Frühjahrsgutachten 2024: Wirtschaftsinstitute revidieren ihre Prognose der Wirtschaftsleistung nach unten
(27.3.2024) Die Gesamtwirtschaft in Deutschland ist aus Sicht der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute DIW, ifo mit WIFO, IfW, IWH und RWI angeschlagen. In ihrem Frühjahrsgutachten sehen sie in ihrer Prognose für das laufende Jahr nur noch einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 0,1%.
Im Herbstgutachten 2023 standen noch 1,3% in Aussicht. Für 2025 belassen sie die Prognose mit plus 1,4% nahezu unverändert (bislang 1,5%). Die Wirtschaftsleistung fällt dann aber infolge der verzögerten Erholung um über 30 Mrd. Euro niedriger aus.
Laut Gutachten überlagern sich in der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung konjunkturelle und strukturelle Faktoren. „Im bisherigen Dreiklang aus lahmender Konjunktur, lähmender Politik und leidendem Wachstum ändert sich nur die konjunkturelle Tonlage von Moll auf Dur”, sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).
Fortwährende Unsicherheit über die Wirtschaftspolitik belastet die Unternehmensinvestitionen, die sich trotz der erwarteten Belebung im kommenden Jahr dann auf dem Niveau des Jahres 2017 bewegen dürften. Die Effektivverdienste werden in den Jahren 2024 und 2025 voraussichtlich um 4,6 bzw. 3,4% zulegen. Damit nehmen die Reallöhne über den gesamten Prognosezeitraum zu und holen die Verluste aus dem Jahr 2022 und den ersten 6 Monaten 2023 langsam wieder auf. Das Niveau von Ende 2021 wird aber voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2025 erreicht.
Verbraucherpreise steigen
Insgesamt erwarten die Institute einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3% in 2024 und um 1,8% in 2025. Bereinigt um den dämpfenden Effekt der Energiepreise ergeben sich Kerninflationsraten von 2,8% für 2024 und 2,3% für 2025.
Aussichten auf den Arbeitsmarkt
Ein robuster Arbeitsmarkt stützt die konsumbezogenen Auftriebskräfte. Die realen Lohnstückkosten nehmen im Zuge der Lohnsteigerungen wieder zu, bleiben aber beschäftigungsfreundlich. Die Arbeitslosigkeit dürfte nur geringfügig steigen und bereits ab dem Frühjahr wieder sinken. Auf Jahressicht prognostizieren die Institute Arbeitslosenquoten von 5,8% im Jahr 2024 und 5,5% für 2025.
Weniger Fehlbeträge im gesamtstaatlichen Haushalt
Die Fehlbeträge im gesamtstaatlichen Haushalt gehen in Relation zur Wirtschaftsleistung von 2,1% im Vorjahr auf 1,6% in 2024 und 1,2% in 2025 zurück. Die Einnahmenquote der öffentlichen Hand erreicht in den beiden Prognosejahren mit 47,5% und 48,4% jeweils gesamtdeutsche Rekordwerte.
Empfehlungen der Wirtschaftsinstitute
Wirtschaftspolitisch empfehlen die Institute eine behutsame Reform der Schuldenbremse basierend auf dem Vorschlag der Deutschen Bundesbank, der mehr schuldenfinanzierte Investitionen als bislang zulässt. Zudem regen sie an, die Defizitbegrenzung nach einem Ziehen der Ausnahmeklausel nicht mehr abrupt, sondern stufenweise wieder scharf zu stellen. Wichtiger sei aber eine Neugestaltung der staatlichen Finanzverfassung, um kommunale Investitionstätigkeit – gut 40% der gesamten öffentlichen Investitionen – von konjunkturell bedingten Haushaltsnöten abzuschirmen.
Zur Erinnerung: Die Gemeinschaftsdiagnose wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellt. Am Frühjahrsgutachten 2024 waren beteiligt:
- Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
- ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. in Kooperation mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO)
- Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel)
- Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)
- Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien (RWI)
Die Langfassung des Gutachtens ist unter gemeinschaftsdiagnose.de/gutachten abrufbar.
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siehe zudem:
- Baubranche, Architektur und Ingenieurbau sowie Materialmangel / Preissteigerungen, bei BAULINKS.de
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