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Braun Hauptverwaltung, Kronberg, mit witterungsgesteuerter Glasfassade

(28.11.2001) Beim neuen Hauptverwaltungsgebäude der Braun AG in Kronberg im Taunus (siehe Bing-Maps und/oder Google-Maps) sorgt eine ungewöhnliche, gläserne Fassade für hohen Klimaschutz: Je nach Witterung sind die Außenscheiben der Doppelfassade geöffnet oder geschlossen - automatisch geregelt. Im Verein mit dem Warmglas der Innenscheibe wird so eine effektive Dämmung erreicht. Die High-Tech-Sonnenschutzverglasung der Innenhof-Wände zeigt außerdem, wie mit einer herkömmlichen Glasfassaden-Konstruktion über das ganze Jahr hoher Klimaschutz erzielt wird.

Der Bauherr wünschte ein kostengünstiges, flexibles Gebäude, das langfristig technischen und funktionellen Änderungen gewachsen ist. Das Planerteam des Architekturbüros Schneider + Schumacher aus Frankfurt entschied sich für eine Architektur, die sich veränderten Nutzer-Wünschen anpasst.

Braun Hauptverwaltung mit witterungsgesteuerter Glasfassade
alle Fotos © Interpane

Per Rampe ins Atrium

Das dreigeschossige Gebäude wurde mit einem überdachten Innenhof u-förmig angelegt. Eine Rampe durchbricht die Eingangsfassade und leitet die Besucher direkt in das Atrium. Das Dach lässt sich öffnen: Im Sommer ist das Atrium klassischer Innenhof, im Winter wärmegeschützte Halle.

Braun Hauptverwaltung - innen

Kastenfenster-Prinzip

Bautechnisches Highlight ist das patentierte Fassadensystem. Architekt Michael Schumacher setzte seine Konstruktion am neuen Braun-Verwaltungsgebäude erstmals bei einem Großprojekt um. Die gläserne Doppelfassade stellt im Prinzip eine technische Interpretation des Schweizer Kastenfensters dar. Sie ist rasterartig in 1,45 Meter breite große Fensterelemente unterteilt. "Die äußere Scheibe wird im Sommer nicht wie beim herkömmlichen Kastenfenster entfernt und eingelagert, sondern sie öffnet sich bei entsprechender Witterung wie eine Tür und vermeidet so das Aufheizen der Räume", erklärt Schumacher. Die Jalousie, die zwischen innerer und äußerer Schale liegt, wird dann zum außenliegenden Sonnenschutz.

Braun Hauptverwaltung: Kastenfenster-Prinzip

"Gebäude-Gefieder"

"Die Gebäudehülle reagiert ähnlich wie das Gefieder von Vögeln automatisch auf äußere Bedingungen", so Schumacher. Licht- und Temperaturfühler signalisieren den Außenscheiben über ein Bus-System, sich zu öffnen oder zu schließen. Ebenso steuert das System die Jalousien. Bei zu hohen Windgeschwindigkeiten bleiben die Fenster geschlossen.

Das Gebäude "weiß", was für den Nutzer gut ist. Er kann zudem individuell eingreifen: Die Fenster der Innenfassade sind über Zieh- und Druckhebel leicht zu öffnen bzw. zu schließen, die Lamellenstellung der Jalousie lässt sich über Schalter steuern.

Braun Hauptverwaltung - Eingang

ESG außen, Warmglas innen

Da die Außenhaut der Doppelfassade nur den Witterungsschutz übernimmt, reicht hier eine Scheibe aus zwölf Millimeter dickem Einscheibensicherheitsglas (ESG) aus.

Für den winterlichen Wärmeschutz der Fassade sorgt das Warmglas iplus neutral der Interpane Glas Industrie AG. Es ist als Innenverglasung der Kastenfenster-Fassade eingesetzt. Dank der Silberbeschichtung und einer Edelgasfüllung im Scheibenzwischenraum erreicht das hochwertige Isolierglas den geringen Wärmedurchgangswert Uv von nur 1,2 W/m²K (nach DIN). Dieses geht nicht zu Lasten der Helligkeit im Inneren: Eine Lichtdurchlässigkeit von 75 Prozent stellt die gewünschte hohe Transparenz der insgesamt rund 1.650 Quadratmeter Warmglas sicher. Zum Schutz vor Verletzungen durch Glasbruch besteht die Innenscheibe des Isolierglases zudem aus splitterbindendem Verbundsicherheitsglas.

Braun Hauptverwaltung

Sonnenschutz durch selektive Beschichtung

Die Nutzer der zum Innenhof gelegenen Räume sollen beim Klimaschutz nicht benachteiligt werden. Statt der Kastenfenster-Konstruktion ist hier eine herkömmlich konstruierte Glasfassade mit besonders hochwertigem Sonnenschutzglas angeordnet.

Das verwendete High-Tech-Sonnenschutzglas (rund 1.400 Quadratmeter) schöpft nahezu das physikalisch Machbare aus. Während bei herkömmlichen Sonnenschutzgläsern ein niedriger Sonnenenergiedurchlassgrad (g-Wert) zu Lasten der Lichtdurchlässigkeit geht, verknüpft das in Kronberg eingesetzte Glas ipasol natura einen geringen Sonnenenergiedurchgang (g = 34 Prozent) mit hoher Transparenz. Grund für den niedrigen Energiedurchgang ist eine hauchdünne Beschichtung auf der Innenseite der Außenscheibe, die die einfallenden Sonnenstrahlen selektiert: Lichtstrahlen lässt die Scheibe weitgehend nach innen, Wärmestrahlen werden reflektiert.

Der Wärmeschutz funktioniert ähnlich wie beim Warmglas der Doppelfassade: Die Doppelscheibe ist mit Edelgas gefüllt, allerdings ist hier die Innenseite der äußeren Scheibe mit einer Funktionsschicht belegt. Diese schützt vor hohen Wärmeverlusten. Der geringe Wärmedurchgangswert ermöglicht zugleich niedrige Heizkosten im Winter.

Lebendige Fassadenbilder

Die Kastenfassade steht für hohen Klimaschutz und das damit verbundene Wohlbefinden der Gebäudenutzer. Sie entwickelt durch die automatisch gesteuerten Außenscheiben und Jalousien zudem ihre ganz spezifischen optischen Reize. Je nach Betrachtungsstandort, Tages- und Jahreszeit sowie Witterungsverhältnissen ergeben sich durch die unterschiedlichen Öffnungswinkel und Jalousienstellungen sehr differenzierte Eindrücke. Glatt, reflexiv oder geschuppt: Das Erscheinungsbild des Bauwerks ist im wörtlichen Sinne sehr lebendig.

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