Heißgelagertes Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) mit eigenem RAL Gütezeichen
(6.5.2019) Zukunftssicherung ist einer der Hauptgründe für die Einführung des
neuen RAL Gütezeichens ESG-HF. Der Bundesverband Flachglas (BF) und die
Gütegemeinschaft Flachglas (GGF) wollen damit sicherstellen, dass heißgelagertes
Einscheiben-
Die deutsche Bauaufsicht hat bereits in der Vergangenheit in der Bauregelliste A zusätzliche Anforderungen an den Heißlagerungsprozess von ESG definiert, um das Sicherheitsniveau zu erhöhen. Vom heißgelagerten ESG nach EN 14179 unterschied sich das „ESG-H“ als nationale Besonderheit im Wesentlichen durch zwei Punkte:
- zum einen durch eine längere Haltezeit mit höherer Temperatur,
- zum anderen durch eine obligatorische Fremdüberwachung.
„Solche nationalen Zusatzanforderungen in der Bauregelliste wurden bekanntlich mit dem Urteil C-100/13 des Europäischen Gerichtshofes vom 16. Oktober 2014 für unzulässig erklärt. Das Produkt ‚ESG-H‘ als deutsche Besonderheit gibt es daher nicht mehr“, bestätigt der GGF-Geschäftsführer Jochen Grönegräs und führt weiter aus: „Es gibt derzeit unter Experten keine Einigkeit, ob die erhöhten Anforderungen an die Haltezeit tatsächlich die Versagenswahrscheinlichkeit des Produktes durch Spontanbrüche aufgrund von Nickelsulfid-Einschlüssen verringern. Die Fremdüberwachung wird aber weiterhin als wesentliche Voraussetzung für das in Deutschland angestrebte hohe Sicherheitsniveau angesehen.“
Die Bestimmungen im Einzelnen
Die Muster-Verwaltungsvorschrift „Technische Baubestimmungen“ (MVV TB) vom 31. August 2017 schreibt in Anlage A 1.2.7/2 vor, dass ESG-Scheiben nach DIN EN 14179-2, deren Oberkante mehr als 4 Meter über einer Verkehrsfläche liegt, nur im Rahmen einer Mehrscheiben-Isolierverglasung (MIG) verwendet werden dürfen. Alternativ sind konstruktive Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Versagensfall vorzusehen, wie eine Splittersicherung, Vordächer oder ähnliches. „Damit ist die Verwendung von heißgelagertem ESG also eingeschränkt“, so Herr Grönegräs.
Auch im jüngsten vorliegenden Entwurf der DIN 18008 vom Januar 2019 heißt es in Teil 2 unter Punkt 4.3, dass im Falle von für Vertikalverglasungen verwendbaren Glasarten monolithische Einfachgläser oder äußere monolithische Scheiben von MIG aus Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) und heißgelagertem ESG aufgrund der Versagenswahrscheinlichkeit durch Nickelsulfid-Einschlüsse nur eingebaut werden dürfen, wenn deren Oberkante unter 4 Metern über Verkehrsflächen liegt. Davon abweichend dürfe heißgelagertes ESG als monolithisches Einfachglas oder äußere monolithische Scheiben von MIG ohne Begrenzung der Einbauhöhe verwendet werden, wenn durch geeignete Maßnahmen die Versagenswahrscheinlichkeit durch Nickelsulfid-Einschlüsse so reduziert wird, dass Verglasungskonstruktionen ausreichend sicher errichtet werden können. Außerdem wird dargelegt, dass die in Anhang C beispielhaft beschriebenen Maßnahmen nach dem Stand der Technik geeignet seien, die erforderliche Reduzierung der Versagenswahrscheinlichkeit durch Nickelsulfid-Einschlüsse sicherzustellen. „In Anhang C werden diese Maßnahmen beschrieben. Daraus ergibt sich de facto die Notwendigkeit einer Fremdüberwachung“, führt Grönegräs weiter aus.
Laut GGF-Geschäftsführer Grönegräs war im Normenausschuss zeitweise über ein völliges Verbot von heißgelagertem ESG über 4 Metern Höhe beraten worden: „Dass es jetzt die zitierte Regelung im Entwurf gibt, ist ein wichtiger Erfolg der fachlichen Arbeit in der Normung.“
Wie geht die Gütegemeinschaft weiter vor?
„Zusammen mit dem BF wollen wir Rechtssicherheit für die Hersteller und Anwender von heißgelagertem ESG schaffen. Darum bieten wir unter dem neuen RAL-Gütezeichen ein System der Fremd-überwachung an, das die Anforderungen von Norm und Bauaufsicht erfüllt“, so Jochen Grönegräs. Der Güteausschuss für heißgelagertes ESG habe bereits seine Arbeit aufgenommen und Güte- und Prüfbestimmungen für „ESG-HF“, also heißgelagertes ESG mit Fremdüberwachung, erstellt. Er arbeite dazu mit den Prüfinstituten zusammen, die auch unter der Bauregelliste schon die Fremdüberwachung vorgenommen haben. „Diese Prüfinstitute werden von der GGF anerkannt und nehmen als Gäste an den Sitzungen des Güteausschusses ESG-HF teil. Auf dieser Grundlage vergibt die Gütegemeinschaft das neue Gütezeichen ‚Heißgelagertes ESG‘. Es ist inzwischen vom Dachverband RAL offiziell anerkannt“, erklärt Grönegräs.
Mitgliedschaft in der GGF und Erwerb des RAL GZ ESG-HF
Um das Produkt „Heißgelagertes ESG“ weiter verwenden zu dürfen, richtet Grönegräs einen dringenden Appell an alle betroffenen Hersteller: „Zum einen kann ich nur dazu raten, Mitglied in unserer Gütegemeinschaft zu werden. Außerdem sollten sie sich an eines der genannten Prüfinstitute wenden und mit ihm einen Vertrag über die Fremdüberwachung ihrer Produktion auf der Grundlage der RAL-Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 525 abschließen. Vertragspartner hierfür ist das jeweilige Prüfinstitut direkt. Für die Zukunft hängt die Berechtigung zum Führen des RAL-Gütezeichens dann vom positiven Ergebnis der Fremdüberwachung ab, über das die Prüfinstitute der Gütegemeinschaft berichten.“
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- Beratungspflicht bei ESG und ESG-H (15.5.2008)
siehe zudem:
- Architektur und Baustoffe/Bauelemente bei BAULINKS.de
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