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Passivhaus in nordorientierter Lage

(22.7.2005) Die "richtige" Orientierung zur Sonne hat bei der Passivhausprojektierung hohe Priorität, stellt doch die passive Solarenergienutzung eine wichtige Energiequelle für ein Passivhaus dar. Umso mehr erstaunt es zunächst, dass bei dem Passivhausprojekt mit 19 Wohnungen in Frankfurt Bockenheim 8 Wohnungen fast genau nach Norden ausgerichtet sind. Der Grund liegt in der unverbauten Aussicht von diesem Gebäudeteil auf den Feldberg im Taunus und die ungünstigen Verschattungsverhältnisse, wie sie innerstädtisch häufig anzutreffen sind. Es stellt sich die Frage, ob man ein "falsch" ausgerichtetes Passivhaus mit vertretbarem Aufwand errichten kann.

Das dies sehr wohl geht, zeigt die messtechnische Begleitung des Projektes durch das Passivhaus Institut! Die insgesamt 1842 m² Wohnfläche der 19 Eigentumswohnungen haben einen gemessenen Heizwärmeverbrauch von 12,2 kWh/(m²a). Und das bei im Winter durchschnittlich behaglichen 21,3 °C Raumtemperatur. Das nordausgerichtete Haus verbraucht mit 14,4 kWh/(m²a) nur 4 kWh/(m²a) mehr als das Südhaus. Damit liegt der Unterschied zwischen den beiden Gebäuden ziemlich genau bei der mit dem Passivhaus Projektierungs Paket 2004 (PHPP) berechneten Größe. Die installierten Heizleistungen des Zuluftheizsystems wurden mit großem Sicherheitsabstand in keiner der 19 Wohnungen benötigt. Innenthermographien zeigen eine extrem geringe Strahlungstemperatur-Asymmetrie, wie sie nur durch die gute Dämmung von Passivhaus-Bauteilen oder ansonsten durch großflächige Flächenheizungen erreichbar sind.

Die Voraussetzung für einen derartigen Erfolg liegt in der guten Planung und Umsetzung der bekannten Passivhausdetails: Hochwärmegedämmte und nahezu wärmebrückenfreie Konstruktion, hohe Luftdichtheit (n50 zwischen 0,2 h-1 und 0,45 h-1), Dreischeibenverglasung in gedämmten Rahmen sowie wohnungsweiser Lüftungstechnik mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung.

Die Messungen haben auch gezeigt, dass es im Sommer trotz Hitzewelle angenehme Raumtemperaturen gab. Die gemessenen Warmwasserwärmeverbräuche betragen rund 12 kWh/(m²a). Der gesamte Primärenergieverbrauch (Heizung, Warmwasser, Strom, Lüftung) der Gebäude hält mit 119,9 kWh/(m²a) das Passivhaus-Kriterium (120 kWh/(m²a)) ein, obwohl keine regenerativen Energien eingesetzt werden. In einem konventionellen Wohngebäude ist dieser nicht erneuerbare Primärenergieverbrauch etwa dreimal so hoch wie im beschriebenen Objekt.

Der Anteil der Wärmeverluste für die Verteilung liegt bei diesem Projekt mit 23% des verbrauchten Erdgases allerdings deutlich höher als erwartet. Hier liegen beträchtliche, sehr kostengünstig zu erschließende weitere Energieeinsparpotentiale (kurze Verteilstränge, optimierte Rohrleitungsdämmung).

Insgesamt ergeben die Verbrauchswerte, dass das Gebäude alle Anforderungen an ein gutes Passivhaus - trotz der z.T. ungünstigen Orientierung - auch im praktischen Betrieb vollständig erfüllt. Die Bewohner der Eigentümergemeinschaft können der Zukunft mit wachsenden Energiepreisen bei behaglichen Raumtemperaturen und dauerhaft frischer Luft gelassen entgegen sehen. Der Passivhausstandard hat sich bei der Wohnanlage nahe St. Jakob in Frankfurt Bockenheim als zielführend bzgl. sehr guter Behaglichkeit, gutem Bautenschutz und extrem niedrigem Energieverbrauch erwiesen.

Der Forschungsbericht ist jetzt komplett als Download verfügbar unter passiv.de/06_pre/PreMT/43/PH_St.Jakob.pdf

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