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EU-Grünatlas zur Zufriedenheit mit Grünanlagen in Großstädten: Ist der Gezi-Park überall?

(12.6.2013) Zum ersten Mal wurden europaweit Bürger zu ihrem Nutzungsverhalten und ihrer Zufriedenheit mit Parks und öffentlichen Grünflächen in Großstädten befragt. Für die repräsentative Studie der European Landscape Contractors Association (EL­CA) befragte forsa von Ende März bis Anfang Mai 2013 5.048 Personen in zehn euro­päischen Großstädten: Berlin, Zürich, London, Prag, Wien, Helsinki, Amsterdam, Paris, Budapest und Kopenhagen. Die Ergebnisse veröffentlichte die ELCA auf dem European Urban Green Congress anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens.

Generell zufrieden mit der Anzahl

Mit dem quantitativen Angebot von Parks und Grünflächen zeigen sich die Bewohner in allen ausgewählten Städten im Schnitt zufrieden: 71 Prozent der Befragten sind mit dem Grünangebot in ihrer Stadt sehr zufrieden bzw. zufrieden. Am besten schneidet dabei Amsterdam mit 88 Prozent ab. Helsinki (62 Prozent), Budapest (53 Prozent) und Paris (48 Prozent) belegen mit deutlich niedrigeren Werten die drei letz­ten Ränge. Berlin liegt mit 79 Prozent Zufriedenheit noch über dem Durchschnitt.

Rund 89 Prozent aller Befragten gaben an, dass sich in der näheren Umgebung ihrer Wohnung ein oder mehrere öffentlich zugängliche Grünflächen befänden. Helsinki (95 Prozent) und Amsterdam (93 Prozent) erreichten dabei die höchsten Werte, Budapest lag mit 73 Prozent auf dem letzten Rang.

Jeder zweite Bürger nutzt mindestens einmal die Woche Parks und Grünanlagen - am häufigsten in Berlin (60 Prozent), am seltensten in Budapest und Paris (jeweils 44 Prozent) sowie in London (38 Prozent). Mit weitem Abstand am häufigsten werden die Grünanlagen zum Spazierengehen (76 Prozent) genutzt. Etwa jeder dritte Befragte gab an, öffentliche Parks aufzusuchen, um Sport zu treiben(32 Prozent), um die Natur zu erleben (30 Prozent) oder zum Ausspannen (30 Prozent).

Angebot an städtischem Grün erfüllt die Ansprüche nicht

Die Studie zeigt, dass die Anzahl von Parks und Grünflächen ausreichend ist. Erheb­liche Defizite bestehen aber zwischen den Ansprüchen der Bevölkerung und dem tat­sächlichen Zustand der Grünanlagen.

Neun von zehn Nutzern von Parks und Grünanlagen (90 Prozent) ist es besonders wichtig, dass Parks und Grünanlagen attraktiv gestaltet sind und optisch anspre­chend wirken. Am stärksten ausgeprägt ist dieser Wunsch in Budapest (97 Prozent), vergleichsweise am wenigsten wichtig ist dies den Bürgern in Wien (85 Prozent). In Relation zu der hohen Bedeutung des Aspekts für die Befragten, fiel das Qualitäts­merkmal in der Bewertung merklich schlechter aus. Im Durchschnitt sind 68 Prozent mit der optischen Gestaltung (sehr) zufrieden. Überdurchschnittlich groß ist das Defi­zit zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Berlin: 87 Prozent der Befragten ist die Ge­staltung der Grünanlagen besonders wichtig, zufrieden sind damit jedoch nur 60 Pro­zent. Noch größer sind die Lücken in Budapest (97 wichtig/61 Prozent zufrieden), Pa­ris (93/59 Prozent) und Helsinki (85/50 Prozent). Wien erreicht mit 81 Prozent Zufrie­denheit qualitativ die beste Bewertung. Auch Amsterdam auf Platz 2 schneidet mit 79 Prozent Zufriedenheit überdurchschnittlich gut ab.

Am zweitwichtigsten ist den Befragten in Europa, dass die Grünanlagen professio­nell gepflegt sind (88 Prozent). Den absoluten Höchstwert erreicht hier Budapest mit 99 Prozent. Das Bedürfnis nach professionell gepflegtem Grün wird jedoch weder in Budapest noch in den anderen neun Ländern eingelöst, am wenigsten in der deut­schen Hauptstadt: 86 Prozent der Befragten in Berlin ist die Pflege der Grünanlagen wichtig, nur 37 Prozent sind damit zufrieden - mit weitem Abstand der geringste Wert im europäischen Vergleich. Auch bei diesem Aspekt schneidet Wien mit 80 Prozent Zufriedenheit noch am besten ab.

Ausreichend vorhandene Sitzgelegenheiten und Bänke wünschen sich 87 Prozent, jeweils 80 Prozent eine breite Vielfalt an Bäumen und Pflanzen sowie Ruhezonen und Rückzugsmöglichkeiten, gefolgt von Spielflächen und Spielmöglichkeiten für Kinder (72 Prozent) sowie Möglichkeiten und Flächen für sportliche Aktivitäten (61 Prozent). Auch bei diesen Aspekten sehen die Befragten ihre Bedürfnisse von dem tatsächlichen Angebot an öffentlichem Grün häufig nur unzureichend gedeckt. Ausnahme Wien: Die österreichische Hauptstadt schneidet in der qualitativen Bewertung in allen Aspekten am besten ab.

Gezi-Park ist überall - Politik muss handeln

In Istanbul ist der Streit um den Gezi-Park eskaliert, weil diese grüne Lunge einer neu­en, „von oben“ beschlossenen Bebauung weichen soll(te). Und auch die Studie zeigt, dass wohl nicht nur am Bosporus „die Politik mit ihrer Stadtplanung an den Bedürfnis­sen der Bewohner vorbei plant. Urbanes Grün wird in Stadtentwicklungsprozessen nicht angemessen berücksichtigt. Die Politik verkennt die Chancen und das Potenzial von städtischem Grün für eine ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltige Entwick­lung“, erklärte ELCA-Präsident Emanuel Mony. Stadtgrün biete für die von den Befrag­ten eingeforderten sozialen Funktionen und Aspekte erheblich mehr Potenzial. Darüber hinaus trage Stadtgrün unter ökologischen Gesichtspunkten wesentlich dazu bei, die Luftqualität zu verbessern und hohe Temperaturen auszugleichen, so Mony weiter. „Das rechnet sich für die Kommunen und für die Privatwirtschaft, hebt die Standort­qualität und wird so zum Treiber für eine positive wirtschaftliche Entwicklung.“

Die Studie soll der Auftakt zu einer Reihe von weiteren Studien und wissenschaftli­chen Untersuchungen über urbanes Grün sein. „Neben dem sozialen müssen insbeson­dere auch der ökologische und ökonomische Nutzen von Stadtgrün weiter erforscht werden“, forderte Mony. „Es ist die Verantwortung der Politik auf allen Ebenen, vor allem der EU, mehr in die grüne Forschung zu investieren. Nur auf der Basis weiterer, verbindlicher Erkenntnisse kann der Nutzen von Stadtgrün künftig optimal für die Men­schen in Europa ausgeschöpft werden.“

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