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„Quo vadis deutscher Fenstermarkt?“ – Experten blicken bei „VEKA mittags live“ in die Zukunft

(5.6.2023) Angesichts vieler negativer Tendenzen in der Bauwirtschaft nehmen die Sorgen in der Branche zu. Parallel dazu zeichnet sich ab, dass im sozialen Wohnungsbau und bei der Sanierung großer Nachholbedarf besteht – und dass die Politik bislang keine überzeugenden Lösungen gefunden, die auch den Fenstermarkt positiv stimmen könnte. Grund genug für die Teilnehmer der jüngsten Ausgabe von „VEKA mittags live“, sich dieser existenziellen Frage zu widmen. Die Expertenrunde gab in der Diskussion einen Überblick zum Stand der Dinge, sah aber durchaus auch Anlass zur Hoffnung.

Die Zukunft der Fensterbranche war das Thema der vierten Ausgabe von „VEKA mittags live“. (Bild: VEKA AG) 

„Quo vadis deutscher Fenstermarkt?“

Mit diesem Titel hatte „VEKA mittags live“ einen Nerv getroffen – das war der Expertenrunde deutlich anzumerken. Nach der Begrüßung durch Alexander Scholle (Leiter Vertrieb Profile Inland der VEKA AG) entstand unter der Leitung des Moderators Prof. Christian Niemöller (Fachanwalt für Bau- und Architektur-Recht) eine sehr angeregte und konstruktive Diskussion unter den Teilnehmern.

Marco Olthoff (Geschäftsführer der Fenster- und Türenwerk Diedrich Schröder GmbH), Bernhard Daldrup (Kommunalpolitischer Sprecher und Obmann für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion), Thomas Drinkuth (Leiter Repräsentanz Transparente Gebäudehülle) und Josef L. Beckhoff (Vorstand Vertrieb & Marketing der VEKA AG) waren sich einig, dass die Lage durchaus angespannt sei. „Wir hatten einen wirklich guten, stabilen Januar“, sagte Beckhoff im Hinblick auf die Absatzmengen der VEKA AG in Deutschland, „aber das war noch Überhang aus dem letzten Jahr.“ Danach stellte sich die Situation etwas anders dar: „Der Neubaubereich liegt am Boden, das heißt, die Delle kommt nicht auf uns zu, die ist schon da.“

Nach einleitenden Worten von Moderator Prof. Christian Niemöller (links) hielt Thomas Drinkuth einen Kurzvortrag zur Lage des Fenstermarkts in Deutschland. (Bild: VEKA AG) 

Eine dramatische Lage für die Baubranche

Nach einigen einleitenden Sätzen von Prof. Niemöller meldete sich Thomas Drinkuth mit einem Kurzvortrag zu Wort und beschrieb eine – nach seinen Worten – dramatische Lage: „Die Baugenehmigungen vor allem im Wohnungsbau sind mehr oder weniger im freien Fall.“ Bei den Nichtwohngebäuden sehe die Entwicklung nicht ganz so dramatisch aus, aber auch dort sei ein Trend nach unten zu erkennen, der zu einem Rückgang bei den Auftragseingängen führe. Insgesamt liege die Prognose für 2023 bei einem Minus von 4,5%, und auch für 2024 sehe es düster aus. Dadurch gehe auch die Schere zwischen der Nachfrage nach Wohnungen und der Anzahl der fertiggestellten Wohnungen weiter auseinander.

Die Ursachen lägen im Auftragsmangel, einer Zunahme der Stornierungen und der fehlenden Finanzierung. Beim Thema Materialknappheit und beim Fachkräftemangel habe sich die Situation dagegen entspannt. Eine Chance, die Delle im Neubaumarkt auszugleichen sieht Drinkuth darin, die aktuelle Sanierungsrate von etwa einem Prozent zu erhöhen und eine Sanierungswelle anzustoßen. Dafür müsse nicht zuletzt die Unwucht bei den Förderungen behoben werden, die zurzeit vor allem in neue Heizungen fließen.

14,5 Milliarden Euro für soziale Wohnraumförderung

Welche Maßnahmen von der Politik ergriffen werden, um die Baubranche zu unterstützen, erläuterte Bernhard Daldrup. Er erklärte, dass die Koalition ursprünglich auf 400.000 Wohnungen pro Jahr kommen wollte, dass inzwischen aber von einem Bedarf von 700.000 Wohnungen die Rede sei. Es sei allerdings wichtig, Neubau und Sanierung nicht gegeneinander auszuspielen, sondern beide Bereiche voranzubringen. Der Bund habe die Mittel für die soziale Wohnraumförderung in dieser Legislaturperiode auf 14,5 Milliarden Euro verdreifacht und unterstütze Sanierungen mit 14 Milliarden Euro.

Daldrup geht davon aus, dass die Koalition einen Schub bei den Sanierungen auslösen werde und dass auch eine Trendwende beim Neubau möglich sei. Bauwillige würden mit gewaltigen Summen unterstützt. Ein wichtiges Instrument seien dabei auch die Steuern. Die AfA wurde von zwei auf drei Prozent erhöht – eine wesentliche Finanzierungserleichterung für Unternehmen. Für umweltfreundliche Gebäude gibt es zusätzlich eine Sonder-AfA in Höhe von fünf Prozent. Und bei Solaranlagen wurde die Mehrwertsteuer auf Null gesetzt – das stelle für den Markt einen besonders wichtigen Impuls dar.

Der Fenstermarkt musste während der Pandemie viel lernen

Was die alltägliche Praxis der Fensterhersteller angeht, erinnerte Marco Olthoff daran, dass die Corona-Krise und die daraus resultierende große Nachfrage den Fensterherstellern viel abverlangt habe. Dass seit Anfang des Jahres wiederum die Lieferzeiten in seinem Unternehmen deutlich zurückgingen zeige deutlich, wie sehr die Nachfrage nachgelassen habe. Bauvorhaben würden storniert und manchmal sogar die Grundstücke zurückgegeben. Er wünschte sich deshalb ein starkes Signal aus der Politik für den Neubau.

„Aber wir haben ein großes Thema vor uns – und das heißt Sanierung“, sagte Olthoff. Darauf müssten sich die Unternehmen einlassen. Mitarbeitende, die bisher auf Neubauten spezialisiert sind, müssten erst für diese Aufgabe geschult werden. „Es ist eine ganz andere Kundenkommunikation gefragt“, ergänzte der Moderator Prof. Niemöller. „Wenn Sie im Sanierungsbereich unterwegs sind, ist das Handling mit dem Mieter, mit dem Eigentümer viel aufwändiger in der Ansprache als im Neubaubereich.“

Fensterbranche braucht Planungssicherheit

Wie üblich kamen in der Diskussionsrunde auch noch viele andere Themen zur Sprache – Bauüberhänge zum Beispiel, das serielle Bauen und Sanierungsfahrpläne. Das beherrschende Thema war aber die bevorstehende Sanierungswelle und der politische Rahmen, der dafür erforderlich ist. „Der Ausblick ist eigentlich wirklich positiv“, resümierte VEKA Vorstand Josef L. Beckhoff. „Aber was mir fehlt, ist das schnellere Reagieren der Politik. Im Moment reden alle nur über Heizungswechsel, und man scheint dieses Thema Sanierung der Gebäudehülle außen vor zu lassen. Ich würde mir wünschen, dass die Politik mehr nach vorne geht und uns als Fensterbranche auch ein Stück weit Mut macht für die Zukunft.“ 

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