Zusätzlicher Nutzen durch geringere CO₂-Emissionen

Das Verfahren wurde bisher vor allem im Schienenbereich eingesetzt, da dort keine Ausweichmöglichkeiten bestehen und längere Sperrungen schwer zu organisieren sind. Für 2025 sind bei Leonhard Weiss mehr als 10 Verschubprojekte in diesem Bereich geplant.

Im Straßenbau hingegen wurde die Methode bislang kaum genutzt. Angesichts der volkswirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen längerer Sperrungen rückt sie nun auch dort verstärkt in den Fokus. Verkehrsstaus führen zu Verzögerungen, erhöhtem Unfallrisiko sowie einer Zunahme der Emissionen durch CO₂ und Feinstaub infolge längerer Fahrtstrecken und stockendem Verkehr. Untersuchungen der Fachhochschule Kiel (Quelle: FH Kiel, Fachbereich Bauwesen²)) zeigen, dass diese indirekten Emissionen im Vergleich zu den baubedingten CO₂-Ausstößen deutlich schwerer wiegen. Eine Optimierung der Bauabläufe mit möglichst kurzen Verkehrsunterbrechungen wird daher empfohlen. Die Wissenschaftler verweisen auf einen hohen Vorfertigungsgrad als entscheidenden Hebel zur Minimierung dieser Auswirkungen.

Vor diesem Hintergrund sieht Eckhard Schreiner einen geeigneten Zeitpunkt, den Brückenverschub auch im Straßenbau verstärkt einzusetzen: „Staus führen zu Umweltbelastungen, Verzögerungen im Transportwesen und erfordern überdies kostenintensive Verkehrssicherungsmaßnahmen. Wir können nicht nur bei der Ausführung, sondern bereits in der Akquise-Phase die Abläufe beschleunigen, da wir für unsere Standardlösungen schnell einen Preis nennen können. ... Die Bauindustrie hält innovative Lösungen bereit – es liegt nun an den öffentlichen Auftraggebern, dieses Know-how zu nutzen und neue Wege zu gehen.”

1) T&E Deutschland Studie „Ausgebaut!” steht hier zum kostenfreien PDF-Download zur Verfügung.

2) Studie CO₂-Bilanzierung und Optimierung von Brückenbauwerken

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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