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BIQ Algenhaus: Energiegewinnung der Zukunft per Bioreaktorfassade

(12.12.2012) Die baulichen Ansprüche an die Energieeffizienz von Gebäuden nehmen weiter zu. Ab dem Jahr 2020 dürfen sämtliche Neubauten nur noch als Passiv- bezie­hungsweise Nullenergiehäuser errichtet werden. Hier bietet das derzeit im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Hamburg entstehende BIQ Algenhaus eine be­merkenswerte Lösung: Aktive Energiegewinnung durch Mikroalgen (siehe auch Google-Maps).

Das zukunftsweisende Gebäude zählt zu den Smart Material Houses, die neue Bau­stoffe für Gebäude und Fassaden vorstellen. Bauherr und Investor des Projekts ist die Hamburger Otto Wulff Bauunternehmung. Geschäftsführer Stefan Wulff: „BIQ steht für Bio-Intelligenzquotient – und der ist beim Algenhaus überdurchschnittlich hoch. Das Gebäude versorgt sich über seine energiespendende Bioreaktorfassade selbst mit Energie und überzeugt auch im Inneren durch seine flexibel gestaltbaren Räumlichkei­ten. Das moderne Design unseres Meilensteins beweist außerdem, dass Umweltbe­wusstsein und Stilsicherheit sehr gut miteinander harmonieren.“

Biomasse – Wertvoller Energielieferant

„Das Besondere an Mikroalgen ist ihre enorme Effizienz bei der Umwandlung von Licht­energie in Biomasse. Denn darüber wird zum einen Kohlenstoffdioxid gespeichert und zum anderen Methan, also Biogas, gewonnen“, erklärt Dr. Martin Kerner, Co-Investor des Projekts. Der Geschäftsführer der SSC Strategic Science Consult GmbH hat die Fassade, die Energie zum Heizen oder zum Betrieb von Motoren erzeugt, entwickelt. „In einer hausinternen Brennstoffzelle wird das gewonnene Biogas zudem in Strom und Wärme umgewandelt, wodurch wiederum das von den Mikroalgen benötigte Kohlen­stoffdioxid entsteht“, so Dr. Kerner weiter.

Bei einem Ertrag von 15 Gramm Trockenmasse pro Quadratmeter und Tag kann bei der Umwandlung von Biomasse in Biogas ein Nettoenergiegewinn von rund 4.500 Kilowatt­stunden pro Jahr erzielt werden. Zum Vergleich: Eine vierköpfige Familie verbraucht im Jahr etwa 4.000 Kilowattstunden. Die BIQ-Algenfassade könnte somit den gesamten Haushalt der Familie mit Biostrom versorgen.

Neben der Produktion von Biomasse gewinnt die Fassade Ener­gie, indem sie das nicht von den Algen genutzte Licht absor­biert und ähnlich wie in einer solarthermischen Anlage Wärme produziert. „Diese Wärme wird in die hauseigene Energiezen­trale ausgekoppelt und dann entweder direkt im Haus genutzt oder in das Nahwärmenetz eingespeist beziehungsweise im Erdboden zwischengespeichert“, erläutert Dr. Kerner. „Zum Energiegewinn aus Biomasse kommen somit pro Jahr nochmal rund 32 Megawatt dazu.“

Darüber hinaus ist die BIQ-Fassadentechnik in der Lage, ver­schiedene Prozesse regenerativer Energiegewinnung miteinan­der zu vernetzen und zu einem Kreislaufsystem zu vereinen: Solarthermie, Geothermie, eine Brennstoffzelle, Nahwärme und die Gewinnung von Biomasse und Biogas werden zu einem nachhaltigen Energiezirkel zusammengeführt. Zudem erfüllt die Algenfassade auch alle Funktionen eines konventionellen Ge­bäudekleids: Sie dient sowohl der Wärme- und Kälteisolation als auch dem Schall- und Sonnenschutz.

Intelligentes Kreislaufsystem zur Energiegewinnung

Die 200 Quadratmeter große Algenfassade ist an der Sonnenseite des Gebäudes ange­bracht und besteht aus lichtdurchlässigen, plattenförmigen Glaselementen, der so ge­nannten Bioreaktorfassade. Im Inneren der einzelnen Reaktoren werden die Algen im Kulturmedium gezüchtet. Die Mikroorganismen betreiben darin mit Hilfe der vom Son­nenlicht und der über den Wasserkreislauf zugeführten Nährstoffe Kohlenstoffdioxid, Stickstoff und Phosphor Photosynthese. Die bei diesem Transformationsprozess ent­stehende chemische Energie wird wiederum für den Aufbau von organischer Sub­stanz - der so-genannten Biomasse - aus anorganischem CO₂ benötigt.

„Zur Ernte werden die Mikroalgen in den Technikraum im Inneren des BIQ geleitet. Nach der Trennung vom Kulturmedium folgt die Verarbeitung der Algenbiomasse zu einem dicken Brei“, so Dr. Kerner. „Das Kulturmedium selbst wird mit Kohlenstoffdioxid und Nährstoffen aufbereitet und anschließend in den Kreislauf zurückgespeist. Die Bio­masse fließt dagegen in einen Sammelbehälter, wo sie bei fünf Grad für einige Tage zwischengelagert werden kann.“ In einer externen Biogasanlage kann aus der geern­teten Biomasse schließlich Biogas gewonnen werden - mit einem Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent.

BIQ-Herzstück: Die hauseigene Energiezentrale

Vom Betrieb der Bioreaktorfassade bis hin zur Erzeugung und Verteilung der gewonnen Energie: Die hauseigene Energiezentrale - das Herzstück des ganzheitlichen BIQ-Ener­giekonzepts - steuert, prüft und kontrolliert alle technischen und energetischen Ab­läufe. Mit Hilfe der Messstation werden sämtliche für das Algenwachstum relevanten Parameter im Kulturmedium bestimmt und überprüft, darunter der Nährstoff-, Sauer­stoff- und Salzgehalt, der pH-Wert, die Trübung und die Temperatur. Darüber hinaus erfasst die Messstation die Energieströme – also Produktion und Verbrauch – und überträgt die Werte an die Steuerungsanlage. Diese passt die Leistung sämtlicher Ge­räte schließlich kontinuierlich an den jeweiligen Bedarf an. Optimale Wachstumsbedin­gungen für die Mikroalgen und ein möglichst energieeffizienter Betrieb der Gesamtlage sind dadurch gewährleistet.

Fassadentechnik für die Zukunft des Bauens

Bauherr und Investor Stefan Wulff ist sich sicher: „Das außergewöhnliche Projekt wird wegweisend für die Zukunft des Bauens sein.“ Die Einsatzmöglichkeiten einer Fassa­dentechnologie nach dem Vorbild von BIQ sind vielfältig: Über den Wohnungsbau hi­naus wird sie auch für Industrie- und Gewerbebauten sowie für Gebäude der öffentli­chen Infrastruktur - etwa Bahnhöfe oder Flughäfen - interessant sein. Für alle Baube­reiche gilt dabei: Je größer die Bioreaktorfläche und je intensiver die Sonneneinstrah­lung, desto höher der Gewinn an Biomasse und Biogas wie auch an Wärme und Strom. Große Fassadenflächen mit südlicher Ausrichtung und Flachdächer sind daher ideal zur Energiegewinnung. Doch nicht nur bei künftigen Neubauten, sondern auch bei beste­henden Gebäuden können die großen Reaktorflächen beispielsweise auf Dächern an­gebracht werden.

Ein weiterer Vorteil der Algenfassade: Sie bietet eine Lösung für die dringend notwen­dige Reduzierung der CO₂-Emission im Gebäudebereich. Für Industrie und Gewerbe er­öffnet die rauchgasspeichernde Funktion der Fassade beispielsweise die Möglichkeit, das bei Produktionsprozessen anfallende CO₂ direkt abzubauen - und somit aktiv zum Klima- und Umweltschutz beizutragen.

Weitere Informationen zur Bioreaktorfassade à la BIQ Algenhaus können per E-Mail an Otto Wulff angefordert werden.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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