Rathaus Freiburg erhält Sichtbetonflächen mit neuem, CO₂-reduziertem Weißzement
(2.6.2025) Im Freiburger Stadtteil „Der Stühlinger” wurde 2017 das neue, von ingenhoven architects entworfene, Rathaus eröffnet. Nun folgen ein zweiter und dritter Bauabschnitt. Baubeginn des zweiten Bauabschnitts war im Juni 2024, die Fertigstellung ist für 2027 geplant. Bei der Betonage von weißen Wänden und Stützen in Sichtbetonqualität kam erstmals ein CO₂-reduzierter Weißzement zum Einsatz.
Der zweite Bauabschnitt mit insgesamt sieben Stockwerken (UG bis 5. OG) nimmt die ovale Form des neuen Rathauses auf. Das ovale Gebäude, mit einer Nutzfläche von rund 21.000 m³ wird Arbeitsplätze für ca. 800 Beschäftigte beherbergen. Die Fassade wird angepasst an das bestehende Rathaus aus Holz und Aluminium gefertigt. Der Neubau wird komplett im Passivhausstandard gefertigt und soll rund 100 Mio. Euro kosten. Ziel ist ein DGNB-Zertifikat in Silber.
Das Prinzip der Offenheit und Transparenz sowie das Konzept eines „Grünen Campus”, der drei Gebäudetrakte und eine Kita vereint, wurde beibehalten. Ihnen liegen die Pläne von ingenhoven architects zugrunde.
In das neue „Familienrathaus” sollen primär Behörden wie das Amt für Kinder, Jugend und Familie, das Amt für städtische Kindertageseinrichtungen sowie das Amt für Schule und Bildung einziehen.
Ökologische Nachhaltigkeit
Der erste Bauabschnitt des neuen Freiburger Rathauses war das weltweit erste öffentliche Gebäude im Netto-Plusenergie-Standard. Der niedrige Primärenergiebedarf des Rathauses für Heizung, Kühlung, Belüftung und Warmwassererzeugung wird u. a. durch technische Lösungen wie Saug- und Schluckbrunnen, Solarthermie mit Wärmepumpen, Klimatisierung über Erdwärme sowie Wärmerückgewinnung erreicht.
Mit dem Einsatz eines CO₂-reduzierten Weißzements im zweiten Bauabschnitt konnten die Anforderungen für Sichtbeton Klasse SB3 erfüllt und eine Reduktion des CO₂-Fußabdrucks um ca. 15% erreicht werden.
Gleiche Betoneigenschaften bei wechselnden Temperaturbedingungen
Mit dem Dyckerhoff Weiss Blue Star kam erstmals ein neuer, CO₂-reduzierter Weißzement in großem Umfang zum Einsatz. Bei den ersten Treffen bei der Fa. P&S-Beton, dem für die Herstellung des Betons zuständigen Unternehmen, sowie der Wiesbadener Forschungseinrichtung von Dyckerhoff, dem Wilhelm-Dyckerhoff-Institut (WDI), galt es, mögliche Probleme und Risiken zu benennen, um später den hohen Qualitätsanforderungen gerecht werden zu können.
Ein zentrales Problemfeld stellen so die unterschiedlichen Temperaturen dar, mit denen während der Betonage gerechnet werden musste. Es musste geprüft werden, wie sich der CO₂-reduzierte Zement bei hohen Temperaturen im Sommer verhält. Dies gilt speziell für das jeweilige Verarbeitungsverhalten wie auch für die Verarbeitungszeit, die 90 - 120 min betragen sollte. Im WDI wurden hierfür die bestmöglichen Mischverhältnisse ermittelt, um eine lange Verarbeitungszeit wie auch eine optimale Fließfähigkeit des Betons sicherzustellen. Der Beton sollte unter wechselnden Temperaturbedingungen gleichbleibende Eigenschaften aufweisen.
Gezielte Optimierung der Betonrezeptur
Die Anforderungen an den Sichtbeton auf Basis von Dyckerhoff Weiss Blue Star waren klar definiert:
- Konsistenz: F4
- Betonrezepturen: 4 (Festigkeitsklassen C30/37 für die Wände der Treppenhäuser und C50/60 für die Stützen jeweils in Größtkorn 8 mm und 16 mm)
- Gesteinskörnung: Rheinsand 0-2 / Rheinkies 2-8 und 8-16)
Um die erforderliche Fließfähigkeit sicherzustellen, spielten ebenfalls Betonzusatzmittel eine zentrale Rolle. Hierfür wurde die Sika Deutschland CH AG & Co KG in die Planung einbezogen. Auf Basis eines Screenings zur Kompatibilität von Fließmittelpolymeren auf den Zement Dyckerhoff Weiss Blue Star hat Sika für vier vorgesehene Betonrezepturen bei Betontemperaturen von 10°C, 20°C und 30°C entsprechende Lösungen formuliert. Das Ergebnis war ein 2K-System (Fließmittel/Konsistenzhalter) bzw. ein 3K-System (Fließmittel/Konsistenzhalter/Verzögerer).
Testreihen im WDI
In breit angelegten Testreihen wurden die optimalen Dosiergrößen der jeweiligen Betonzusatzmittel ermittelt, dabei wurde insbesondere darauf geachtet, dass der Beton unter wechselnden Temperaturbedingungen gleichbleibende Parameter wie Konsistenzverlauf und z.B. eine ausgeprägte Homogenität aufweist.
Bei den Prüfungen wurden zudem unterschiedliche Fahrmischer-Situationen nachgestellt, um zu klären wie sich der Beton verhält, wenn er bewegt wird. Nach der Erstellung erster Musterflächen im Labor des WDI war es mit Baubeginn möglich, erste „Probeflächen” direkt auf der Baustelle herzustellen. Sämtliche Betonarbeiten fanden unter Bauleitung von Conrad Riede von der Schleith GmbH Baugesellschaft statt.
Keine Standardlösungen möglich
Insgesamt werden etwa 12.000 m³ Stahlbeton in Form von grauem und weißem Beton benötigt. Davon ca. 8.200 m³ Normalbeton, ca. 2.000 m³ Beton mit Recycling-Körnung und ca. 1.800 m³ Weißbeton.
Von dem weißen Sichtbeton entfallen 1.540 m³ auf die Wände und 260 m³ auf die insgesamt 610 Rundstützen mit unterschiedlichen Höhen und Durchmessern.
Rezepturen
Da in Freiburg der CO₂-reduzierte Weißzement Blue Star erstmals großflächig zum Einsatz kam, war man auf die im Labor durchgeführten Versuche angewiesen. Die Erkenntnisse aus den Laborversuchen konnten anschließend 1:1 auf die Mischanlage übertragen werden. Zusammen mit einer modernen Anlagentechnik bei P&S-Beton gelang es, den auf der Baustelle verarbeiteten Beton nicht nur bezüglich seiner Fließfähigkeit, sondern auch der benötigten Verarbeitungszeit optimal an die vorhandene Baustellenlogistik (2 Kräne mit weitem Schwenkbereich) anzupassen.
Schalungen
Auch wurden verschiedene Schalungstypen und Verdichtungstechniken ausgetestet. Zum Verdichten kamen Außenrüttler wie auch Rüttelschläuche zum Einsatz, letztere insbesondere bei den Stützen.
Aufgrund der filigranen Anordnung der Bewehrung wurden die Stützen zunächst halb gefüllt, von innen verdichtet und anschließend ruhen gelassen, ehe der zweite Abschnitt betoniert und verdichtet wurde.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
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siehe zudem:
- Beton, Mörtel und Zuschlagstoffen und (Stahl-) Betonbau im Rohbau-Magazin auf Baulinks
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