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„Forstpavillon“: Von Robotern gefertigte Holzschalenkonstruktion als Ausstellungsgebäude

(26.6.2014) Der „Forstpavillon“ ist ein Demonstrationsbau, für den integrative compu­terbasierte Entwurfs-, Simulations- und Messverfahren zur robotischen Fertigung von Holzleichtbaukonstruktionen entwickelt wurden. Als Teil des Forschungsprojekts „Ro­botik im Holzbau“ handelt es sich dabei um das erste Gebäude, dessen 50 mm schlan­kes Schalentragwerk aus Buchenplatten vollständig von Robotern gefertigt wurde.

alle Bilder: ICD/ITKE/IIGS Universität Stuttgart 

Im Rahmen des besagten Verbundforschungsprojekts wurde der Pavillon, der von ForstBW als Ausstellungsgebäude auf der Landesgartenschau Schwäbisch Gmünd 2014 genutzt wird, an der Universität Stuttgart konzipiert - sowie realisiert und fi­nanziert in Kooperation mit ...

Ziel des Forschungsprojekts ist es, neue Wege aufzuzeigen, wie sich durch die Verknüpfung computerbasierter Entwurfs-, Simulations- und Fertigungsverfahren leistungsfähige und res­sourcenschonende Konstruktionen aus dem regional verfüg­baren und nachwachsenden Baustoff Holz realisieren lassen. Daran beteiligt sind das ...

Holz ist eines der ältesten Baumaterialien der Menschheit. Die robotische Fertigung eröffnet dem Material nun völlig neuartige Anwendungsmöglichkeiten. Der Forstpavil­lon steht für eine solche Innovation im Holzbau, die sich in fünf wesentlichen Aspek­ten zeigt:

Bionischer Leichtbau

Im Vergleich zu technischen Konstruktionen besitzen natürli­che Konstruktionen in der Tier- und Pflanzenwelt in der Regel wesentlich komplexere Formen und Strukturen. Dieses „Mehr“ an Form ist häufig der Grund für deren besondere Leistungs­fähigkeit und geht mit einem „Weniger“ an Materialeinsatz und Ressourcenverbrauch einher. Aus der Natur lassen sich daher oft wirksame Prinzipien ableiten, die in die Gestaltung technischer Systeme übertragen werden können.

Dieses bionische Vorgehen besteht im Falle des Forstpavillons in der Ableitung einer segmentierten Schalenkonstruktion und ihrer Verbindungsdetails aus dem Plattenskelett von Seeigeln. Die charakteristische Ausbildung der Plattenränder zeigt dabei Extrusionen, die die Platten verzahnen und als biologisches Vorbild für die Verbindung von Plattenkonstruktionen dienen.

Computerbasierter Entwurf und Simulation

Die komplexe Plattenstruktur des Forstpavillons wird überhaupt erst durch computer­basierte Entwurfs- und Simulationsverfahren möglich. Diese erlauben die Modellierung und Simulation von bionischen Konstruktionsformen. Das im Rahmen des Forschungs­projekts entwickelte Entwurfswerkzeug bietet die Möglichkeit, von Beginn an Material­eigenschaften und Herstellungsbedingungen in die Planung einfließen zu lassen. Die Platten werden dabei nicht einzeln gezeichnet oder modelliert, sondern sie finden in einem digitalen Simulations- und Optimierungsprozess ihre Lage, Größe und Form in Übereinstimmung mit den Möglichkeiten der robotischen Fertigung von selbst.



Robotische Fertigung

Die durchgehend computerbasierte Planung erlaubt die digitale Fertigung aller Bauteile der Holzkonstruktion, von der Herstel­lung der 243 unterschiedlichen Platten bis hin zum Zuschnitt der Dämmung, wasserführenden Schicht und Deckschicht aus Lärchenplatten. Die größte Herausforderung und Innovation stellt dabei die Fertigung der 7600 geometrisch unterschied­lichen Zinkenverbindungen dar, die dem Pavillon seine Stabili­tät verleihen und im Innenraum sichtbar bleiben. Hier kommt der robotischen Fertigung eine Schlüsselrolle zu, da sie im Vergleich zu üblichen computergesteuerten Fertigungsmetho­den einen wesentlich höheren Freiheitsgrad bietet: die Verbin­dungen, die in mikroskopisch kleinem Maßstab auch der See­igel nutzt, lassen sich nur mit einer 7-achsigen Roboteranla­geeffizient umsetzen. Wie auch beim Seeigel spielt es dabei keine Rolle, dass alle Platten Einzelstücke sind. Die gesamte Vor­fertigungszeit des Schalentragwerks betrug 3 Wochen.

Innovative Messverfahren

Die durchgehende computerbasierte Planung und Fertigung ermöglichen eine im Ver­gleich zu bestehenden Verfahren sehr hohe Präzision. Die Qualitätskontrolle der indi­viduellen robotisch gefertigten Platten stellt daher eine besondere Herausforderung dar und erfordert eine hochpräzise messtechnische Erfassung durch im Sub-Millime­ter Bereich agierende Lasertracker.

Zusätzlich kommen 3-dimensionale Laserscanner zur mehrfa­chen Vermessung des gesamten Bauwerks zum Einsatz, die eine Analyse des Langzeitverhaltens ermöglichen. So konnte gezeigt werden, dass die mittlere quadratische Abweichung der Bauteile in der Bauteilebene, die ein Maß für die Genauig­keit der Fertigung darstellt, lediglich 0,86 mm beträgt. Im Ver­gleich zu den sonst im Bauwesen üblichen Toleranzen ist dies ein außerordentlich guter Wert, vor allem auch im Hinblick da­rauf, dass es sich bei der Buchenholzschale gleichzeitig um „Rohbau“ und fertige Oberfläche im Innenraum handelt.

Neuartige Holzkonstruktion

Im Sinne der funktionalen Integration, einem Grundprinzip biologischer Strukturen, sind diese Buchenholzplatten des Forstpavillons zugleich Tragwerk und Gebäudehülle. Die Verbindungskräfte, die an den Plattenrändern auftreten, können durch die robotisch gefräste Zinkenverbindung gut aufgenommen werden. So entsteht eine leistungsfähi­ge Holzkonstruktion, deren tragende Schicht aus gerade einmal 50 mm starken Bu­chenplatten besteht.

Die Verwendung von regional verfügbarem Buchenholz steht dabei nicht nur im Ein­klang mit zukünftigen Beforstungsstrategien in Mitteleuropa, sondern eignet sich auf­grund der hervorragenden mechanischen Eigenschaften auch für einen ressourcen­schonenden Holzleichtbau.

Mit einer Schalenfläche von 245 m² und äußeren Abmessungen von ca. 17 x 11 x 6 m (L x B x H) bietet der Forstpavillon eine Nutzfläche von ca. 125 m² und ein Raumvolumen von 605 m³. Die gesamte, sehr dünne Schale konnte aus gerade einmal 12 m³ Holz hergestellt werden. Die eingesetzten Holzressourcen wurden fast vollständig verwendet, da der Verschnitt der Plat­tenfertigung zu einem Buchenparkettfußboden weiterverarbei­tet wurde. Aufgrund der durchgehend digitalen Planung und Vorfertigung konnte das gesamte Gebäude in lediglich vier Wo­chen errichtet werden.

Das Innere des Forstpavillons ist in zwei räumliche Bereiche gegliedert: einen Eingangsbereich und den Hauptausstellungs­bereich. In beiden Bereichen ist die Schale kuppelförmig aus­gebildet und besteht aus konvex-polygonalen Platten. Dazwi­schen befindet sich eine sattelförmige Einschnürung aus kon­kav-polygonalen Platten.

Der Besucher betritt das Gebäude durch den niedrigeren Teil der Schale und wird dann durch die räumliche Einschnürung fließend in den sechs Meter hohen Hauptraum gelei­tet, der sich durch die große Glasfassade zur Landschaft hin weit öffnet:

Besonders präsent ist im Innenraum das Muster der sichtba­ren und weitgehend unbehandelten, tragenden Buchenholz­konstruktion mit Ihren charakteristischen Zinkenverbindung­en. Durch den geometrisch bedingten Übergang von konvex- zu konkavpolygonalen Platten wird der räumliche Wechsel noch akzentuiert. Die Logik der Konstruktion, die sich nach dem biologischen Vorbild aus der Differenzierung der Platten­form und Zinkenverbindungen ableitet, bleibt im Innenraum sicht- und erlebbar.

Die Realisierung des Forstpavillons zeigt auf, dass die roboti­sche Herstellung in Wechselwirkung mit computerbasierten Entwurfs-, Simulations- und Messverfahren es Architekten, Ingenieuren und Holzbauern ermöglicht, von Beginn an inter­disziplinär, herstellungs- und materialorientiert zu arbeiten. Dabei entstehen nicht nur leistungsfähige und ressourcen­schonende Holzbaukonstruktionen, sondern auch eine neu­artige, ausdrucksstarke Architektur.

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