Branche ernüchtert: „Deutschland baut 150.000 Wohnungen pro Jahr zu wenig“
(14.6.2016) Das Statistische Bundesamt hat soeben die offiziellen Zahlen zum Wohnungsneubau 2015 veröffentlicht: Im vergangenen Jahr sind demnach lediglich 247.724 Wohnungen in Deutschland neu gebaut worden (siehe Nachbarbeitrag). „Viel zu wenig und deutlich unter den Erwartungen der Branchen-Experten, die für 2015 mit einer Fertigstellungszahl von mindestens 260.000 neuen Wohnungen gerechnet hatten“, erinnert der Koordinator der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, Dr. Ronald Rast. Die Wohnungsbau-Allianz, der 30 Verbände der Planungs-, Bau- und Wohnungswirtschaft angehören, sieht einen aktuellen Bedarf von mindestens 400.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr. Zu diesem Ergebnis sind auch diverse Institute gekommen.
„Damit ist klar, dass im vergangenen Jahr in Deutschland mehr als 150.000 Wohnungen zu wenig gebaut worden sind“, stellt Ronald Rast fest. Der Koordinator der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ spricht von einer „ernüchternd niedrigen Neubaubilanz“ für das Jahr 2015. „In der Zeit akuter Wohnraumknappheit schafft Deutschland ein ‚Neubau-Plus‘ von gerade einmal 2.399 Wohnungen - und damit nicht einmal 1 Prozent mehr als im Vorjahr. Allein Berlin hätte im vergangenen Jahr mehr als zwanzig Mal so viele Neubauwohnungen gebraucht“, rechnet Rast vor und spricht von einem „Jahrzehnt des wohnungsbaupolitischen Stillstands“. Es sei aber daran erinnert, dass in den Jahren zuvor die Zahl der Wohnungsfertigstellungen mehrfach in Folge kräftig gestiegen ist:
- 2014 und 14,2%,
- 2013 um 7,2%,
- 2012 um 9,5% und
- 2011 um 14,6%.
Gleichwohl gehen Branchenfachleute davon aus, dass die Bundesrepublik mittlerweile einen Bedarf von über einer Million nicht gebauter Wohnungen vor sich herschiebt. Deutschland trete beim Neubau von bezahlbaren Wohnungen sowie beim Neustart des Sozialmietwohnungsbaus nach wie vor auf der Stelle.
Grafik aus dem Beitrag „Studie
„Wohnen 2045“ von Allianz und Prognos“ vom 20.3.2016 (Grafik
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„Erste-Hilfe-Paket“ gefordert
Es sei unumgänglich - so Rast, dass die Mitglieder der Bundesregierung mit Unterstützung aller Bundestagsfraktionen noch vor der politischen Sommerpause ein „Erste-Hilfe-Paket“ für den bezahlbaren Wohnungsneubau beschließen: „An der vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagenen Sonderabschreibung führt kein Weg mehr vorbei“, stellt Rast fest.
Schon zu Jahresbeginn hatte sich die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ mit einem Positionspapier an Bund und Länder gewandt und darin rasche und effektive Förderimpulse für den Wohnungsbau gefordert: Darin werden gefordert ...
- eine Erhöhung der linearen Absetzung für Abnutzung (AfA) von 2 auf 3Prozent, um eine sachgerechte Anpassung der Abschreibungsregelung an die sich verändernde technische Nutzungsdauer der Wohngebäude zu gewährleisten, sowie
- die Einführung einer zeitlich begrenzten, zusätzlichen Sonderabschreibung (2 Jahre 10 Prozent und 1 Jahr 9 Prozent) für private Investoren, die in den Neubau bezahlbaren Wohnraums in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten investieren, oder
- alternativ Investitionszulagen als schnell wirksames Instrument für mehr bedarfsgerechten Wohnungsneubau; diese könnten insbesondere öffentliche Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften nutzen, die von steuerlichen Anreizen nicht profitierten.
„Was Deutschland jetzt braucht, ist ein absolut schnelles Handeln des Bundes“, sagt Rast. Es müsse eine solide und auf Dauer angelegte Förderung des Wohnungsneubaus in enger Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen geben. Die Wohnraumversorgung sei – bei aller erforderlichen Flexibilität – kein Stoßgeschäft. Sie brauche Verlässlichkeit und Kontinuität. Und sie müsse planbar sein.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Meinung gegen den Strich: 2018 wurden viel zu viele(!) Wohnungen gebaut (4.7.2019)
- Wohnungsneubau in Deutschland weiterhin nur im europäischen Mittelfeld (27.8.2017)
- 12,1% mehr Baufertigstellungen von Wohnungen im Jahr 2016 - trotzdem sind's nur 277.700 (23.5.2017)
- Wohnraumförderung legte 2015 leicht zu (26.3.2017)
- ifo Geschäftsklima deutlich eingetrübt - allerdings nicht im Bauhauptgewerbe (31.8.2016)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Mietwohnungsbau-Förderung erneut im Finanzausschuss abgesetzt (6.6.2016)
- Bauindustrie fordert „Entrümpelung“ der Vorschriften zur Ankurbelung des Mietwohnungsbaus (6.6.2016)
- Bezahlbare Mietwohnungen: Wirtschaft schwankt zwischen Sonder-AfA und Investitionszulage (25.4.2016)
- Studie „Wohnen 2045“ von Allianz und Prognos (20.3.2016)
- Wohnungsbau-Offensive vom Bundeskabinett abgesegnet (12.3.2016)
- Rolle des Bundes im Sozialwohnungsbau (21.2.2016)
- Sonder-AfA für den Mietwohnungsbau nimmt nächste Hürde (7.2.2016)
- Studie: „Deutschland braucht bis 2020 zwei Millionen neue Wohnungen“ (21.9.2015)
- DGfM stellt neue Studien vor und fordert 300.000 neue Wohneinheiten jährlich (15.2.2015)
siehe zudem:
- Baupolitik, Baufinanzierung, Immobilien und Baurecht auf Baulinks
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