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Perowskit: Der neue Liebling von Solar-Fassadenplanern?

(26.8.2014) Gebäude werden immer aktiver. Einen zunehmend wichtigen Beitrag dazu liefern hauchdünne Solarzellen an gläsernen Gebäudehüllen. Neue, druckbare Photo­voltaik-Halbleiter könnten dieser Entwicklung weitere Performance verleihen. Sie er­möglichen Solarfolien und Module, die aus Fenstern oder Fassaden Stromgeneratoren machen. Für die Hersteller von Solarglas und -modulen entsteht ein neuer Markt; Ar­chitekten und Ingenieuren werden neue Planungsoptionen in die Hände gelegt.

Foto: Heliatek / Smack Communications, Berlin (Bild vergrößern)

Und der Wettlauf um das beste Material für Solarzellen hat einen neuen Kandidaten: Perowskit. Bei keinem anderen Halbleiter gelang Forschern eine derart rasante Ent­wicklung des Wirkungsgrads. „Es ist ein regelrechter Hype um Perowskit ausgebro­chen“, sagt Thomas Unold vom Helmholtz-Zentrum Berlin.

Das Mineral verspricht gleichzeitig effizient und preiswert zu sein. Beides lässt sich bislang nicht miteinander vereinen:

  • Derzeit erreichen die besten Siliziumzellen mehr als 20% Wirkungsgrad, sind aber teuer in der Herstellung.
  • Farbstoff- und organische Solarzellen wiederum können einfach auf Folie ge­druckt werden, kommen jedoch über einen Wirkungsgrad von zehn Prozent oft nicht hinaus.

Mit einer Perowskitzelle hingegen erreichten Forscher der University of California in Los Angeles (UCLA) kürzlich einen Wirkungsgrad von 19,3 Prozent. Gegenüber den ersten Perowskit-Zellen von vor fünf Jahren hat sich der Wirkungsgrad damit versechsfacht. Das ist umso bemerkenswerter, als sich Perowskit einfach und sehr sparsam verarbei­ten lässt. Es besteht aus den Allerweltsmaterialien Kohlenstoff, Stickstoff, Wasser­stoff, Blei, Chlor und Jod, die sich als hauchdünne Schicht auf Glas aufdampfen oder auf Folie drucken lassen. Die UCLA-Forscher erzeugten nur eine knapp einen Millimeter starke Perowskitschicht, indem sie Glas mit organischen Molekülen und Bleikristallen bedampften. Dennoch generiert die Zelle fast so viel Strom wie eine 180 Mikrometer dicke Siliziumzelle.

Photovoltaik-Solarfassaden kämpfen immer noch mit Markthemmnissen!

Damit könnten die leistungsstarken Leichtgewichte Märkte erobern, die für die Photo­voltaik bisher weitgehend tabu waren. Die gebäudeintegrierte Photovoltaik beispiels­weise, kurz BIPV (Building-Integrated Photovoltaics), ist nach wie vor nur eine Nische, weil die Herstellung und Installation multifunktionaler BIPV-Module aufwändig und teu­er ist. Von den 3.300 Megawatt an Solarstromleistung, die 2013 in Deutschland ans Netz ging, wurden schätzungsweise nur rund 100 Megawatt in die Gebäudehülle inte­griert. Eines der Markthemmnisse: Bei den BIPV-Elementen handelt es sich meistens um projektorientierte Varianten, die in Größe, Form, Material, Farbe, Varianz in der Transparenz und Design an das jeweilige Gebäude angepasst sind – Individualität und der hohe Planungsaufwand haben ihren Preis. Perowskitzellen könnten die Kosten sen­ken.

Außerdem sind die für die BIPV aktuell in Frage kommenden Technologien bisher nicht effizient genug.

  • Oft werden Module aus Dünnschichtsilizium angeboten, doch diese erreichen selten einen Wirkungsgrad von zehn Prozent – zu wenig, um sich mit klassischen Siliziumzellen auf dem Dach messen zu können, die fast doppelt so viel Licht in elektrische Energie umwandeln.
  • Übliche Siliziumzellen selbst eignen sich wiederum nur bedingt für die Gebäude­integration: Sie werden direkt aus Blöcken gesägt, weshalb sie für komplexere BIPV-Anwendungen schlicht zu dick und unflexibel sind.

Jetzt hoffen Experten jedoch auf einen baldigen Durchbruch der gebäudeintegrierten Photovoltaik, denn sie birgt immenses Klimaschutzpotenzial. Obwohl Großstädte nur ein Prozent der Erdoberfläche bedecken, verbrauchen sie 75 Prozent der eingesetzten Primärenergie und verursachen 80 Prozent der Treibhausgasemissionen. „Sie müssen bei einem Großteil ihrer Prozesse kohlendioxidneutral werden, sonst droht der Klimakol­laps“, warnt die Wissenschaftlerin Christina Sager vom Fraunhofer-Institut für Bau­physik (IBP) in Stuttgart. Effizientere Gebäude und erneuerbare Energien könnten aus ihrer Sicht die Trendwende bringen. Vor allem Solartechnik lasse sich gut in die Häuser einbinden. Wo sich Module nicht auf Dächer schrauben ließen, könnten sie als strom­erzeugende Fenster oder Ersatz für die Sichtbetonfassade dienen, erklärt Sager.

Perowskitzellen leider noch nicht marktreif!

Bis die verheißungsvollen Perowskitzellen kommerziell einsetzbar sind, müssen die For­scher aber noch einige Herausforderungen meistern. „Die Entwicklung steht erst am Anfang“, sagt Helmholtz-Forscher Unold. Als größte Hürde gilt die Lebensdauer. Pe­rowskit ist empfindlich und zersetzt sich schnell, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Deshalb müssen die Zellen so konstruiert werden, dass auch über 20 Jahre hinweg keine Feuchtigkeit eindringen kann. Dichte Verkapselungen, die für organische Leuchtdioden entwickelt wurden, sind ein Lösungsansatz.

Bereits marktreife Alternativen


Foto: Heliatek / Tim Deussen (vergrößern)
  

In der Zwischenzeit könnten andere vielversprechende Tech­nologien den BIPV-Markt vorantreiben, die derzeit Marktreife erlangen. Die Dresdner Firma Heliatek beispielsweise hat eine organische Photovoltaik-Folie entwickelt, die sich sowohl transparent als auch getönt herstellen lässt (Bild rechts):

  • Undurchsichtig erreicht sie einen Wirkungsgrad von zwölf Prozent,
  • bei der lichtdurchlässigen Variante sinkt die Effizienz auf rund sieben Prozent.

Das ist im Vergleich zu herkömmlichen Siliziummodulen wenig, stellt aber im Bereich der organischen Photovoltaik einen neu­en Rekord dar. Außerdem lassen sich die flexiblen Folien in ge­schwungene Formen wie Glasdächer von Autos oder unregel­mäßig geformte Fassaden einbetten. Da in Fahrzeugen und Bü­ros in der Regel auch abdunkelnde Folien gefragt seien, gebe es keinen zusätzlichen Montageaufwand, argumentiert Heliatek-Chef Thibaut Le Séguillon. Dadurch seien wettbewerbsfähige Preise möglich.

Andere Unternehmen setzen ebenfalls auf das Konzept von flexiblen und transparen­ten Zellen aus organischem Material. Die bayerische Firma Belectric sowie Crystalsol aus Österreich etwa arbeiten an gedruckten Polymer-Zellen. Polymere sind chemi­sche Verbindungen aus langen Molekülketten, die in einer Lösung angereichert und anschließend gedruckt werden können. Heliatek hingegen nutzt Oligomere als Licht­sammler, also kürzere Molekülketten. Zudem druckt es diese nicht, sondern dampft sie im Vakuum auf eine Trägerfolie auf. Derzeit betreibt Heliatek noch eine Pilotpro­duktion. Mit Solarfolien aus dieser Fertigung hat das Unternehmen soeben die erste Fensterfassade in Dresden errichtet. Als nächstes plant die Firma eine kommerzielle Fertigung mit 100 Megawatt Jahreskapazität.

Mit der BIPV könnte auch für die Glasindustrie ein wichtiges neues Betätigungsfeld entstehen. Bei den Modulproduzenten kommen Fragen auf, die sie nur in Zusammen­arbeit mit der Glasbranche beantworten können:

  • Wie lassen sich die Solarfolien in die Scheiben integrieren?
  • Wie klappt die Integration möglichst kostensparend?
  • Können Arbeitsschritte wie das Aufdampfen der photoaktiven Materialien in die Glasveredelung eingebunden werden?

„So richtig hat sich die BIPV noch nicht durchgesetzt. Aber es ist sicher erforderlich, dass Glas- und Photovoltaikindustrie näher zusammenrücken“, sagt Timo Feuerbach vom Forum Glastechnik im deutschen Maschinenbauverband VDMA. Die ersten Koope­rationen gibt es bereits. So haben Heliatek und der in Brüssel ansässige Flachglasher­steller AGC Glass Europe im vorigen Jahr eine Entwicklungsvereinbarung zur Integra­tion von Solarfolien in Bauglas geschlossen. AGC-Technikchef Marc Van Den Neste sagt, dass die Glas-/Solar-Fassadenlösung der beiden Unternehmen Architekten und Designern völlig neue Möglichkeiten eröffne, Kreativität und Energieeffizienz mitei­nander zu verbinden.

Nicht nur wegen der Zusammenarbeit mit Heliatek gilt AGC Europe als Wegweiser für die Glasindustrie. Seine Fabriken beherbergen eine vollintegrierte Produktion, die nicht nur die Herstellung von Glas, sondern auch dessen Beschichtung und Weiterverarbei­tung umfasst. Verschiedene funktionale Beschichtungen stehen Photovoltaik-Produ­zenten zur Auswahl, beispielsweise elektrische Kontaktschichten für Dünnschichtmo­dule. Ein ähnliches solarorientiertes Konzept verfolgt sonst bisher nur die ostdeut­sche Firma F-Solar. Auch sie hat ihre Produktionslinie im eigenen Haus um Beschich­tungsanlagen verlängert.

Das Dach des Berliner Hauptbahnhofs verdeutlicht die BIPV-Vorzüge: Die Module erzeugen Strom und lassen zugleich Licht passieren. Foto: BSW-Solar / Paul Langrock  (Bild vergrößern)

Auf der glasstec 2014 in Düsseldorf

... der weltweit größten und internationalsten Fachmesse der Glasbranche, haben Un­ternehmen vom 21. bis 24.10.2014 Gelegenheit, weitere Kooperationen anzubahnen. So kommen Experten der Solar- und Glasindustrie vom 20. bis 21.10.2014 auf der Kon­ferenz „Solar meets Glass“ zusammen, um sich über Fortschritte in der Fertigung von Solargläsern und -modulen sowie beim Material und den Kosten auszutauschen.

Auch die Sonderschau „glass technology live“, die vom Institut für Baukonstruktion der Universität Stuttgart organisiert wird, zielt unter anderem auf die Schnittstelle von Solartechnik und Glas. Hier werden am Beispiel von großformatigen Fassaden-Mock-ups und Eins-zu-Eins-Modellen die neuesten Entwicklungen im Bereich Fassa­de und Energie vorgestellt, darunter Innovationen in der Photovoltaik und der Solar­thermie.

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