Marktstudie zu Relevanz und Kosten von Gebäudeökobilanzen
(23.4.2025) Um fundierte Erkenntnisse in die Debatte zur Ökobilanzierung von Gebäuden einzubringen, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gemeinsam mit dem Buildings Performance Institute Europe (BPIE) eine Kurzstudie erstellt. Zahlreiche Unternehmen verfügen bereits über umfangreiche Expertise, es bestehen vielfältige Qualifizierungsangebote, und eine breite Palette an Tools zur Berechnung von Gebäudeökobilanzen ist verfügbar. Gleichzeitig verdeutlicht die Erhebung, dass die Beratungskosten stark schwanken – unter anderem in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit relevanter Daten. Dabei lassen sich Einsparpotenziale insbesondere durch den Einsatz von BIM sowie durch eine verbesserte Standardisierung von Methoden und Datengrundlagen erschließen.
Marktrecherche und Befragung
Es gibt nach wie vor Bedenken im Zusammenhang mit Gebäudeökobilanzen. So z.B. die Sorge vor möglichen Mehraufwänden und Kosten für den Aufbau entsprechender Kompetenzen. Aus diesem Grund hat sich die DGNB entschlossen, gemeinsam mit dem BPIE die Kurzstudie „Gebäudeökobilanzen: Marktdaten zu Relevanz und Kosten” durchzuführen, mit dem Ziel eine fundierte Wissens- und Datengrundlage für die Debatten rund um die Kosten und Chancen, die sich im Zusammenhang mit der Berechnung von Gebäudeökobilanzen ergeben, zu schaffen. Zu diesem Zweck erfolgte eine Marktrecherche zu den bestehenden Qualifizierungsangeboten und Berechnungstools. Außerdem wurden 62 DGNB-Auditoren, die die Erstellung von Ökobilanzen als Dienstleistung anbieten, zu den anfallenden Kosten und Optimierungspotenzialen befragt.
Schulungsangebote und Tools zur Gebäudeökobilanzierung
Die Gebäudeökobilanzierung hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. Außerdem wurde die Grundlage geschaffen, dass die Methodik künftig in größerem Umfang angewandt werden kann. In der Vergangenheit wurden Gebäudeökobilanzen nahezu ausschließlich gemäß den Regeln und im Rahmen von Nachhaltigkeitszertifizierungen oder in Forschungsprojekten durchgeführt. Entsprechend fand die Qualifikation weitgehend im Rahmen der Fortbildungen zum Zertifizierungsexperten statt. Dass es in Deutschland inzwischen sehr viel mehr Weiterbildungsangebote in diesem Bereich gibt, hängt unter anderem mit der Einführung der Bundesförderung Klimafreundlicher Neubau (KFN) zusammen sowie mit der Ankündigung weiterer Förderprogramme, bei denen die Berechnung von Gebäudeökobilanzen Voraussetzung für den Erhalt besserer Finanzierungskonditionen sein soll.
Eine ebenfalls starke Zunahme gibt es bei der Verfügbarkeit von Softwaretools zur Lebenszyklusanalyse von Gebäuden. Die Kurzstudie zeigt, dass es bereits mehr als 25 solcher Anwendungen auf dem deutschen Markt gibt. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede in der zugrundeliegenden Methodik und der Anwendungsbereiche. Einige Tools werten nur den Umweltindikator Treibhausgaspotenzial aus, andere lassen die Berechnung weiterer Umweltparameter zu. Auch mit Blick auf die anfallenden Kosten zur Verwendung der Tools gibt es zum Teil große Differenzen.
Anfallende Kosten variieren
Die Befragung der DGNB-Auditoren, die die Berechnung von Gebäudeökobilanzen als Dienstleistung anbieten, verdeutlicht, dass es auch mit Blick auf die Kosten, die rund um die Anwendung der Methode anfallen, große Unterschiede gibt. Diese liegen im Mittel zwischen 7.000 und 15.000 Euro pro Projekt. Bei der Frage, von welchen Faktoren die Höhe der Kosten abhängt, geben mehr als 70% der Befragten den tatsächlichen Aufwand zur Datenbeschaffung an. Auch die Gebäudegröße und der Gebäudetyp spielen für über die Hälfte der Experten eine einflussnehmende Rolle.
Möglichkeiten zur Kostenreduktion werden in der Anwendung von BIM und digitalen Zwillingen gesehen. Auch wurde auf die Notwendigkeit der Standardisierung der Datengrundlage und Vereinfachungen bei der Software sowie die Bereitstellung digitaler Bauteilkataloge hingewiesen.
Qualitätssicherung von Gebäudeökobilanzen
Die Kurzstudie stellt noch einen weiteren Aspekt im Hinblick auf die Anwendung von Gebäudeökobilanzen in den Fokus: die Qualitätssicherung. Der Bedarf an einer unabhängigen Prüfung ergibt sich insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz des Instruments – sei es als Erfüllungsnachweis im Rahmen einer Gebäudezertifizierung, als Grundlage für klimaschutzorientierte Finanzierungen und Förderungen sowie zur Verifizierung der Einhaltung zukünftiger gesetzlicher Vorgaben. Dabei geht es sowohl um die Vergleichbarkeit als auch um eine mögliche Steuerungswirkung im Rahmen von Gebäudeplanungen.
DGNB und BPIE benennen in der Kurzstudie drei wesentliche Komponenten für die Qualität einer Gebäudeökobilanz:
- die Expertise der Personen, die die Datenermittlungen, Berechnungen und Auswertungen durchführen
- die Qualität der Werkzeuge und Daten zur Ermittlung der Ökobilanz
- die unabhängige externe Validierung der errechneten Ergebnisse
Fazit
DGNB und BPIE empfehlen aufgrund der Ergebnisse, die zeitnahe Einführung einer Regulierung der gebäudebezogenen Treibhausgasemissionen (THG) über den Lebenszyklus. Dabei sollten schlanke Strukturen und qualitätssichernde Mechanismen wie verpflichtende Schulungen, qualitätsgeprüfte Tools zur Ökobilanzierung oder ein bürokratiearmer Validierungsprozess mitgedacht und weiter ausgebaut werden. Für Planer und Ausführende empfiehlt es sich, die eigene Expertise zu Gebäudeökobilanzen weiter auszubauen, für Anbieter von Ökobilanztools, eine Qualitätssicherung zu gewährleisten und die Anwendung ihrer Tools zu vereinfachen.
Oliver Rapf, Executive Director vom BPIE: „Die Studie zeigt: Deutschland hat durch gezielte Förderung und Qualifizierung bereits eine solide Basis für die Ökobilanzierung geschaffen. Das eröffnet die Möglichkeit, die EPBD-Vorgaben zur Offenlegung und Lebenszyklus-THG-Grenzwerten frühzeitig umzusetzen. So kann Deutschland wieder zu den Vorreitern gehören und die Chancen der Lebenszyklusperspektive voll ausschöpfen.”
Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB: „Die politischen Entscheidungstragenden in Deutschland sollten offen dafür sein, die langjährigen Erfahrungen von den Anbietern von Gebäudezertifizierungen wie der DGNB zu nutzen und auch von anderen EU-Staaten wie den skandinavischen Ländern, die eine Lebenszyklusregulierung bereits eingeführt haben, zu lernen, um eine breitere Anwendung im Sinne des Klimaschutzes voranzutreiben.”
Die DGNB Kurzstudie „Gebäudeökobilanzen: Marktdaten zu Relevanz und Kosten” steht unter dgnb.de/hintergrundinformationen-und-studien und hier (PDF-Direktdownload) kostenfrei zur Verfügung.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
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