Fraunhofer-IBP erforscht umweltfreundliche WDV-Systeme für Bestandsbauten
(13.12.2012) In einer vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Untersuchung evaluiert das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP aktuell die Einsatzmöglichkeiten biozidfreier Komponenten und Beschichtungenmit bei Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS). Mit Hilfe einer webbasierten Umfrage bei Bauherren und Besitzern von privatem Wohneigentum soll auch die Akzeptanz von WDVS ermittelt werden. Die gewonnenen Daten sollen zudem bei der Weiterentwicklung des seit 2009 existierenden Umweltzeichens „Blauer Engel“ für WDVS berücksichtigt werden.
Während Neubauten zunehmend als Passiv- beziehungsweise Plusenergiehäuser errichtet werden, rechnet man bei fast der Hälfte der bestehenden deutschen Wohnhäuser mit energetischem Sanierungsbedarf in den nächsten 20 Jahren. Diese Immobilien müssen beispielsweise mit einer nachträglichen Dämmung versehen werden. Dabei kommen häufig Wärmedämm-Verbundsysteme zum Einsatz. In der Bilanz für das Jahr 2011 weist der Fachverband WärmedämmVerbundsysteme (FV WDVS) für seine Mitglieder einen Absatz von 37 Millionen Quadratmetern verbauter WDVS aus. Das verarbeitete WDVS-Volumen im deutschen Gesamtmarkt stieg von 41,8 Millionen Quadratmetern verlegter Fläche im Jahr 2010 auf 42,5 Millionen 2011 - siehe Baulinks-Beitrag „Absatzzahlen des Fachverbandes Wärmedämm-Verbundsysteme für 2011 positiv“ vom 19.3.2012.
Durch die Dämmung geht zwar weniger Wärme verloren, aber auf der nunmehr kühleren Außenoberfläche bildet sich auch mehr Tauwasser. Dr. Wolfgang Hofbauer, Leiter der Arbeitsgruppe Biologie am Fraunhofer IBP erklärt dazu: „Die vermehrte Verfügbarkeit von Feuchte bildet eine verbesserte Grundlage für mikrobielles Wachstum“. Dadurch können sich unschöne Verfärbungen auf der Fassade bilden, die aber das Wärmedämmvermögen nicht beeinträchtigen. Das an der Fassadenoberfläche herrschende Mikroklima wird durch die materialtechnischen Eigenschaften der verwendeten Beschichtungsstoffe, die Bauweise und die klimatischen Bedingungen bestimmt. Einfluss hat auch die Lage eines Bauwerks in der Stadt, auf dem Land, in der Nähe von Gewässern oder von Wäldern. Um den Bewuchs mit Algen oder Pilzen zu verzögern, werden Kunstharzputze und Dispersionsfarben für Fassaden meist mit bioziden Wirkstoffen versetzt, die aber mit dem ablaufenden Regenwasser in die Umwelt gelangen können.
Bekanntes messbar machen
Bislang wurde der Einfluss der einzelnen Parameter, die Algen- oder Pilzbewuchs fördern, nicht wissenschaftlich quantifiziert. Das Fraunhofer IBP erforscht jetzt die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bedingungen, um eine solide Datengrundlage zur Anwendungssituation von WDVS zu schaffen. Mit Hilfe der gewonnenen Ergebnisse soll dann der umweltschädliche Einsatz biozider Wirkstoffe an Fassaden künftig möglichst vermieden oder zumindest deutlich verringert werden. Eine denkbare Alternative können hygrisch optimierte Putze sein, die keine Biozide enthalten, aber möglicherweise nur unter bestimmten Randbedingungen langfristig vollständig ohne Bewuchs bleiben. Ein wesentliches Ziel des Projekts besteht darin, auf der Basis der Erfahrungen möglichst vieler Bauherren Empfehlungen für den Einsatz biozidfreier Systeme aufzuzeigen. Die Daten sollen außerdem als wissenschaftliche Grundlage in die Weiterentwicklung des seit 2009 bestehenden Umweltzeichens „Blauer Engel“ für WDVS (RAL-UZ 140) einfließen.
Forschung am Objekt
Zunächst analysieren die Fraunhofer-Forscher den WDVS-Markt und ermitteln die Rahmenbedingungen, unter denen kein Bewuchs auftritt bzw. die zu einem Bewuchs von Mikroorganismen an den Fassaden führen. Erfasst werden Art und Ausführung der WDVS, Architektur und Konstruktion der Gebäude sowie die bauphysikalischen Aspekte und die mikroklimatischen Bedingungen.
Dazu startet das Fraunhofer IBP eine umfangreiche webbasierte Umfrage: Unter fassadenforschung.de soll sich eine möglichst große Zahl von privaten oder öffentlichen Bauherren sowie Besitzern privaten Wohneigentums zu ihren persönlichen Erfahrungen mit WDVS äußern. In wenigen Minuten können sich die Umfrageteilnehmer unkompliziert und schnell per Mausklick an der Studie beteiligen.
Aus dieser Umfrage werden Fallbeispiele ausgewählt und - sofern vom Hausherren gestattet - erfolgen Ortsbegehungen. Es sollen sowohl langfristig schadensfreie, als auch von Pilzen und Algen „befallene“ Gebäude detailliert betrachtet und analysiert werden, um daraus resultierend wesentliche Einflussfaktoren für eine langfristig bewuchsfreie Verwendung von WDVS herauszuarbeiten.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- VDPM-/Fraunhofer IBP-Forschungsprojekt zu Fassaden-Baustoffen abgeschlossen (24.1.2023)
- Forschungsprojekt über beregnete (Putz-)Fassaden mit ersten Ergebnissen (21.4.2022)
- Umweltgifte aus Baumaterialien vermeiden: 90% weniger Schadstoffausträge durch gute Planung (1.2.2022)
- Zwischenstand: Knaufs biozidfreies MineralAktiv-Fassadensystem nach 5 Jahre immer noch algenfrei (10.6.2021)
- DBU: „Weiße Weste“ für Hausfassaden ohne Biozide und schädliche Haushaltsmittel (24.9.2015)
- weitere Details...
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- Maßnahmen gegen Befall von Mikroorganismen: So bleiben Fassaden algen- und pilzfrei (20.6.2003)
siehe zudem:
- Bauforschung, Putz und WDVS bei Baulinks
- Literatur / Bücher zu den Themen Wärmedämm-Verbundsysteme, Putz, Bauen im Bestand, Energieausweis, EnEV und Fassade