Hydraulischer Abgleich: Grenzen des Verfahrens B im Vergleich mit digitalen adaptiven Systemen
(17.10.2023) Dr.-Ing. Martin Donath, geschäftsführender Gesellschafter der Ratiodomo Ing-GmbH beschäftigt sich seit Jahren mit der messwertbasierten Analyse des Betriebsverhaltens von Energieanlagen. Seinen Erfahrungen zufolge führt die ausschließliche Anwendung des Verfahrens B nicht zu einer Verbesserung der Energieeffizienz von hydraulischen Systemen im Bestand. Dieses Verfahren B besteht im Wesentlichen aus einer einmaligen Berechnung und Einstellung ohne Überprüfung der Funktionalität. Im Gegensatz dazu haben neuartige digitale adaptive Systeme die Fähigkeit, hydraulische Betriebszustände in jeder Lastsituation sicherzustellen und zu überwachen. Aufgrund dieser innovativen Möglichkeiten betrachtet er sie als einen wünschenswerten Beitrag zur Beschleunigung der energetischen Optimierung.
Selbst in Bestandsgebäuden ist es gesetzlich vorgeschrieben, den hydraulischen Abgleich erneut durchzuführen. Dies wird in der Regelung wie folgt festgehalten: „Für Förderanträge, die ab dem 1. Januar 2023 gestellt werden, wird der hydraulische Abgleich ausschließlich nach Verfahren B akzeptiert, was eine genaue raumweise Berechnung der Heizlast erfordert.” In der Branche wird allerdings „Ermittlung” in diesem Zusammenhang als Berechnung verstanden.
Verfahren B: kein messwertbasierter Funktionsnachweis gefordert
Zur Erinnerung: Auch bei Gebäuden im Bestand sind somit Raumlasten und Heizflächen sowie Massenstrom, Voreinstellungen der Ventile und Heizkurve erneut zu berechnen. Einstellungen werden anhand der Berechnungsdaten vorgenommen. Das Verfahren B verknüpft die Schritte „Auslegung der Heizung”, „Hydraulischer Abgleich” und „Einregelung” miteinander. Ein messwertbasierter Funktionsnachweis wird jedoch nicht gefordert. Der Vorgang des hydraulischen Abgleichs wird im Verfahren B zwar beschrieben, der benötigte hydraulisch abgeglichene Zustand aber nicht bedacht. Es bleibt damit offen, ob geforderte Schritte zum gewünschten Ergebnis geführt haben.
Softwaregestützte Bewertung des hydraulischen Zustands
Ratiodomo konzentrierte sich ab 1998 auf die messwertbasierte Analyse des Betriebsverhaltens der Wärmeerzeuger, um den Nutzungsgrad zu verbessern und die Gebäudeheizlast zu ermitteln. Dazu wird softwaregestützt eine spezifische Gebäudekennlinie erstellt. Das Prinzip wird sowohl vom Anbieter als auch vom Abnehmer nachvollzogen und akzeptiert.
Der hydraulische Zustand wird über das zeitabhängige Verhalten der Spreizung des Heizkreises sowie die Gradienten des Anstiegs der Raumtemperaturen bewertet, so werden fehlerhafte hydraulische Einstellungen ermittelt. Meist sind Heizkurven und Pumpenleistungen zu hoch eingestellt, um Hydraulikfehler zu kompensieren. Der Mehrverbrauch entsteht also primär durch den ausbleibenden Brennwerteffekt bei der Wärmeerzeugung.
Optimus-Studie aus dem Jahr 2002
In der Optimus-Studie 2002 – 2005 wurde ermittelt, dass Einsparung in den Gebäuden der neuesten Baualtersklasse deutlich größer waren, als in der mittleren Baualtersklasse. In der ältesten Baualtersklasse waren kaum Einsparungen durch den hydraulischen Abgleich nachweisbar. Dies begründet sich darin, dass in neueren Gebäuden weiterhin hohe Vorlauftemperaturen zur Verfügung standen, schon deshalb, um die Warmwasserbereitung bestimmungsgemäß zu realisieren.
Digitale adaptive Systeme für den Abgleich in Echtzeit
Digitale, adaptive Systeme, sogenannte „Verfahren des temperaturbasierten hydraulischen Abgleichs”, können heute Raumheizlasten im Bestand über funktionsbedingt generierte, spezifische Messwerte in den Regelstrecken ermitteln. Je nach Regelkonzept werden hierzu gemessene und zueinander in Bezug gesetzte Medientemperaturwerte, Heizflächentemperaturen, Differenzdrücke, Ventilpositionen oder Volumenströme verwendet.
Das Blossom-ic–System prüft stetig auf Basis eigener Messdaten, ob die jeweilige sollinnentemperatur- und außentemperaturabhängige Raumheizlast mit der bereitgestellten Raumheizleistung übereinstimmt.
Bei jedem Aufheizvorgang wird der Gradient der Aufheizung einzelner Räume miteinander verglichen. Unter anderem sichern Thermostate im Informationsverbund, über Regelalgorithmen, dass das System in allen Lastsituationen, auch bei Nutzereingriffen, immer im hydraulisch abgeglichenen Zustand arbeitet. Für jeden Raum entsteht analog der Gebäudekennlinie eine Raumkennlinie. Mit dieser werden die korrekte Dimensionierung der Heizfläche und die Einstellparameter der Heizung geprüft. Abweichler werden dem Nutzer mitgeteilt.
Die Grafik zeigt die Raumtemperaturen in einem EFH über 24 h mit Nachtabsenkung und Aufheizphasen. Diese Messdaten bilden die Grundlage für die iterativ arbeitenden Algorithmen zur messwertbasierten Bestimmung der Raumheizlasten. Die Gradienten der Aufheizphase sind hier im Zeitraum von 06:00 Uhr bis 07:00 Uhr gut erkennbar.
Berücksichtigt man zudem, dass anstelle des zeitaufwändigen Verfahrens B lediglich der Austausch der Thermostate ohne die Anforderung spezieller Fachkenntnisse, verbunden mit einer Erfolgskontrolle und dies sogar im laufenden Betrieb, als Alternative zur Verfügung steht, sollte man die Einführung digitaler hydraulischer Abgleichsysteme als einen wünschenswerten Beitrag zur beschleunigten energetischen Optimierung von Heizungsanlagen ansehen.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
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siehe zudem:
- Heizungsinstallation im Wärmetechnik-Magazin und Gebäudeautomation im Haustechnik-Magazin auf Baulinks
- Literatur / Bücher über Gebäudeautomation und Heizung bei Amazon