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Bachelor + Master oder doch Diplom? Wer darf als Architekt arbeiten?

(8.12.2003) Der Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, Günther Franz, nahm die Studentenproteste und Berlin und Hessen heute zum Anlass, Reformansätze und Ausbildungsqualität im Planungs- und Baubereich erneut zu thematisieren und systematisch auseinander zu nehmen. Im Fazit warnt die Architektenkammer ausdrücklich vor sechssemestrigen Bachelor-Studiengängen:

Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz akzeptiert grundsätzlich Bachelor- und Masterstudiengänge als neue, zusätzliche Studienstruktur in der Architektenausbildung neben dem Diplomstudiengang. Voraussetzung sei allerdings, dass der erste Studienabschluss mit Bachelorexamen eine Berufsqualifikation für die Tätigkeit als Architekt gewährleiste. Erst ein mindestens achtsemestriges Studium mit dem Abschluss Bachelor sichere aber diese Berufsqualifizierung und eröffne nach Eintragung in die Architektenliste die berufliche Freizügigkeit in Europa. Ein anschließendes mindestens zweisemestriges Masterstudium steigere die fachliche Qualifikation und verbessere die Berufsmöglichkeiten international.

Für sechssemestrige BA-Absolventen eines Architekturstudiums sieht die Architektenkammer weder Bedarf am Arbeitsmarkt, noch Chancen einer adäquaten Vergütung.

Das Recht soll in Europa immer mehr harmonisiert werden, dies gilt auch für die Ausbildungsordnungen an den Hochschulen. Harmonie wird eigentlich durch Gleichklang erzeugt. Was derzeit von deutschen Hochschulen im Fachbereich Architektur mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen vollzogen wird, sorgt allerdings eher für Dissonanzen.

Am 19. Juli 1999 haben 29 europäische Bildungsminister die sogenannte Bologna-Erklärung abgegeben. Ziel war es, die Hochschulausbildung EU-weit zu vereinheitlichen.

Grundmodell ist die Zweistufigkeit eines insgesamt fünfjährigen konsekutiven Studiums. Die erste Stufe schließt mit dem akademischen Grad Bachelor ab, die höhere zweite Stufe mit einem Master.

Zwei Ausgestaltungen sind hierbei denkbar und werden auch entsprechend durch das deutsche Hochschulrahmengesetz ermöglicht:

  • Zum einen das Modell eines dreijährigen Grundstudiums mit Bachelorabschluss und darauf aufbauendem zweijährigem Studium mit Masterabschluss.
  • Zum anderen das Modell eines vierjährigen Grundstudiums mit Bachelorabschluss und darauf aufbauendem mindestens einjährigem Studium mit Masterabschluss.

Ein Leistungspunktesystem (sogenannte "credit points") und eine qualitätssichernde Prüfung der Hochschulen durch unabhängige Gutachtergremien (Akkreditierung) sollen gewährleisten, dass die Durchlässigkeit von Hochschule zu Hochschule ohne Nachteil für die Studierenden gegeben ist und gleiche Bewertungsmaßstäbe angelegt werden.

Dieses Konzept wurde durch die Berliner Konferenz von 40 europäischen Wissenschaftsministern vom 18./19. September 2003 bestätigt.

  • Ziel der Politik: Schneller studieren und Geld sparen

Das Hochschulrahmengesetz schreibt vor, dass schon der Bachelorabschluss ein "berufsbefähigender" Abschluss sein muss, und dies unabhängig davon, ob er drei- oder vierjährig ausgestaltet ist. Über den Begriff "berufsbefähigend" im Bereich der Architektur wird seitdem von allen Beteiligten stark spekuliert.

Mit der Umsetzung des Bologna-Prozesses hat man in Europa und Deutschland die Chance gesehen, die gestufte Ausbildung von Bachelor und Master zu erheblichen Einsparungen im Lehrbetrieb zu nutzen. Konsequenterweise ist in einem solchen Modell der Masterabschluss nicht mehr der Regelabschluss, sondern ein Abschluss, der erst durch eine spezielle Zulassung zum Masterstudium erreichbar ist.

Der Bachelorabschluss kann bereits nach drei Jahren erreicht werden. Aber: Einen Freibrief, nach erfolgtem Bachelorabschluss einen Anspruch auf den nachfolgenden Masterstudiengang zu besitzen, gibt es nicht. Die Bildungspolitik stellt ganz offen heraus, dass der Masterabschluss eher für eine Elite von 20% bis 30% aller Studenten zugänglich sein soll. Bei diesem Konzept folgen ihnen offenbar viele Fachhochschulen bereitwillig.

Wenn das Bachelorstudium als ein verkürztes Studium der Architektur ein Regelabschluss für viele Studenten sein wird, stellt sich die Frage, was ein Studierender von einem sechssemestrigen Studium erwarten kann.

  • Wer darf als Architekt arbeiten?

Bisher ist in der Regel der Abschluss eines vierjährigen bzw. achtsemestrigen Diplomstudiums zwingend Voraussetzung für die Eintragung in das Berufsverzeichnis, die Architektenliste. Damit ist die Erlaubnis, den Beruf eigenständig und freiberuflich auszuüben sowie die Bauvorlageberechtigung verbunden. Die Konsequenz ist, dass derjenige, der nur über einen dreijährigen Bachelorabschluss verfügt, auch nicht Architekt sein kann. Dies gilt umsomehr, als die europäische Architektenrichtlinie berufliche Freizügigkeit und Niederlassungsrecht in der EU von einem mindestens vierjährigen Architekturstudium abhängig macht.

Auf einer gemeinsamen Konferenz der Architektenkammern Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen im Jahr 2000 hielt es keiner der Hochschuldekane für möglich, das Architekturstudium auf drei Jahre zu verkürzen. Wichtige neue Fächer und notwendige Einflüsse auf das Architekturstudium, wie z. B. "nachhaltiges Bauen", "ökologisches Bauen", "kostengünstiges Planen und Bauen", "Bauen im Bestand" sind wesentliche Herausforderungen der heutigen Zeit an die Architekten. Sie führen zu weiterem Druck auf die jetzt vierjährig angelegten Studien mit der Folge, dass selbst eine vierjährige Regelstudienzeit eigentlich zu kurz ist, um sich das notwendige Wissen anzueignen. Dekane und Kammern kamen einhellig zu dem Ergebnis, dass eine weitere Verkürzung ohne erheblichen Qualitätsverlust nicht denkbar ist.

Hieraus folgt, dass eine dreijährige Ausbildung eine völlig unzureichende Ausbildung für Architekten ist. Alle Kammern können deshalb der Eintragung der Absolventen dieser Studiengänge in das Berufsverzeichnis nicht zustimmen. Der Schutz der Berufsbezeichnung "Architekt" dient vor allem dem Verbraucherschutz. Der Verbraucher muss sich darauf verlassen können, dass nur derjenige sich "Architekt" nennen darf, der die für die Berufsausübung notwendigen Kenntnisse und Berufserfahrungen erworben hat. Diese Position wird auch von den Hochschulen vertreten. Nach nur drei Jahren Studium kann die für eine Architektentätigkeit gebotene Ausbildungsqualität nicht vorhanden sein. Bereits jetzt haben die vierjährigen Absolventen erhebliche Schwierigkeiten, adäquate Anfangsstellungen zu finden.

Dann stellt sich aber die Frage: Wenn das dreijährige Bachelorstudium nicht zum Beruf "Architekt" qualifiziert, zu welchem Beruf könnte der Abschluss dann befähigen? Die Kammer kann einen solchen Beruf am Arbeitsmarkt nicht erkennen, es sei denn, es würde zu einer Verdrängung der bisherigen Bauzeichner und Bautechniker kommen!

  • Anerkennung im Ausland

Wer sich im europäischen Ausland als Architekt niederlassen möchte, muss im Hochbau die Anforderungen der Europäischen Architektenrichtlinie (85/384 EU) erfüllen. Hiernach sind alleine mindestens vierjährige Studiengänge anerkannt. Dreijährige Bachelor-Studiengänge im Bereich der Architektur (Hochbau) sind dagegen als alleiniger akademischer Abschluss nicht anerkennungsfähig.

Auch auf internationaler Ebene außerhalb der EU gibt es kein Bestreben, verkürzte Studiengänge zum Dienstleistungsaustausch, sei es beispielsweise zwischen EU und USA, anzuerkennen. Vielmehr sind mit der Festlegung auf die Standards des "UIA-Accord" sogar fünfjährige Vollzeitstudiengänge als Anerkennungsvoraussetzung im Gespräch.

  • Gefahr: Äpfel und Birnen werden verglichen

Die Bolognaerklärung hat die Internationalisierung der Studienabschlüsse zum Ziel. In Deutschland wird hierzu die angelsächsische Universitätskultur immer wieder zitiert. Dabei ist festzustellen, dass der angelsächsische Kreis mit seinen Bachelor- und Masterabschlüssen vielfach anders strukturiert ist, als es der Bologna-Prozess vorsieht. Aus diesem Grunde ist auch völlig unklar, ob die Durchlässigkeit während des Studiums, die durch den Bologna Prozess angestoßen werden soll, überhaupt erreicht werden kann. Ein fünfjähriger Bachelorabschluss in Großbritannien und in Kanada entspricht eben nicht einem dreijährigen Bachelorabschluss in der Bundesrepublik Deutschland.

  • "Nein" der Kammer zum dreijährigen Bachelor

Aus all den zuvor genannten Gründen ist das Fazit zu ziehen, dass das Studium der Architektur mit sechssemestrigen Bachelor- und viersemestrigen Masterabschlüssen viele unbeantwortete Fragen aufwirft. Wenn die Hochschulen die neue BA/MA-Systematik übernehmen wollen, kommt aus der Sicht der Berufspraxis allein ein Modell mit einem grundständigen Bachelorstudium von acht Semestern in Frage. Attraktive Chancen für sechssemestrige Absolventen am Arbeitsmarkt sieht die Berufspraxis nicht.

Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz vertritt dezidiert, wie die meisten anderen Länderarchitektenkammern und die Bundesarchitektenkammer, die Meinung, dass derzeit den Studenten der sechssemestrige Bachelorstudiengang nicht empfohlen werden kann.

International, also nicht nur in Deutschland, gibt es noch in großer Anzahl Studienabschlüsse, die mit einem "Diplom" enden. Das deutsche Diplom ist international anerkannt und geschätzt. Die Kammer empfiehlt daher Studenten und Studentinnen, sich bis auf weiteres die belastende Fülle von Problemen und Unwägbarkeiten nicht aufzuladen, die mit den sechssemestrigen Studienabschlüssen einhergehen. Und sie rät, nur solche Studiengänge anzufangen, die entweder mit dem klassischen Abschluss Diplomingenieur enden, oder aber einen europatauglichen Bachelorabschluss nach einer Regelstudiendauer von acht Semestern erbringen.

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