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Dachdämmung versus Fluglärm

(16.12.2008) Rund 12,2 Millionen Euro hat der Düsseldorfer Flughafen allein 2007 investiert, um die Bewohner von Ein- und Mehrfamilienhäusern in den angrenzenden Stadtteilen Düsseldorf-Lohausen, Ratingen-Tiefenbroich und Meerbusch-Büderich vor Fluglärm zu schützen. Welche gewaltigen Kraftanstrengungen tatsächlich notwendig sind, um die Geräusche der startenden und landenden Jets vollständig auszusperren, zeigt jedoch erst die Recherche am konkreten Objekt.

Geschätzte 150 Meter, gefühlte zehn Meter rasen die von den Startbahnen 1 und 2 abhebenden Maschinen im Fünf-Minuten-Takt über die Köpfe der Dachdecker hinweg. Mit entsprechender Schallbelastung: Oft genug müssen Fragen und Antworten geschrien werden, während man die Materialsäge im Vorgarten des Mehrfamilienhauses aufgrund des Fluglärms schon gar nicht mehr wahrnimmt. "Um den Wohnraum auch unter diesen extremen Bedingungen lebenswert und komfortabel zu gestalten, ist schon eine sehr durchdachte Konstruktion und vor allem äußerst exaktes Arbeiten notwendig", erklärt Eduard Fuchs. Mit durchschnittlich fünf Mitarbeitern ist der gelernte Dachdeckermeister dabei, den Dachstuhl eines 1952 erbauten Dreifamilienhauses gemäß den Schallschutzvorgaben des Flughafens zu modernisieren. Insgesamt rund sieben Wochen brauche man, so die Schätzung von Eduard Fuchs, um die rund 500 Quadratmeter große Dachfläche fertigzustellen.

Luft- und Schalldurchgang: Minimieren bis zum Maximum

Die Anforderungen des Flughafens Düsseldorf, der einen Teil der Modernisierungsarbeiten finanziell unterstützt, sind immens. "Wir müssen mit dem gesamten Dachaufbau inklusive Fenster einen Schallschutzwert von mindestens 53 dB erreichen. Das geht schon sehr nahe an das Maß heran, was meiner Ansicht nach maximal mit einem gedämmten Schrägdach möglich ist." Eine Qualität, die nur mit besonderer Sorgfalt bei wirklich jedem Arbeitsschritt zu erzielen ist. Schon geringste Öffnungen und Undichtigkeiten im Dachaufbau, die der Luftstrom nutzen könnte, um in die Konstruktion einzudringen, würden dieses Bemühen schlicht zunichte machen. Früher seien die bauabnehmenden Prüfungen durch die vom Flughafen beauftragten Ingenieure noch per Sicht erfolgt, berichtet Eduard Fuchs. Bei diesem Objekt würden aber nun erstmals nach Fertigstellung ausgiebige Schallschutzmessungen - quasi unter Feldbedingungen - durchgeführt.


Um die hohen Anforderungen erfüllen zu können, musste man gleich mehreren neuralgischen Punkten Beachtung schenken. Von vornherein war klar: Die Dämmdicken übersteigen das sonst übliche Maß. "Sicherlich hätte man eine kombinierte Auf- und Zwischensparrendämmung verlegen können. Wir haben uns aber dafür entschieden, die komplette Dämmung - immerhin 18 Zentimeter gemäß einem von Rockwool geprüften Systemaufbau - von außen auf die Sparren zu legen. Zum einen haben wir es mit einer relativ komplexen Dachgeometrie mit vielen Mauerwerksversprüngen und bestehenden, teilweise zwischen den Sparren verlaufenden, Rohrinstallationen zu tun. Zum anderen bietet uns die vollflächige Dämmung von außen absolute Fugensicherheit. Wir können bei jedem Bauabschnitt zu einhundert Prozent kontrollieren, ob durch unsere Arbeit eine homogene und damit voll dämmende Schicht entstanden ist."

Schallschutz braucht Masse

Am Beginn der Arbeiten stand die vollständige Entkernung des alten Dachstuhls. Anschließend wurden OSB-Platten als Untergrund für die folgenden Arbeiten auf die Sparren gelegt. Und damit war das erste konstruktive Detail zu lösen. "Bei einer vollkommen luftdichten Konstruktion ist für uns die Verbindung Mauerwerk zu Dach die erste kritische Zone. Allein aus Dichtigkeitsgründen würde eine einfache Luftdichtung durch eine Verklebung der Bauteile genügen, aber für den Schallschutz reicht das nicht aus." So entschied man sich, das gesamte Mauerwerk aufzuputzen, so dass dieses absolut glatt abgezogen bis zur OSB-Platte reichte. "Auf diese Weise haben wir so viel Gewicht wie möglich in die Konstruktion eingebracht. Nur durch diese zusätzlich eingebrachte Masse haben wir die erste schwierige Hürde in der Schallschutzkonzeption erfolgreich nehmen können."

Auf die OSB-Platten wurde dann eine belast- und begehbare Luftsperre verlegt und an die üblichen Anschlüsse (wie zum Beispiel Kamine) verklebt. Auch hier galt das Augenmerk den Mauerwerksteilen. "Generell ist es beim Verkleben immer wichtig, dass die Mauerwerksteile auch wirklich erreicht werden, das heißt am besten vorputzen, trocknen lassen und danach pastös verkleben. Wir haben uns bei diesem Projekt dazu entschlossen, die Folien gleich mit ins Mauerwerk einzuputzen."

Erst die Fenster, dann die Dämmung

Auch für den erfahrenen Eduard Fuchs eine Premiere war die Montage der zwei- und viergliedrigen Schallschutzfenster von außen: Hierfür wurden zunächst von außen auf die Luftsperre die vorher angepassten Holzrahmen in der Dicke der Aufsparrendämmung gesetzt. Erst im nächsten Schritt wurde dann die Dämmung an den Fensterrahmen entlang verlegt. "Bei solch großen Dämmstärken ist der Aufwand, ein Fenster nachträglich zu erstellen, einfach viel zu hoch. Das Zuschneiden der 18 Zentimeter dicken Dämmplatten ist viel zu arbeitsintensiv und es entsteht vor allem viel zu viel Verschnitt. Durch das Aufsetzen der Fenster können wir viel ökonomischer mit dem Dämmmaterial umgehen." Zum Ermitteln der genauen Lattenmaße für die Aufsatzrahmen wurden zunächst der Dachaufbau sowie die geplanten Fenstereinheiten exakt nach Maßstab skizziert.

Energieeinsparung als Bonus

Für die eigentliche Dämmung wurde als erstes im Traufbereich ein Lagerholz als Montagehilfe angebracht, das den ersten Dämmstoffreihen sicheren Halt bot, bis in einem nächsten Schritt die Konterlattung fest mit der Dämmung verschraubt wurde. Um noch einmal die "Masse" des Daches zu erhöhen, wurde unter der Dämmung eine zusätzliche Bitumenbahn verlegt. Als Dämmung empfahl Eduard Fuchs seinem Bauherrn die Steinwolle-Aufsparrendämmung "Masterrock" von Rockwool in 18 Zentimeter Dicke mit einem besonders niedrigen Lambda-Wert von 0,036 W/mK. "Schon allein aufgrund der Dicke des Dämmstoffes und der niedrigen Wärmeleitfähigkeit muss sich der Bauherr um das Thema Wärmeschutz keine Sorgen mehr machen. Oberste Priorität lag aber auf dem Schallschutz, die immense Energieeinsparung - wir gehen von über 20 Prozent aus - bekommt er sozusagen als Bonus dazu."

Ökologisch und ökonomisch spiele der nachhaltige Baustoff Steinwolle sogar noch weitere Trümpfe aus. Würde man beispielsweise mit Polyurethan-Dämmstoffen arbeiten, so Fuchs, würde wesentlich mehr Abschnittmaterial anfallen, das wiederum teuer entsorgt werden müsse. "Den Verschnitt der Steinwolle können wir fast zu einhundert Prozent weiterverarbeiten, zum Beispiel um kleine Fugen zu schließen. Ein Punkt, der natürlich auch in unsere vorhergehende Kalkulation eingeflossen ist."

Millimeterarbeit

Auf den Dämmplatten wurden dann die Unterspannbahnen lose verlegt und unmittelbar mit einer 4 x 8 Zentimeter starken Konterlattung und Doppelgewindeschrauben befestigt. Auch hier hat der Dachprofi einen guten Rat an Kollegen und Planer: "Zum Einschrauben sollte man unbedingt eine Einschraubhilfe verwenden, die dafür sorgt, dass der exakte Winkel von 60º eingehalten wird. Bei solchen Dämmdicken spielen schon Abweichungen im Millimeterbereich beim Einschrauben eine große Rolle. Den exakten Schraubenabstand von 78 Zentimetern hat uns der Dämmstoffhersteller, der auch an der Planung des gesamten Dachaufbaus beteiligt war, errechnet."

Vorsicht vor Schleppwinden

Doch selbst dieser so massive Dachaufbau wartet in seinem letzten Verarbeitungsschritt noch mit einer, der Örtlichkeit geschuldeten, Besonderheit auf. Da es sich um eine geschlossene Deckung handelt, müssten die Dachpfannen gemäß Fachregel eigentlich nicht geklammert werden. Doch aufgrund der durch den Flugverkehr teilweise massiv auftretenden Schleppwinde hat es der Flughafen zur Auflage gemacht, jede zweite Pfanne zu klammern, um ein mögliches Lösen von vornherein auszuschließen.


Eduard Fuchs erklärt: "Wenn hier ein Flugzeug während eines Landeanfluges noch einmal durchstarten muss, ist noch bis zu fünf Minuten später mit Schleppwinden zu rechnen, die einzelne unbefestigte Dachpfannen vom Dach reißen können. Meine Mitarbeiter haben die Sogkräfte, die dabei entstehen können, schon mehrfach am eigenen Körper spüren können."

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