Abwanderung von Fachkräften aus der Bauwirtschaft: Was tun?

(1.10.2018) Der Mangel an geeigneten Arbeitskräften gilt bei vielen Baubetrieben seit einiger Zeit als der produktionsbehindernde Faktor Nummer Eins. Bei der Behebung des Fachkräftemangels wird meist an die Gewinnung neuer Fachkräfte gedacht; es scheint jedoch mindestens genauso wichtig zu sein, die Abwanderung vorhandener Fachkräfte in andere Branchen zu vermeiden.
SOKA-Bau hat Anfang 2018 verschiedene Zielgruppen (Auszubildende, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Ausbilder), darunter mehr als 200 abgewanderte Arbeitnehmer, nach den (mutmaßlichen) Gründen zur Abwanderung aus der Bauwirtschaft befragt. Dabei wurde von den befragten Personen der allgemeine Eindruck bestätigt, dass die Abwanderung von Fachkräften ein drängendes Problem ist und vermutlich in den kommenden Jahren noch weiter an Brisanz gewinnen wird. Darüber hinaus handelt es sich bei den abgewanderten Arbeitnehmern hauptsächlich (zu zwei Dritteln) um ausgebildete Fachkräfte, wobei Hochbaubetriebe besonders stark betroffen sind.
Gesundheit, Geld, Arbeitsplatzverlust, Arbeitsbelastung
Was die Abwanderungsgründe angeht, nennt der größte Teil der Befragten (38%) gesundheitliche Gründe, gefolgt von ...
- schlechten ökonomischen Rahmenbedingungen wie einer zu niedrigen Entlohnung (25%),
- Kündigung bzw. Insolvenz des Arbeitgebers (13%) und
- zu hoher Arbeitsbelastung (12%).
endgültiger Abschied für 40%
Als Zielbranche nennen die abgewanderten Fachkräfte mehrheitlich das Verarbeitende Gewerbe, gefolgt vom öffentlichen Bereich und dem Handel. Für rund 40% der abgewanderten Fachkräfte ist der Abschied aus der Branche endgültig. Vor allem jüngere Arbeitnehmer (bis 25 Jahre) können sich aber durchaus vorstellen, wieder in die Baubranche zurückzukehren.
Aus der Studie können mehrere Schlüsse gezogen werden:
- Die harte körperliche Arbeit am Bau stellt immer
noch eine besondere Herausforderung für die Arbeitnehmer dar. Dies deckt
sich mit Daten zum Renteneintritt der Arbeitnehmer, die SOKA-Bau
vorliegen. Demnach haben 2017 28% der Neurentner in der Baubranche eine
Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung bezogen, wohingegen
dies nur für 18% der gesamten westdeutschen männlichen Neurentner galt.
Es wäre insofern hilfreich, die körperliche Belastung der Arbeitnehmer
wenn möglich zu reduzieren und ihnen ggf. nach längerer Tätigkeit
alternative Beschäftigungsformen in Aussicht zu stellen. Dazu gehört es
auch, den technischen Fortschritt besser zu nutzen. Die Baubranche
investiert erfahrungsgemäß im Branchenvergleich ohnehin verhältnismäßig
wenig in Ausrüstungsgüter.
- In Bezug auf die Entlohnung wartet die Branche
während der Ausbildung regelmäßig mit den höchsten Azubi-Gehältern in
Deutschland auf. Die Ergebnisse der Befragung der Auszubildenden zeigen,
dass rund drei Viertel der Azubis davon ausgehen, dass sie ihr ganzes
Leben in der Bauwirtschaft arbeiten bzw. so lange in der Baubranche
tätig sein werden, wie es die Lebensumstände bzw. die Gesundheit
zulassen.
Allerdings tritt nach der Ausbildung für viele Beschäftigte insbesondere in nicht tarifgebundenen Betrieben oftmals Ernüchterung ein, da der starke Wettbewerb in der Branche häufig zu Lasten der Löhne der Beschäftigten geht. Zu nennen wäre hier insbesondere der Wettbewerb zwischen deutschen Baubetrieben und europäischen Entsendebetrieben, die nur den in der Baubranche geltenden Mindestlohn bezahlen müssen und aufgrund der niedrigeren Sozialabgaben in ihren Heimatländern dazu noch einen Kostenvorteil haben.
Unter den großen Mitgliedstaaten der EU ist die deutsche Baubranche am stärksten von Entsendungen betroffen, das Verhältnis aus entsandten Arbeitnehmern zur Zahl der inländischen Beschäftigten im Bauhauptgewerbe lag im vergangenen Jahr bei rund 1 zu 6,7. Darüber hinaus verpflichten sich selbst die öffentlichen Auftraggeber in Deutschland bisher nicht flächendeckend über Tariftreueregelungen dazu, nur Aufträge an tariftreue Betriebe zu vergeben.
In rund einem Drittel der Unternehmen wurden bereits spezielle Maßnahmen ergriffen, um die Abwanderung von Fachkräften zu verhindern bzw. zu verringern. Dabei handelt es sich in erster Linie um ...
- bessere Bezahlung,
- Fort- bzw. Weiterbildung sowie um
- Maßnahmen zur Schaffung eines guten Betriebsklimas.
Angesichts des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels dürften sich zunehmend mehr Betriebe damit beschäftigen wie die Abwanderung von Fachkräften verhindert werden kann.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Ausbildungsberufe sollen modernisiert werden (24.3.2019)
- Tarifverträge für das Baugewerbe 2019/2020 auf 412 Seiten (22.1.2019)
- Bauverbände erwarten für 2019 850.000 Beschäftigte (17.12.2018)
- In den Bau- und Ausbauhandwerken fast 13 bzw. gut 10 Wochen Wartezeit (25.11.2018)
- Gegen den Trend: Immer mehr neue Ausbildungsverhältnisse in der Bauwirtschaft (18.10.2018)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- LBS-Kinderbarometer (Bauletter vom 24.9.2018)
- ZDB bestätigt: Bau-Kapazitäten für mehr Wohnungen vorhanden, aber Sorge vor Über-Kapazitäten (20.9.2018)
- Bauindustrie zum Wohnungsbaugipfel: Kapazitätsaufbau geht ungebremst weiter (19.9.2018)
- SOKA-Bau: Bautätigkeit gibt auch im Juli nach (9.9.2018)
- ZDB für mehr Zuwanderung (19.8.2018)
- Die Akademisierung verschärft den Fachkräftemangel (Bauletter vom 1.8.2018)
- Baubranche trotzt der Azubi-Flaute (29.7.2018)
- 5% mehr Entsendungen in die deutsche Bauwirtschaft (Bauletter vom 28.5.2018)
- Ausbildungs- und Fachkräftereport: Bau-Ausbildungsmarkt profitiert von Flüchtlingen (3.5.2018)
- Seit 1994 stärkster Anstieg der Ausbildungsverhältnisse in der Bauwirtschaft (23.1.2018)
siehe zudem:
- Baubranche bei BAULINKS.de
- Literatur / Bücher über Architektur bei Amazon