Baulinks -> Redaktion  || < älter 2020/1719 jünger > >>|  

Angewandte Geometrie zur Dreidimensionalisierung des (Holz-)Baus

(20.10.2020) Eine verblüffende Konstruktionsmethode für frei geformte Strukturen wurde an der TU Wien entwickelt: Dabei werden flache Gitter gezielt dreidimensional verbogen. Die selbstentwickelten mathematischen Methoden probierte das Team der TU Wien auch in der Praxis aus: Die berechneten Gitter wurden aus Holz gebaut, zusammengeschraubt und aufgeklappt. Die entstandenen 3D-Formen wurden dann mit einem Laserscanner vermessen. So ließ sich beweisen, dass die realen 3D-Strukturen tatsächlich mit den berechneten Formen übereinstimmen. Die Herstellung eines Mini-Pavillondaches hat gezeigt, das diese Technik auch im Großen funktionieren sollte.

Bild © TU Wien 

Wie kann man jedoch etwas Flaches zu etwas Dreidimensionalem umformen? In der Architektur, im Ingenieurbau und im Design spielt diese Frage oft eine wichtige Rolle. Ein Mathematik-Team der TU Wien entwickelte dazu eine Technik, die dieses Problem erstaunlich einfach löst:

  • Man wählt eine beliebige gekrümmte Fläche,
  • kann daraus ein flaches Gitter aus geraden Stäben berechnen,
  • welches sich dann ausklappen lässt und die gewünschte Fläche approximiert,
  • so dass eine stabile Form entsteht, die unter mechanischer Spannung steht und so auch größere Lasten tragen kann.

Der Schritt in die dritte Dimension

Angenommen, man schraubt gewöhnliche gerade Stäbe rechtwinkelig zu einem Gitter zusammen, sodass ein völlig regelmäßiges Muster aus kleinen Quadraten entsteht. Wenn dann ein solches Gitter verzerrt wird, dann werden sich alle Winkel im Gitter gleichzeitig ändern und parallele Stäbe können parallel bleiben - sprich: aus den Quadraten werden Parallelogramme und alle Stäbe befinden sich immer noch in derselben Ebene; die Struktur ist immer noch flach.

Bitte , um dieses Video anzusehen.
4:40 Minuten: How to turn 2d grids into 3d shapes

Die entscheidende Frage ist nun: Was passiert, wenn die Stäbe anfangs nicht parallel zueinander liegen, sondern in unterschiedlichen Winkeln aneinandergefügt werden? „Ein solches Gitter lässt sich nicht mehr innerhalb der Ebene verzerren“, erklärt Przemyslaw Musialski. „Wenn man es aufklappt, müssen sich die Stäbe biegen. Sie weichen in die dritte Dimension aus und ergeben eine gewölbte Form.“

Am Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie der TU Wien entwickelte Herr Musialski mit seinem Team ein Verfahren, mit dem man berechnen kann, wie das flache, zweidimensionale Gitter aussehen muss, um im aufgeklappten Zustand genau die gewünschte dreidimensionale Form zu ergeben. „Unsere Methode basiert auf Erkenntnissen der Differentialgeometrie, sie ist relativ einfach und braucht keine aufwändigen Computersimulationen“, sagt Stefan Pillwein, Erstautor der aktuellen Publikation, die auf der SIGGRAPH präsentiert und im Fachjournal ACM Transactions on Graphics publiziert wurde.

Experimente mit dem Laserscanner

Die selbstentwickelten mathematischen Methoden probierte das Team der TU Wien dann auch in der Praxis aus: Die berechneten Gitter wurden in Holz realisiert, zusammengeschraubt und aufgeklappt. Die entstehenden 3D-Formen wurden anschließend mit einem Laserscanner vermessen. So ließ sich beweisen, dass die entstandenen 3D-Strukturen tatsächlich ausgezeichnet mit den berechneten Formen übereinstimmen.

Auch ein Mini-Pavillondach wurde hergestellt; in der Größe von 3,1 x 2,1 x 0,9 m: „Wir wollten wissen, ob diese Technik auch im Großen funktioniert - und das ist bestens gelungen“, resümiert Stefan Pillwein. „Ein simples 2D-Gitter durch eine einzige Aufklappbewegung in eine 3D-Form zu verwandeln sieht nicht nur verblüffend aus, sie hat viele technische Vorteile“, verspricht Herr Musialski. „Solche Gitter sind einfach und günstig zu fabrizieren, sie können leicht transportiert und aufgebaut werden. Unsere Methode erlaubt, auch anspruchsvolle Formen zu erzeugen, nicht nur einfache Kuppeln.“

Auch statisch haben die Strukturen sehr gute Eigenschaften: „Die gebogenen Elemente stehen unter Spannung und haben eine natürliche strukturelle Stabilität - in der Architektur bezeichnet man das als Active Bending“, erklärt Herr Musialski. Mit sehr dünnen Stäben können sehr große Distanzen überspannt werden. Für Architektur-Anwendungen ist das optimal.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

Impressum | Datenschutz © 1997-2024 BauSites GmbH