Anhörung im Verkehrsausschuss: Stuttgart 21 weiterhin umstritten
(6.5.2015) Das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ ist auch nach dem Baubeginn weiterhin umstritten. Dies wurde am 6.5. bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur deutlich, bei der es um einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen (18/3647) ging. Darin fordern die Abgeordneten, offene Fragen zu dem Bahnhofsprojekt zu klären. Die Regierung soll daÂfür Sorge tragen, dass die aktuelle Kostenentwicklung des Projektes kurzfristig offenÂgelegt und eine neue Kosten-Nutzen-Berechnung durchgeführt wird. Die Kosten von Stuttgart 21 hätten sich bereits vor dem offiziellen Baubeginn im Vergleich zu den urÂsprünglichen Kostenannahmen erheblich erhöht und seien seit dem Baubeginn am 2. Februar 2010 um weitere 50 Prozent gestiegen. Es müsse mit weiteren erheblichen Steigerungen der Projektkosten gerechnet werden.

Volker Kefer von der Deutschen Bahn AG (DB AG) sieht das Projekt „voll im Zeitplan“. Er geht davon aus, dass es 2021 fertiggestellt sein wird. Insgesamt würden die GeÂsamtkosten derzeit auf sechs Milliarden Euro geschätzt. Dazu kämen noch 500 MillioÂnen Euro Reserve. Er wies darauf hin, dass die Planfeststellung „praktisch“ komplett vorliege und auch vor Ort Fortschritte zu erkennen seien.
Für Matthias Lieb vom Landesverband Baden-Württemberg des Verkehrsclubs Deutschland sind auch fünf Jahre nach Baubeginn noch viele Fragen ungeklärt. Der Nachweis zur Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Projektes sei nicht erbracht: Es laufe finanziell und zeitlich immer mehr aus dem Ruder, gefährde die DividendenfähigÂkeit der DB AG und belaste damit auch den Bundeshaushalt. Die stark steigenden KosÂten stellten eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs am VerÂkehrsmarkt dar, schreibt Lieb in seiner Stellungnahme.
Auch der Sachverständige und Journalist Arno Luik kritisiert weiterhin das Projekt. Für ihn ist Stuttgart 21 „einfach nicht in den Griff zu bekommen.“ So weiche es von den vorgeschriebenen Sicherheitsnormen ab. Dies habe viel mit Stuttgarts tückischem UnÂtergrund zu tun, der Tunnelbauten immer wieder hochhebe, sie verschiebe oder abÂsenke und sie zu ewigen Baustellen mache. Es habe aber auch damit zu tun, dass Stuttgart im Talkessel liege und die Züge von den Höhen kommend den Tiefbahnhof in langen, sehr steilen Tunnels anfahren müssten. Für Züge sei das problematisch, manÂche Arten von Zügen können das Gefälle nicht bewältigen. „Auch der Brandschutz erÂfüllt nicht die Sicherheitsnormen“, betonte Luik.
Demgegenüber sieht Klaus-Jürgen Bieger, Brandschutzbeauftragter der DB AG, das Projekt bei den Brandschutzmaßnahmen auf der sicheren Seite. Sowohl europäische als auch deutsche Normen würden eingehalten. Unterstützt wurde er dabei von ManÂfred Leger (DB Projekt Stuttgart-Ulm). Er wies darauf hin, dass im Brandfall bis zu 16.000 Personen in Sicherheit gebracht werden könnten. Dies seien viel mehr PersoÂnen, als selbst zu Spitzenzeiten am Bahnhof anwesend seien würden. Auch Professor Ullrich Martin, Direktor des Instituts für Eisenbahn- und Verkehrswesen, betonte, dass nach seiner Ansicht der Fertigstellungstermin zu halten sei. Im Übrigen hätten sich die Bedingungen seit den Schlichtungsgesprächen kaum verändert.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Stuttgart 21: „Fortführung wirtschaftlicher als Abbruch“ (4.3.2018)
- Frühe Planungsfehler setzen bei Großprojekten oft unaufhaltsame Kostenspirale in Gang (24.5.2015)
- Bahnchef vorm Verkehrsausschuss: „Abbruch von ,Stuttgart 21‘ kostet 7 Mrd. Euro“ (18.4.2018)
- Gründe für den Anstieg der Kosten bei „Stuttgart 21“ (17.4.2018)
- „Stuttgart 21“ wird nach aktuellem Stand 7,6 Mrd. Euro kosten und im Dezember 2024 fertig (6.2.2018)
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ausgewählte weitere Meldungen:
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- Konjunkturumfrage der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau: Ingenieurmangel weiter eminent (3.5.2015)
- Katastrophe sehenden Auges? Anhörung zu Stuttgart 21 am 6. Mai in Berlin (29.4.2015)
- Bundesregierung: „Stuttgart 21 umfassend barrierefrei“ (2.3.2015)
- Arbeitskreis Baufachpresse traf (nicht nur) auf Stuttgart 21 (7.10.2014)
- Podiumsdiskussion zur Frage „Kann Deutschland noch groß?“ (6.10.2014)
siehe zudem: