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Gastbeitrag: Bürger fordern mehr Investitionen, vergessen aber ihre Eigeninitiative

alte Heizung
© tinadefortunata/fotolia
   

(28.7.2015) Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsfor­schungsinstituts Allersbacher halten fast zwei Drittel der Bür­ger die Investitionen in die bundesdeutsche Infrastruktur für unzureichend. Nur noch 18% glauben demnach, dass ausrei­chend finanzielle Mittel in diesen Bereich fließen. Neben dem gesunden Ausbau sowie der Unterhaltung von Schulen und Kindergärten (82%) wünschen sich außerdem 71% der Be­fragten mehr Investitionen zum Bau von Energieversorgungs­anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Aha, möchte man meinen - das Volk hat verstanden, dass Geld ausgege­ben werden muss, um unsere Zukunft zu sichern.

Aber: Wie sieht es denn mit der Infrastruktur im eigenen Keller aus?

Nicht gut: Laut der „Erhebungen des Schornsteinfegerhandwerks für 2014“ des Zentralinnungsverbands ZIV e.V. sind immerhin 2,2 Millionen der Öl- und Gasheizungsanlagen älter als 23 Jahre. Das entspricht etwa 15% der Wärme­erzeuger, die laut 1. BImSchV messpflichtig sind. Darüber hinaus werden noch 700.000 Öl- und Gasgeräte (4,7%) betrieben, die mehr als 31 Jahre auf dem Buckel haben. Nicht mitgerechnet sind kleinere  Einzelraumheizgeräte, Kleinwasserheizer und derglei­chen, die nicht messpflichtig sind und damit nicht flächendeckend statistisch erfasst werden. Es gibt also eine Dunkelziffer, die Schlimmes erahnen lässt.

Es ist leicht, zunächst mal mit dem Finger auf andere zu zeigen - auf Behörden, Poli­tiker und den Staat -, und sich selbst für nicht zuständig zu erklären. Das ist genauso wie mit dem Staatshaushalt, über dessen Ausgabenpolitik häufig geschimpft wird: Auf der einen Seite stöhnen wir über die hohe Steuerlast; auf der anderen Seite verlangen wir Förderungen in jeglicher Hinsicht. Dass es ein und dieselbe Kuh ist, die gefüttert und gemolken wird, kommt vielen wohl eher selten in den Sinn.

In der „guten alten Zeit“ hieß es mal: „Wir kehren erst einmal vor der eigenen Haus­tür, bevor wir über die Anderen schimpfen“. Was ist daraus nur geworden?

Fakten und Ausnahmen von der Austauschpflicht

Wir haben eine EnEV 2014, die eindeutig zu kurz greift. Eine Austauschpflicht für alte Heizkessel besteht für alle Wärmerzeuger bis Baujahr 1985. Geräte, die demnach zum heutigen Zeitpunkt älter als 30 Jahre sind, dürfen nicht mehr verwendet werden. So einfach ist das - wären da nicht die zahlreichen Ausnahmen:

In beiden Fassungen - EnEV 2007/2009 und der neuen EnEV 2014 - sind Niedertem­peraturkessel und Brennwertkessel explizit von der Nachrüstpflicht ausgenommen. Die Austauschpflicht für alte Heizkessel greift also nur im Falle von alten Standard- bzw. sogenannten Konstanttemperaturkesseln. Auch Wärmeerzeuger mit einer Nennwärme­leistung unterhalb von 4 und über 400 Kilowatt sind hiervon nicht betroffen. Ebenso Heizgeräte, deren „Brennstoffe von den marktüblichen flüssigen und gasförmigen Brennstoffen erheblich abweichen“ - sprich Schweröl oder Biogas. Weiterhin betrifft diese Regelung weder Anlagen zur ...

  • ausschließlichen Warmwasserbereitung,
  • Küchenherde und Geräte, die hauptsächlich zur Beheizung des Raumes gedacht sind, in dem sie mal eingebaut oder aufgestellt wurden, daneben aber auch Warmwasser zur Zentralheizung und sonstigen Gebrauchszwecken liefern.

Weiterhin gibt es Ausnahmen bei zumindest teilweise selbstgenutzten Ein- oder Zwei­familienhäusern: „Bei Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen der Eigentümer eine Wohnung am 1. Februar 2002 selbst bewohnt hat, sind die Pflich­ten [...] erst im Falle eines Eigentümerwechsels nach dem 01. Februar 2002 von dem neuen Eigentümer zu erfüllen.“ Die Frist zur Erfüllung für den neuen Eigentümer be­trägt zwei Jahre. Zudem wird der Vollzug dieser Regelung nicht konsequent über­prüft - es handelt sich demnach um einen „zahnlosen Papiertiger“.

Auch die 1. Bundes-Immissions-Schutzverordnung kann nur bedingt Abhilfe schaffen. Hier gibt es zwar klare abgastechnische Grenzwerte, die einzuhalten sind und die vom Schornsteinfegerhandwerk regelmäßig überwacht werden. Energietisch betrachtet greift aber auch die 1. BImSchV nicht wirklich. Abstrahlungs- und Zirkulationsverluste werden genauso außer Acht gelassen wie Überdimensionierungen der Heizungsanlage, die bis in die 1980er Jahre nun einmal üblich waren. Mit der widerkehrenden Messung wird dem Betreiber zudem noch ein Stück (trügerische) Sicherheit vermittelt: „Der Schornsteinfeger hat mir bestätigt - alles in Ordnung“

Wie Altöl im Gartenteich

Aufklärungsarbeit tut Not! Es gilt, den Betreibern „alter Schätzchen“ begreiflich zu machen, dass eine 30 Jahre alte Heizungsanlage ungefähr so umweltfreundlich ist wie Altöl im Gartenteich. BAFA- und KfW-Programme gab und gibt es reichlich. Energiebe­rater auch. Trotzdem fehlt vielerorts ganz offensichtlich die Einsicht und vielleicht auch das Vertrauen in all die Protagonisten und ihre guten Ratschläge, um in die eige­ne Infrastruktur zu investieren. Aber es hilft nichts, den Kopf in den Sand zu ste­cken - oder ein hippes Bad der Energieeffizienz der eigenen Immobilie vorzuziehen.

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