Wärme durch Strom aus erneuerbaren Energien für Klimaschutzziele unabdingbar
(4.5.2015) Der Wärmesektor stellt über 50% am Endenergieverbrauch in Deutschland, und dennoch liegt dort die Nutzung erneuerbarer Energien weit unter den Wachstumszahlen der erneuerbaren Energien im Stromsektor. Eine „Wärmewende“ ist zur Erreichung der Klimaschutzziele deshalb zwingend notwendig - zumal schon jetzt Photovoltaik und Windenergie den Wärmemarkt stark beeinflussen. „Langfristig ist der Einsatz eines hohen Anteils von regenerativ erzeugtem Strom im Wärmemarkt unabdingbar, um die Klimaziele zu erreichen. Dieser Entwicklung steht jedoch die ungleiche Kostenbelastung von Strom und fossilen Brennstoffen zur Wärmeerzeugung im Wege“, fasste Projektleiter Norman Gerhardt vom Fraunhofer IWES in Kassel die Ergebnisse eines vom BMWi geförderten Forschungsprojekts am 4.5. zusammen.
- Welche Schlüsseltechnologien sind für den Wärmesektor die volkswirtschaftlich effizienteste und günstigste Lösung zur Reduzierung der CO₂-Emissionen?
- Welchen Einfluss hat die energetische Sanierung des Gebäudebestands auf den Ausbau des regenerativen Kraftwerkparks?
- In welchen der Sektoren Strom, Wärme oder Verkehr sollte die begrenzt verfügbare Biomasse eingesetzt werden?
- Welchen wirtschaftlichen und regulatorischen Hemmnissen stehen diesen Schlüsseltechnologien für eine erfolgreiche Energiewende im Wärmesektor entgegen?
Diese Fragen haben Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute IWES und IBP in Kassel, der Stiftung Umweltenergierecht in Würzburg und des Instituts für Energie- und Umweltforschung ifeu in Heidelberg in Hinblick auf steigende Anteile fluktuierender erneuerbarer Energien im Strombereich unter Berücksichtigung der europäischen Entwicklung untersucht. Das Forschungsprojekt „Interaktion EE-Strom, Wärme und Verkehr“ wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.
„Roadmap Wärme“
Die Ergebnisse und die Konsequenzen der entwickelten Handlungsempfehlungen ihrer
„Roadmap Wärme“ hat das Projektkonsortium am 4.5.2015 in einem Stakeholder-Workshop im Fraunhofer-Forum in Berlin Vertretern aus
Politik, Wirtschaft, Verbänden und Wissenschaft zur Diskussion
gestellt. „Mit zunehmendem Ausbau der Solar- und Windenergie wird
Strom als Hauptenergieträger im Wärmesektor umso bedeutender, weil
dadurch im Stromnetz nicht nutzbare Erzeugungsspitzen in gut
speicherbare Wärme gewandelt werden kann. Und ohne sehr hohe
Anteile von effizienten Wärmepumpen (WP) können die langfristigen
Klimaziele nicht erreicht werden. Power-
Die gesamten zentralen Aussagen zur Ausgestaltung der Interaktion zwischen den Energiesektoren Strom und Wärme haben die Projektpartner in den folgenden Kernaussagen zusammengefasst:
1. Schlüsseltechnologie für Power-to-Heat ist die dezentrale und zentrale Wärmepumpe (Haushalte / Gewerbe / Fernwärme / Industrie), deren Anteil kontinuierlich gesteigert werden muss. Durch die ebenfalls wichtige Technologie Elektrodenkessel im Einsatzgebiet Industrie/Fernwärme lassen sich dagegen erst langfristig bei sehr hohen EE-Anteilen im Stromnetz hohe Anteile am Wärmemarkt wirtschaftlich erschließen.
2. Bivalente Power-to-Heat-Systeme (KWK+PtH oder Heizkessel+PtH) stellen kurz und mittelfristig Flexibilität für das Stromversorgungssystem bereit (Regelleistung, EE-Strom bei negativen Strompreisen durch Elektrodenkessel). Sie können je nach Stromangebot (EE-Überschuss à Stromnutzung oder EE-Deckungslücke à Gasnutzung) flexibel auf die Erfordernisse des Strommarkts reagieren und die Effizienz des Gesamtsystems steigern.
3. Feste Biomasse sollte langfristig in dezentralen Feuerungsanlagen (Pellet-, Holzhackschnitzel- und Scheitholz-Heizungen) in Bestandsgebäuden (hoher Wärmebedarf, schlecht für Wärmepumpe geeignet) und Siedlungen mit geringer Wärmedichte (ländliche Umgebung/Stadtrand – nicht wirtschaftlich für Fernwärme geeignet) sowie in der Industrie mit hohen Prozesstemperaturen eingesetzt werden. Bei höherer Sanierung wirkt sich das begrenzte Biomassepotenzial stärker im Bereich der ineffizienten Bestandsgebäude aus.
4. Der Anteil der Fern- und Nahwärme
im Bereich Haushalte und Gewerbe muss von derzeit ca. 12%
langfristig auf einen Anteil von ca. 25% am Wärmemarkt gesteigert
werden. Städte mit hoher Bebauungsdichte (Wohn- und
Nichtwohngebäude) sind Hauptabnehmer. Im Industriebereich beträgt
der Anteil der Wärmeerzeugung mit KWK-
5. Die Struktur der Fernwärme muss sich dabei aber
grundlegend ändern. Die Hochtemperaturnetze auf Basis von
Gas/Kohle müssen zu Netzen mit Gas- KWK, Groß-
6. Groß-KWK Anlagen spielen besonders in der Fernwärme und Industrie > 100° und < 500°C die bedeutendste Rolle. Dezentrale Klein-KWK als kostengünstiger Motor mit einer hohen Leistungsauslegung in Kombination mit PtH und Wärmespeicher stellen dagegen ein wichtiges Potenzial für den Gewerbebereich dar. Durch die Dynamisierung der EEG-Umlage soll die Vereinbarkeit von Strommarkt und Eigenstromanreiz erhöht werden.
7. Stationäre Brennstoffzellen zur gekoppelten Strom- und Wärmeproduktion können sich nach bisherigen Analysen dagegen kaum etablieren. Gas-Wärmepumpen haben gegenüber heutigen Brennwertkesseln zu geringe Effizienzvorteile und können sich wirtschaftlich nicht durchsetzen. In effizienten Gebäuden mit geringem Wärmebedarf konkurrieren sie mit elektrischen Wärmepumpen, in ineffizienten mit Brennwertkesseln.
8. Zur Erreichung der sektorübergreifenden Klimaziele der Energiewende spielt Effizienz im Wärmesektor eine zentrale Rolle. Die energetische Sanierung reduziert nicht nur den Wärmebedarf, sondern auch den Zubau weiterer EE-Anlagen. Dabei sollte eine Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen durch CO₂-bezogene Energiebesteuerung erfolgen.
9. Um den Zubau im Stromsektor jedoch so gering wie möglich zu halten, hat die Effizienz bei der Umwandlung hohen Stellenwert. Sole-Wärmepumpen setzen sich am stärksten durch. Diese sollte in Kopplung mit Niedertemperatur- bzw. Flächenheizungen priorisiert gefördert werden. Insbesondere muss der Anteil von Wärmpumpen im Gebäudebestand erhöht werden. Eine Anhebung der Fördersätze für Sole-Wärmepumpen ist zu empfehlen.
10. Eine Flexibilisierung im Wärmemarkt durch Wärmespeicher, Kompressionskälteanlagen, Wärmepumpen und KWK-Anlagen ist notwendig. Gebäude selbst und deren Komponenten sind als Kurzzeitspeicher (Stunden bis mehrere Tage) sehr gut geeignet. Um dieses Potenzial zu heben, sind regulatorische Maßnahmen notwendig, wie die Einführung dynamischer Umlagen (z.B. EEG) auch für dezentrale flexible Verbraucher wie Wärmepumpen.
11. Grundsätzlich stellt die hohe Preisdifferenz zwischen Gas und Strom das größte Hemmnis für die Ziele der Energiewende im Wärmemarkt dar. Um die Ziele zu erreichen, ist eine weitere und besonders stabile Förderung des Absatzmarkts für dezentrale und zentrale Wärmepumpen notwendig. Ein erster Schritt kann hierzu eine aufkommensneutrale Umschichtung der Stromsteuer zu einer Anhebung der Energiesteuer für Heizöl und -gas sein.
12. In einem kostenoptimalen Klimaschutzszenario ergeben sich hohe CO₂-Vermeidungskosten von ca. 180 Euro/t. Diese Kosten sollten zumindest anteilig in Form einer CO₂-Steuer / CO₂-Abgabe bzw. CO₂-bezogenen Energiebesteuerung für fossile Energieträger (Erdgas / Erdöl) im Markt bepreist werden. Als weiterer Schritt sollte der konsequente Einsatz von regenerativen Energieträgern (ohne Biomasse) im Neubausektor in Betracht gezogen werden (EEWärmeG-Anlagentechnik).
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES)
- Förderratgeber von co2online und Fördermitteldatenbank von fe.bis
- PV Max-Heater F12 von Ratiotherm zur Verwendung von überschüssigem Ökostrom (19.1.2023)
- BWP-Roadmap zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors (30.4.2021)
- 2017 über 116 Mrd. kWh Strom aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (6.12.2018)
- BAM überprüft zur „Unterstützung der Marktüberwachung“ Wärmepumpen (4.3.2018)
- Junkers Bosch erweitert nach Übernahme des BSH-Warmwasser-Geschäfts sein Portfolio (28.1.2018)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
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- BTGA-Almanach 2015 beschreibt Bedeutung der Gebäudetechnik-Branche (19.4.2015)
- „Plus“ und „Premium“: Passivhaus Institut definiert endlich Plusenergiehaus-Klassen (16.3.2015)
- Vernetzung von elektrischer mit thermischer Energie à la Bosch (12.6.2014)
- Wege zu einem effizienten und nachhaltigen Strom-Wärme-System (21.3.2014)
- Mit Wärmepumpe und Batterien signifikant mehr eigenen Solarstrom nutzen (26.6.2013)
siehe zudem:
- Warmwasserbereitung, Wärmepumpe im alternative Energien-Magazin bei Baulinks
- Literatur / Bücher über Wärmepumpen bei Baubuch / Amazon.de