Brandgefährlich? Fraunhofer UMSICHT hat WDV-System mit Brandschutzputz getestet
(11.7.2016) Das Dämmen von Häusern ist heute Pflicht, damit große Teile der Heizenergie nicht ungenutzt in die Umwelt entweichen. Viele der verwendeten Dämmplatten, die an Fassaden und Dächern angebracht werden, haben aber auch einen erheblichen Nachteil: Sie sind leicht entflammbar. Diese Gefahr soll sich dank eines neuen WDV-Sanierungssystems mit Brandschutzputz reduzieren lassen. Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Fraunhofer UMSICHT) hat es auf seine Eignung hin getestet.
Zur Erinnerung: Seit 1993 wurden laut des Fachverbandes Wärmedämm-Verbundsysteme (FV WDVS) etwa 770 Mio. m² Dämmplatten an deutschen Häusern angebracht.
Dämmstoffplatten und elastische Schaumstoffe auf Basis von petrochemischen Kunststoffen sind vergleichsweise günstig zu produzieren, einfach zu verarbeiten und besitzen gute Dämmeigenschaften. Einer der größten Nachteile von Polystyrol-Hartschaum (EPS oder XPS) ist jedoch dessen leichte Entflammbarkeit. Um eine geschossübergreifende Brandausbreitung zu verhindern, werden WDV-Systeme auf Polystyrol-Hartschaumbasis daher meist mit Flammschutzmitteln versetzt und mit Brandriegeln verbaut. Im Brandfall können die Dämmplatten aber trotz dieser Schutzmaßnahmen aufschmelzen, und unter hoher Wärmeentwicklung brennt selbst schwer entflammbares EPS vollständig ab.
WDV-System mit Brandschutzputz
Fraunhofer UMSICHT hat vor diesem Hintergrund den neuartigen Brandschutzputz Branelit PLUS von Proceram hinsichtlich seiner Eignung als WDVS-Endbeschichtung untersucht und den Temperaturverlauf im Brandfall gemessen. Der mineralische Brandschutzputz auf Perlitbasis nach DIN 4102 hat eine geringe Dichte und Wärmeleitfähigkeit; klassische Putze weisen dagegen eine um den Faktor zehn höhere Wärmeleitfähigkeit und entsprechend höhere Dichten auf.
Für die Branduntersuchungen haben die Wissenschaftler den Brandschutzputz in zwei unterschiedlichen Putzstärken untersucht und jeweils mit unertüchtigten WDVS-Fassadenelementen verglichen. Dazu wurde auf eine Polystyroldämmung mit Armierungsgewebe und 3 mm Kratzputz jeweils eine 2,0 bzw. 3,5 cm dicke Schicht des Brandschutzputzes aufgetragen. In den Brandversuchen wurde die Oberfläche des Systems punktuell mit einer Temperatur von 1.100 °C durch einen Gasbrenner belastet. Eine Temperaturmessstelle wurde rückseitig, am Übergang Putz/Polystyrol positioniert.
deutliche Unterschiede im Temperaturverlauf
„In der einstündigen Messung konnten wir deutliche Unterschiede im Temperaturverlauf der verschieden aufgebauten Fassadenelemente feststellen“, betont Andreas Sengespeick von Fraunhofer UMSICHT:
Im einstündigen Brandversuch zeigten die Fassadenelemente mit und ohne
Brandschutzputz einen deutlichen Unterschied im Temperaturverlauf. ©
Fraunhofer UMSICHT
Bereits nach einer Minute wurde beim unertüchtigten WDV-System die Glasübergangstemperatur von Polystyrol, die bei 100 °C liegt,
überschritten und somit die mechanische Festigkeit des Materials deutlich
beeinträchtigt. Nach zwei Minuten Brandzeit ist der Schmelzpunkt von
Polystyrol (240°C) erreicht. Das Material in der WDVS-
Im Gegensatz dazu zeigt die WDVS-Fassade mit Branelit PLUS einen vollständig veränderten Temperaturverlauf: Nach einer Beanspruchungsdauer von 20 Minuten, die man als Maximalzeit bis zum Einsatz von Löschmaßnahmen annimmt, lagen die Temperaturen des Polystyrolmaterials bei 42°C (3,5 cm Brandschutzputz) bzw. bei 92°C (2,0 cm Brandschutzputz). Diese Temperaturen beeinflussen die mechanische Festigkeit des Polystyrol-Hartschaums nur in einem vernachlässigbaren Maße.
Nach 60 Minuten Temperturbeanspruchung wurde beim 3,5 cm starken Brandschutz eine Polystyroltemperatur von 80°C und beim 2,0 cm stark aufgebrachtem Brandschutzputz eine Temperatur von 130°C gemessen.
Fazit
Das WDVS-Sanierungssystem Branelit PLUS des Herstellers Proceram GmbH & Co. KG ermöglicht eine im Vergleich zu unbehandelten Wärmedämm- Verbundsystemen erhöhte Widerstandsfähigkeit im Brandfall.
Weitere Informationen zu Branelit PLUS können per E-Mail an Proceram angefordert werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Wärmedämmung unschuldig: Neue Erkenntnisse zum Brand am Londoner Grenfell Tower (16.10.2018)
- Energieberater-Netzwerk und Frankfurter Feuerwehr gegen Aktionismus nach Brandfällen (8.1.2018)
- Ein Plädoyer für WDVS mit Polystyrol: „Keine Flammen durch WDVS“ (13.11.2017)
- Studie von VHV und IFB zum Thema Fassadendämmung und Brandschutz (8.8.2017)
- Foamglas WDVS: Robustes, nicht brennbares WDV-System mit Schaumglas-Platten (9.2.2017)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Erste Zulassung für WDVS-Aufdoppelung mit schlankem Resol-Hartschaum (11.7.2016)
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- 0,0038% Brandereignisse mit Dämmstoffen - aber besorgniserregender Brandhemmer (9.3.2015)
- Erweitertes und aktualisiertes Expertenwissen zu WDVS und Brandschutz (19.5.2014)
- Stellungnahme des DIBt zu "brandgefährlichen Polystyrol-Fassaden" (12.12.2011)
- Diskreditierung der Fassadendämmung laut Deutscher Energie-Agentur "haltlos" (12.12.2011)
- Der IVH reagiert: "Styropor ist nicht brandgefährlich" (12.12.2011)
siehe zudem:
- WDVS, Dämmstoffe und Brandschutz auf Baulinks
- Literatur / Bücher über Putz und WDVS bei Amazon