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Studie belegt Speicherpotenzial von mineralischen Baustoffen


Nachweis des Prozesses der Recarbonatisierung im Kalksandstein durch Phenolphthalein. (Bild ©  DGfM)
    

(14.2.2023) Das politische Ziel, Gebäude bis zum Jahr 2045 ausschließlich klimaneutral zu errichten, ist mit mineralischen Baustoffen zu erreichen - zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie, die das Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) gemeinsam mit der TU München erstellt hat. Die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) folgert in dem Kontext (erneut), dass das CO₂-Speicherpotenzial von Mauerwerk zu einer produktoffenen Bewertung und Analyse von Baustoffen und Bauweisen führen müsse.

Recarbonatisierung: Prozess der dauerhaften CO₂-Speicherung

„Dass auch Baustoffe wie Mauerwerk eine CO₂-Speicher­wir­kung haben, stand - im Gegensatz zur CO₂-Speicherwirkung von Holz – beim öffentlichen Nachhaltigkeitsdiskurs bisher nicht im Fokus, obwohl die materialtechnologischen Hintergründe der Recarbonatisierung seit Jahren bekannt und unstrittig sind.“, konstatiert Dr. Sebastian Pohl von der LCEE Life Cycle Engineering Experts GmbH.

Zur Erinnerung: Recarbonatisierung ist die Fähigkeit, CO₂ zu binden. Diese natürliche chemische Reaktion betrifft alle zement- und kalkgebundenen Baustoffe. Sie nehmen über den Produktlebenszyklus CO₂ aus der Umgebungsluft auf und speichern es dauerhaft.

Grafik © Pestel Institut 

„Bereits heute sind in den seit 1970 errichteten Bauten aus Kalksandstein, Leichtbeton und Porenbeton rund 31 Mio. Tonnen CO₂-eq. durch die Recarbonatisierung gebunden. Wenn künftig wie im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre weitergebaut wird, steigt die gebundene Menge an CO₂-eq. bis 2050 auf gut 52 Mio. Tonnen. Und diese CO₂-Bindung bleibt im Unterschied zur thermischen Entsorgung von Holz auch beim Abbruch der Gebäude erhalten", stellt Matthias Günter vom Pestel Institut fest.

Grafik © DGfM 

Gebäude aus Mauerwerk im Lebenszyklus betrachten

Ein treibhausgasneutraler Gebäudebestand bis 2045 ist das erklärte Ziel der Bundessregierung. Ein wesentliches Bewertungssystem, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, sind Ökobilanzierungen, die das Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus betrachten. Hierbei sind Aspekte der Senkung von Treibhausgasemissionen und der CO₂-Spei­cherung im Gebäude mit zu berücksichtigen. Dies wird bei biobasierten Baustoffen wie etwa Holz bzw. bei Gebäuden in Holzbauweise seit Jahren umgesetzt, indem die temporäre Speicherwirkung für biogen gebundenes CO₂ in der Ökobilanz abgebildet wird. Das CO₂-Speicherpotenzial von Mauerwerk findet dabei bislang keine Beachtung. Zur Erläuterung dieses CO₂-Speicherpotenzials macht Dr. Pohl deutlich, dass „Über die Nutzungsphase eines Gebäudes von 50 Jahren hinweg Mauersteine aus Kalksandstein, Leicht- und Porenbeton in der Lage sind, bis zu 150 kg CO₂-Äquivalente pro Tonne Mauerwerk dauerhaft zu speichern.“

Innerhalb besagter Studie „Potenziale im Mauerwerksbau“ des Fraunhofer Instituts für Bauphysik sowie der TU München wurden anhand von Typengebäuden (Mehrfamilien- und Einfamilienhaus) lebenszyklusorientierte Ökobilanzierungen durchgeführt. Über Betrachtungszeiträume von 50 und 80 Jahren wurden dabei Gebäude aus verschiedenen Wandbaustoffen untersucht:

  • Kalksandstein, Ziegel, Leichtbeton und Porenbeton sowie
  • Stahlbeton,
  • Holzmassivbau und
  • Stahlbeton mit vorgehängten Holzrahmentafeln.

Im Ergebnis ist sichtbar, dass die Recarbonatisierung von Mauerwerk dazu führt, dass z.B. der lebenszyklusorientierte CO₂-Fußabdruck eines MFH-Typengebäudes auf Ebene der Mauerwerksprodukte erheblich (bis zu 52%) und auf Ebene des Gesamtgebäudes immer noch nennenswert (bis zu 7%) reduziert wird. „Die Chancen für die Umsetzung klimaneutraler Gebäude sind auch im Mauerwerksbau gegeben: Hierzu müssen für die Mauerwerksprodukte u.a. deren Langlebigkeit, die Effekte aus Recarbonatisierung sowie klimafreundliche Rezepturen Berücksichtigung finden. Als Bewertungsmethode setzen wir die ökologische Lebenszyklusanalyse - als Element der Nachhaltigkeitsbewertung - ein“, betont Prof. Gunnar Grün, stellvertretender Institutsleiter Fraunhofer IBP.

Ökobilanz-Szenarien: Beispielhafte Detailanalyse für ein Einfamilienhaus aus Mauerwerk bis 2045 (Grafik © Fraunhofer IBP) 

Mit Mauerwerk klimaneutral bauen

Über 40% aller Wohnungsbauten werden seit Jahrzenten in Deutschland aus zement- und kalkgebundenen Mauersteinen errichtet. Bei diesen Gebäuden entfallen anteilig nur 10% aller Treibhausgasemissionen auf die Konstruktionen aus Mauerwerk - die durch Recarbonatierung laut Studie über den Lebenszyklus auch noch halbiert werden.

Nahezu zwei Drittel der Treibhausgasemissionen werden bisher durch die Gebäudenutzung mit dem heutigen Energiemix verursacht. So wird deutlich, worauf der Fokus im Gebäudebereich zu richten ist. Die Gebäude selbst sollten zukünftig mit weniger und möglichst vollständig mit Erneuerbarer Energie genutzt werden.

Eine wesentliche Stellschraube zum Erreichen der Netto-Null-Emissionen liegt auch für die Mauerwerksindustrie in der Umstellung der Produktionsprozesse auf Erneuerbare Energien. Erdgas ist durch grünen Wasserstoff oder grünen Strom zu ersetzen.

Dr. Hannes Zapf, Vorstandsvorsitzender DGfM, unterstreicht, dass das Potenzial von Mauerwerk dringend genutzt werden muss: „Seit über 125 Jahren speichern mineralische Baustoffe CO₂ ein und geben es nicht mehr ab. Mauerwerk kann deshalb in Zukunft einen entscheidenden Beitrag zum klimapositiven Bauen leisten.“

Recarbonatisierung in Kombination mit dem Einsatz Erneuerbarer Energien ermöglicht klimaneutrales Bauen mit Mauerwerk. Hier appelliert die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau e.V (DGfM) an die Politik zum einen, das CO₂-Spei­cherpotenzial von mineralischen Baustoffen in der Lebenszyklusbewertung gleichwertig zu anderen Baustoffen, insbesondere Holz, zu betrachten. Zum anderen muss es eine zügige Umstellung auf Erneuerbare Energien im Produktionsprozess und entsprechende politische Rahmenbedingungen dafür geben.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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