Interview: "Mit Vakuumdämmung in die Zukunft"
(27.1.2006) VARIOTEC beschreitet mit seiner Vakuumdämmung und den daraus hergestellten großflächigen Bauelementen QASA neue Wege im Bereich des energieeffizienten Bauens. Wer damit dämmt, soll quasi automatisch Passivhausstandard erreichen. Was es mit den innovativen Produkten auf sich hat, erläutert VARIOTEC-Geschäftsführer Christof Stölzel.
Frage: Wie kam es überhaupt dazu, dass VARIOTEC sich
heute so intensiv mit dem Thema energieeffizientes Bauen beschäftigt?
Stölzel: Eigentlich hat uns die Türen- und Fensterproduktion den Weg zum
Passivhaus eröffnet. Mit diesen geprüften und zertifizierten Bauteilen sind wir
ohnehin beim Architekten und haben deren Probleme - z.B. mit zu dicken Wänden,
Lichteinfall oder reduzierter solarer Energie - aufgegriffen.
Frage: Warum konzentrierten Sie sich auf die Entwicklung
von Vakuumdämmung?
Stölzel: Wir waren von Anfang an der festen Überzeugung, dass die Zukunft
des Bauens dem Passivhaus gehört. Die nächste Stufe ist das
Nullheizenergiehaus - da wollten wir hin. Da unsere Anlagentechnik auf
filigrane, maßhaltige Bauteile abgestimmt ist, mussten wir einen technischen
Dämmstoff suchen, der sowohl auf natürlichen als auch inländischen Ressourcen
beruht. Die Vakuum-Technologie auf Basis pyrogener Kieselsäure *) - im weitesten
Sinne Quarzsand - und deren Variabilität in der Fertigung führte zu dieser
Entscheidung.
Frage: Vor wenigen Jahren gab es noch reichlich ungelöste
Probleme mit der Vakuumdämmung hinsichtlich Herstellung, Dauerhaftigkeit oder
Verarbeitung. Haben Sie diese Schwachstellen in den Griff bekommen?
Stölzel: Wir haben uns sehr intensiv mit der gesamten Problematik
beschäftigt, angefangen von der Struktur über die effiziente Herstellung bis hin
zur problemlosen Verarbeitung der Vakuumdämmung. Das war ein langer Weg: Es
mussten viele bis dato ungelöste Fragen geklärt werden: Wie muss die Struktur
der pyrogenen Kieselsäure aussehen, wie die Zuschlagstoffe? Wo gibt es
Verbesserungsmöglichkeiten bei der Unhüllungsfolie? Aus wie vielen Lagen muss
diese bestehen? Wie entziehe ich dem gesamten Element die Luft und wie schließe
ich das Produkt danach luftdicht ab? So haben wir, einhergehend mit
entsprechenden Forschungsvorhaben, Alterungsversuchen und speziellen
Maschinenentwicklungen, eine vollstufige Produktion der
Vakuum-Isolations-Paneele (VIPs) aufgebaut. Heute sind wir in der Lage, alle
Größen, Dicken und auch Formen herzustellen. Das VIP ist ein Hightech-Produkt
mit einem sensationellen Lambda-Rechenwert von 0,004 W/mK. Die VIP-Elemente
können wir bis 3,00 x 1,25 m Größe und in Stärken zwischen 10 und 40 mm
fertigen.
Frage: Wie stellen Sie sicher, dass die VIP-Elemente
nicht nur den harten Baustellenalltag sondern auch die Zeit am Gebäude ungestört
überstehen?
Stölzel: Das Problem hat uns durchaus beschäftigt. Ein nacktes VIP an den
Bau zu liefern, ist mit Versagensrisiken bis zu 20 Prozent verbunden. Das
zeigten Anwendungen aus der Praxis. Da dies für uns nicht hinnehmbar war,
entwickelten wir unsere QASA-Elemente. Das Q steht übrigens für Wärme und der
Rest als Synonym für das sichere Haus**). Bei den QASA-Elementen handelt es sich um
Großflächenelemente, die bereits alle Voraussetzungen und Eigenschaften für den
Baueinsatz beinhalten. Die Elemente sind doppelt gesichert, wie ein moderner
Doppelwandtanker. Bauübliche Beschädigungen sind genauso ausgeschlossen wie
erhöhte Staufeuchte, die sich am Element bilden kann. Die Praxiserprobung in
unserem Nullheizenergiehaus zeigte, dass keinerlei Leckrate während des Baus
auftrat. Thermografische Untersuchungen bewiesen zudem kein Versagensrisiko der
VIPs, wenn sie in Form der QASA-Elemente eingebaut werden. Die QASA-Elemente
bieten wir heute in Größen bis 3,00 x 10,00 m und in Wunschdicken ab 40 mm je
nach Werkstoff an.
Frage: Wo sehen Sie die vorrangigen Einsatzgebiete von
QASA-Elementen?
Stölzel: Hier bietet sich sowohl im Neu- als auch im Altbau ein
ungeahntes Potenzial. Die Dämmung wird insbesondere dann interessant, wenn wir
es mit teuren Grundstücken, z.B. im innerstädtischen Bereich, Grenzbebauung oder
kleinen Nutzflächen zu tun haben. Denken sie nur an Fassaden, die gehwegbündig
positioniert sind. Wo soll hier eine Dämmung, vor allem wenn Sie
Passivhausstandard erreichen wollen, mit bis zu 25 cm Dicke Platz finden? Anhand
von Beispielrechnungen können wir nachweisen, dass mit dem Einsatz der
QASA-Elemente der Flächengewinn bei etwa 10 Prozent der ursprünglichen
Nutzfläche liegt. Dazu gibt es interessante Beispiele von Reihenhäusern in
Holland. Dort stellte man fest, dass die an sich schon kleinen Hollandhäuser im
Passivhausstandard eigentlich gar keinen Sinn machen würden. Dieser wird für
diesen Gebäudetyp mit unseren VIPs jetzt erst interessant. Der Nutzflächengewinn
lag bei diesem Beispiel bei 11,66 m².
Frage: Der Einsatz der QASA-Elemente erfordert einen
erheblichen Planungsaufwand und eine enge Abstimmung der Baubeteiligten
untereinander, um vorab alle Geometrien oder Durchdringungen bis ins kleinste
Detail festzulegen. Wird dadurch der Einsatz der Elemente nicht
unwirtschaftlich?
Stölzel: Nein, ganz und gar nicht. Studien haben bewiesen, dass deutsche
Baustellen mit bis zu 30 Prozent Leerlauf arbeiten. Hier setzten wir an. Mit
unseren vorgefertigten Elementen erreichen wir kürzere Bau- und Montagezeiten.
Rechnet man dann noch den Nutzflächengewinn ein, erzeugen wir erhebliche
Effizienzgewinne. Wir planen zwar etwas länger, aber wir setzen dafür sehr
schnell um. Unterm Strich ist Bauen mit VIP nur geringfügig teurer als
herkömmliches Bauen. Das Gute dabei: VIP bedingt automatisch Passivhausstandard,
denn wir können gar nicht schlechter dämmen.
Frage: Bis auf den Einsatz im
VARIOTEC-Nullheizenergiehaus gibt es kaum Erfahrungen in der Anwendung der neuen
Vakuum-Bauteile. Wie gewährleisten Sie die notwendige Planungssicherheit für
Architekten und Ingenieure?
Stölzel: Zusammen mit Dr. Wolfgang Feist vom Passivhaus Institut
Darmstadt werden wir ein VIP-Planungstool entwickeln, welches auf das
Passivhaus-Projektierungs-Paket (PHPP) aufsetzt. Damit werden Risiken wie
Nahtstellen, Wärmebrücken oder geometrische Besonderheiten bereits in der
Planung sichtbar und VIP-Bauteile wärmetechnisch kalkulierbar. Die Planung für
ein VIP-Gebäude dauert unter Verwendung von PHPP nicht wesentlich länger als die
Planung jedes normalen Passivhauses. Natürlich muss der Statiker gleich von
Beginn an mitwirken, wenn es um besondere Bauteile oder Belastungen geht. Die
statischen Vorgaben werden in Form der Ankeranzahl, der VIP-Durchdringungspunkte
oder der Positionierung von Installationen umgesetzt.
Frage: Wann rechnen Sie mit der bauaufsichtlichen
Zulassung der Elemente?
Stölzel: Wir rechnen damit, dass wir ab Mitte 2006 die Zulassung
bekommen. An der Zulassung beteiligten sich seitens des Deutschen Institutes für
Bautechnik (DIBt) neben dem klassischen Wärmedämmreferat vor allem auch die
Referate Betonbau, Ankertechnik, Brandschutz, Holzbau und Statik, denn VARIOTEC
strebt nicht die Zulassung des Dämmstoffes an, sondern die allgemeine
bauaufsichtliche Zulassung für die kompletten Wand- oder Dachelemente in den
jeweiligen Materialkombinationen Beton, Holz oder sonstigen Wandbauwerkstoffen.
Frage: Wer darf die Elemente einbauen?
Stölzel: Wir planen ein Vertriebskonzept, ähnlich wie bei unseren
bauaufsichtlich zugelassenen Feuer- und Rauchschutztüren. Die Lizenzpartner aus
den Bereichen Holzbau und Betonfertigteilbau müssen sowohl über eine
entsprechende Infrastruktur als auch über leistungsfähige administrative
Strukturen verfügen. Diese Partner werden von uns geschult und müssen auch die
Planungsabläufe mit PHPP und den VIP-Tools beherrschen.
Frage: Werden die QASA-Elemente bei Ihnen im Haus
hergestellt oder können das die Franchise-Partner selbst übernehmen?
Stölzel: Der Kern der QASA-Elemente besteht aus dem VIP mit
entsprechenden Schutzschichten aus Aluminium oder recyceltem Polyurethan. Wir
liefern dieses Element an die Partner aus. Diese können es dann je nach Projekt ...
- entweder zwischen zwei Betonschalen vergießen oder
- es zwischen zwei Holzelementen aus Brettstapel- oder Kreuzlagenholz (KLH) verbauen.
Außerdem
lassen sich auf die PUR-Massivschutzschichten der QASA-Elemente auch
Frage: Die QASA-Elemente sind diffusionsdicht. Sehen Sie nicht die Gefahr der
Schimmelpilzbildung?
Stölzel: VIP im Altbau unkontrolliert einzubauen, wäre fahrlässig. Wenn wir in
der Sanierung mit Vakuumelementen dämmen wollen, müssen wir natürlich vorher das
Mauerwerk exakt untersuchen. Außerdem bedingt die Vakuumdämmung den
Passivhausstandard. Dieser ist wiederum untrennbar mit einer mechanischen Be-
und Entlüftung verbunden. Daraus haben wir die Gewissheit, dass es zu keinerlei
Risiken über Auffeuchtung im Innenraum kommen kann, weil die entsprechende
Feuchteabfuhr gesichert ist.
Ergänzend sei auf den Werkbericht Nullheizenergiehaus, der ...
- per E-Mail an sekretariat@variotec.de angefordert werden kann oder
- in einer Kurzfassung im PDF-Format verfügbar ist.
______________ | |
*) | Die pyrogene Kieselsäure bildet das Stützgerüst der Vakuum-Isolationspaneele. Um ein Vakuumelement mit einem entsprechendem U-Wert (Wärmedämmkapazität) herzustellen, ist es erforderlich auf eine bestimmte Elementdicke zu kommen und diesen Stützkern bildet die pyrogene Kieselsäure. (Für weitere Erläuterungen siehe beiliegende Datenblätter im PDF-Format.) |
**) | "QASA" ist ein kleines Wortspiel: In "QASA" steckt phonetisch "casa",
lateinisch: die Hütte. "Q" ist das technische Zeichen für den Wärmestrom /
die Wärmemenge und steht in der Wärmebedarfsberechnung nach
Energieeinsparverordnung als Kurzzeichen für Wärme. "QASA" ist ein eingetragenes Warenzeichen und wurde von Variotec für die VIP-integrierten Bauteile (Holz, Beton, sonstige Werkstoffe) im Markt eingeführt. |
siehe auch:
- Neue Komponenten und Verfahren sollen Vakuum-Isolations-Paneele verbilligen (12.12.2011)
- Variotec erweitert QASA-Zulassung für VIP-Sandwichelemente (15.9.2011)
- VacuPad dämmt Innenwand, Dach und Kellerdecke mit Vakuum (16.11.2010)
- Experimentelle Sanierung und Wohraumaufwertung mit VIPs und Balkonen (26.8.2010)
- Fassadendämmung mit Vakuum: WDVS aus VIPs (6.4.2010)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
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