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3. Mayener DachForum 2004: Vom Künstler zum Kaufmann

Ewald A. Hoppen, Geschäftsführer von Rathscheck Schiefer(12.10.2004) Die Zahl der Architekten stieg in den letzten 10 Jahren um 50% auf 118.000. Im Gegenzug sank die Zahl der am Bau beschäftigten von 1,7 auf 0.7 Millionen. Wer sich aus der Masse der zu vielen Architekten herausheben will, muss mehr Wissen, sorgfältiger und schadensfreier planen, seinen Kunden mehr bieten, in Rechtsfragen sicherer stehen und sein Profil als Planer schärfen. Marketing ist eine Lösung.

Vor ausgebuchten Rängen fand das dritte Mayener DachForum mit Referenten aus Politik, Architektur und Rechtswissenschaften in der Aula des Bundesbildungszentrums des Deutschen Dachdeckerhandwerks statt. Ewald A. Hoppen, Geschäftsführer von Rathscheck Schiefer (1. Bild), erklärt den Erfolg der Veranstaltung mit der Zielgruppenansprache. Die Themen, die Architekten interessieren, seien nicht nur Architektur, sondern die veränderten Rahmenbedingungen rund um den Entwurf.

  • Prof. Dr. Lothar Späth:
    Die Wildnis ist das wahre Leben

Prof. Dr. Lothar SpäthDie Gemütslage hierzulande verglich Lothar Späth mit einem Rudel Löwen das im Zoo geboren wurde und für die die tägliche Fütterung durch das Zoopersonal, mangels anderer Erfahrungen, etwas Selbstverständliches ist. Nur noch der ganz alte Löwe kann sich an das Leben in der freien Wildbahn erinnern. Dieses Leben war zwar nicht so bequem, dafür machte es aber Spaß. Spaß macht die Wirtschaft nur dort, wo noch die alten Industriestrukturen stimmen, wie im Automobilbau. Doch vergleicht man die Stundenlöhne in Deutschland (23 €) mit Spanien (14 €) Tschechien (4 €) und China (0,82 €) könne man erahnen, dass alle aktuellen Kostensenkungsprogramme im globalen Vergleich keine signifikante Wettbewerbsverbesserung mit sich brächten. Früher oder später würden alle klassischen Produktionen weltweit vergleichbar. In Zukunft, so Späth, könne Deutschland nur bestehen, wenn Unternehmergeist, Forschung und Ideenentwicklung im Mittelpunkt stünden. Späth: "Wir brauchen mehr Airbus und weniger Toll Collect. Wir müssen die Schlacht der Innovationen gewinnen."

  • Prof. Dr. Axel G. Schmidt zur Inmit-Studie:
    Vom Architekten zum Kaufmann
    Für Optimisten ist die Krise eine Chance

Max Frisch, Schriftsteller und Architekt sagte einst: "Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." In der von Rathscheck Schiefer in Auftrag gegebenen Studie zur Wettbewerbssituation unter Architekten (kann hier angefordert werden), kommt das Institut für Mittelstandsökonomie an der Universität Trier zu einem ähnlichen Fazit. Darin heißt es: "Auch unter schwierigen Rahmenbedingungen gelingt es Optimisten positiv und damit erfolgreich in die Zukunft zu blicken". Optimisten würden sich viel konstruktiver mit den Veränderungen befassen, ihnen auch Positives abgewinnen, und ein hohes Aktivitätsniveau an den Tag legen. Sie seien damit auf die Veränderungen des Marktes besser vorbereitet als Pessimisten. Unter ökonomischen Zwängen wird in jedem zweiten Architekturbüro, so die Befragung, an der Personalschraube gedreht. Danach folgen die Erschließung neuer Betätigungsfelder, Spezialisierung und Investitionen in Ausstattung sowie Personal. Wichtiger Lösungsansatz ist für fast ¾ aller Architekten das strategische Marketing. Um sich zukünftig im hart umkämpften Markt behaupten zu können, wollen sich die meisten Planer glaubwürdig als Problemlöser der Bauherren positionieren. In Betracht gezogen werden auch Spezialisierungen auf neue Arbeitsfelder wie "Bauen im Bestand", ökologisches und altengerechtes Bauen, Facility Management, Energieberatung oder Gutachtertätigkeit.


Doch eines steht fest, der Baukünstler Architekt verändert unter ökonomischem Druck sein Berufsverständnis. Er wird zum schöpferischen Problemlöser mit ökonomischen Verständnis. Der Architekt wird auch zum Kaufmann. Nur auf diese Weise kann er seine gestalterischen Ideen erhalten und dann mit kaufmännischen Mitteln umsetzen. (Die Studie kann unter www.rathscheck.de heruntergeladen oder kostenlos bei Rathscheck Schiefer angefordert werden.)

  • Architekt Uwe Morell:
    Marketing: Was willst Du Architekt?

Fragt man einen Architekten nach seinen beruflichen Zielen, ist zuerst noch alles diffus. Soll es die "Spitze" der Architektur sein, z.B. Stahl-, Glas- und Schieferfassaden mit Tageslichtlenkung, oder eher in Richtung "Breite" gehen, mit Einfamilienhäusern, Grundstückssuche und Schlüsselübergabe. Basierend auf der grundlegenden Erkenntnis: Was will ich eigentlich?, baut das Marketingkonzept auf. Architekt Morell empfiehlt eine Spezialisierung auf nur wenige zusammenhängende Kernarbeitsfelder und erklärte welche Mittel zur Verfügung stehen und wie sie am effektivsten eingesetzt werden. In einem Workshop wurde der Vortrag des ersten Tages vertieft. So manche provokativ vorgetragene These des Praktikers fand im kritisch diskutierenden Kreis eine sinnvolle Vertiefung.

  • Prof. Dr. Petra Kirberger:
    Der Architekt als Rettungsanker bei Insolvenzen
    Am Architekten schadlos halten

Die zahlreichen Insolvenzen am Bau wirken sich auf die wirtschaftliche Situation der Architekten aus. Wenn keiner mehr da ist, wird immer öfter der Architekt im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung in die Verantwortung genommen.

Dr. Kirberger berichtete über aktuelle Gerichtsurteile und Erfahrungen aus der Praxis. Demnach würden die Gerichte vor allem die Aufsichtspflicht des Architekten, besonders wenn der Bauherr selbst baut oder sogar schwarz bauen lässt, sehr streng auslegen. In einem realen Beispiel wurde z.B. ein Architekt zum Schadensersatz verurteilt, weil er die Baustelle eines benachbarten Hauses besuchte das er einst geplant hat. Der Architekt hatte zwar keinen Auftrag zur Bauüberwachung und erhielt auch kein Honorar, dennoch verklagte ihn der schwarz bauende Bauherr auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Bauausführung (Risse) und siegte. Das Gericht war der Meinung, dass der Architekt, wenn er schon die Baustelle betritt, auch auf Mängel hinweisen muss. Fazit: Wer nur die Planung honoriert bekam, sollte bei späteren Baustellenbesuchen berücksichtigen, dass dies zu einer faktischen Bauleitung führen kann. Grundsätzlich ermahne Frau Dr. Kirberger die Architekten schriftliche Vereinbarungen stets rechtzeitig, deutlich und auf professionellen Vertragsvordrucken zu treffen.

  • Architekt Dr. Benedikt Loderer:
    Architektur des geringsten Widerstandes?

Am Ende steht eine irritierende These: Es gibt keine Baukultur mehr, weil es keine richtigen Bauherren mehr gibt, weil es zu wenige gute Architekten gibt, weil die Meisten nur den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Das ist kurz zusammengefasst die Lebensweisheit eines streitbaren Geistes. Bauen, so Architekt und Publizist Loderer, sei weitgehend von Gewinnaussichten gesteuert, und die Architektur des geringsten Widerstandes kann nur das Gegenteil von Baukultur sein. Loderer: "Im Grundsatz sind wir alle dieser Meinung, im konkreten Einzelfall aber ausnahmsweise dagegen." Nur, so die Erfahrung dieses Architekten, die Ausnahme ist die Regel.

  • Richter Ulrich Weiland und
    Architekt Michael Probst, Sachverständiger:
    Allerorts mangelhafte Qualifikation

Massive Defizite in der Ausbildung von Architekten und Handwerkern beklagte der bekannte Bausachverständige. Diese mangelnde Qualifikation der am Bau beteiligten Parteien sei laut Probst der Grund für die vielen Schäden, die mittlerweile die Volkswirtschaft ernsthaft belasten. Funktion, Konstruktion, Haltbarkeit und wahre Wirtschaftlichkeit würden an den Hochschulen zu Gunsten des Designs geopfert und die Ausbildung des graduierten, praktisch orientierten Ingenieurs nivelliert. Der solide ausgebildete Bauhandwerker sei so gut wie ausgestorben. Die Folge laut Probst: Immer seltener gelingen gut konzipierte, solide und im vernünftigen Kostenrahmen liegende Bauwerke. Die Regel wird zur Ausnahme.


In Workshops wurden die Kernthemen des Forums, hier Marketing für Architekten, vertieft.

Den dringenden Appell, sich intensiver mit dem Recht im Bauwesen zu beschäftigen, richtete Richter Weiland an die anwesenden Architekten. Die Ausbildung der Architekten in Rechtsfragen, darin waren sich Probst und Weiland einig, sei schlichtweg jämmerlich. Das fehlende Grundwissen koste diese Berufsgruppe zunehmend mehr Geld z.B. wenn es um Hinweispflichten oder die Anmeldung von Bedenken bei Billigangeboten geht. In schwierigen Zeiten habe sich als dritter Finanzierungsweg der "Justizkredit" herumgesprochen. Hier müsse sich der Architekt entsprechend schützen. Wenn schon während des Studiums zu wenig Baurecht vermittelt würde, so solle man zumindest im Rahmen der Erwachsenenbildung diese auf Dauer existenzbedrohenden Wissenslücken schließen.

Zu den Übeln am Bau zählt Richter Weiland junge, finanzschwache Familien, die mit der "Geiz ist geil- Mentalität" ans Bauen herangingen. Gute Arbeit gibt es nicht zum Tiefstpreis. Bauherren, die mit Tiefstpreisen und dazu am Rande ihrer Finanzkraft kalkulieren, sehen sich anschließend oft gezwungen, vor Gericht ihr Recht und ihre Finanzen zu retten. Doch dies sei keineswegs so einfach. Weiland: "Viele Rechtsanwälte, Sachverständige und auch Planer sind oft in Unkenntnis der Rechtslage vor Gericht überfordert." Dann sei es preiswerter, sich im Vorfeld eines Prozesses gütlich zu einigen.

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