Baulinks -> Redaktion  || < älter 2010/0314 jünger > >>|  

Grenzfall WDVS: Wärmedämmung darf (noch?) nicht auf Nachbars Grundstück ragen

(21.2.2010; siehe auch neueren Beitrag zum Thema vom 21.12.2012) Immer mehr Hausbesitzer möchten ihre Hausfassade zeitgemäß dämmen. Bei freistehenden Gebäuden ist das in der Regel kein Problem; sie lassen sich ringsum in ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) einpacken. Was aber, wenn das Haus auf der Grundstücksgrenze steht? Darf der Eigentümer dann trotzdem dämmen, auch wenn die gedämmte Fassade anschließend auf Nachbars Grundstück ragt?

Nein, das darf er nicht, warnt die ARGE Baurecht und verweist auf ein aktuelles Urteil: Am 9.Dezember 2009 hat das OLG Karlsruhe einen konkreten Fall entschieden, wonach ein Nachbar eine auf sein Grundstück ragende Dämmung nicht akzeptieren muss (OLG Karlsruhe - 6 U 121/09).

Damit könnten nun zahlreiche Hausbesitzer in Deutschland ein Problem haben, denn der Hausbau auf der Grenze ist typisch für alte Orts- und Stadtkerne. Vor allem in Dörfern und Kleinstädten grenzen Gebäude in Haus/Hof-Bauweise in der Regel mit einer Fassade des Wohnhauses an Nachbars Grundstück. Auch die in den Nachkriegsjahren beliebten Ketten- und Atriumhäuser stehen oft mit einer Seite beim Anrainer. Soll diese Hausfront gedämmt werden, dann ragt nicht nur die Dämmung in Zukunft auf Nachbars Grund, sondern auch die Handwerker, die die Fassadendämmung vornehmen sollen, müssen zwangsläufig auf Nachbars Grundstück und von dort aus arbeiten.

Hammerschlags- und Leiterrecht

Dieses Problem hat der Gesetzgeber allerdings geregelt: Nachbarn haben ein so genanntes Hammerschlags- und Leiterrecht. Das heißt, sie dürfen den Grund des Anrainers betreten, um am eigenen Haus notwendige Arbeiten ausführen zu können - sofern es keine Alternativen gibt. Selbstverständlich müssen die Bauherren schonend mit Nachbars Besitz umgehen und eventuelle Schäden ersetzen, gegebenenfalls sogar Miete bezahlen. Außerdem muss zügig gearbeitet werden, Ruhezeiten sind einzuhalten, und der Nachbar darf nicht unnötig beeinträchtigt werden. Die frühzeitige Information des Nachbarn über die geplante Maßnahme liegt zudem im eigenen Interesse, denn schaltet der Nachbar auf stur, darf der Bauherr sich nicht einfach über ihn hinwegsetzen. Er muss dann sein Hammerschlags- und Leiterrecht erst einklagen.

Überbauung nur mit untergeordneten Bauteilen

Geregelt haben Bund und Länder auch viele Fragen der Überbauung. Unter Umständen dürfen Hausbesitzer mit Gesimsen, Fensterbänken oder anderen so genannten untergeordneten Bauteilen in den Luftraum des Nachbarn hineinbauen - sofern diese Bauteile auch genehmigt sind.

Eine dicke Wärmedämmung gehört allerdings nach Ansicht der Karlsruher OLG-Richter nicht zu diesen untergeordneten Bauteilen und muss deshalb vom Nachbarn auch nicht hingenommen werden.

Noch keine grundsätzliche Regelung

Das Problem der grenzüberschreitenden Wärmedämmung ist allerdings noch nicht grundsätzlich geregelt. Einige Bundesländer, unter anderem Hessen, arbeiten hier an neuen Regelungen. Sanierungswillige Hausbesitzer sollten gleichwohl zwischenzeitlich nach Möglichkeit versuchen, sich mit ihren Nachbarn zu einigen. Ist beim Nachbar ausreichend Platz auf dem Grundstück, lässt sich möglicherweise eine Grenzregelung aushandeln. Entweder bekommt der Nachbar eine so genannte Überbaurente, oder eine Abfindung für die überbaute Fläche. Die ARGE Baurecht rät, die ausgehandelte Vereinbarung unbedingt schriftlich zu formulieren und auch ins Grundbuch eintragen zu lassen, damit sich auch spätere Grundstückseigentümer noch daran halten müssen.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

ausgewählte weitere Meldungen:

Impressum | Datenschutz © 1997-2024 BauSites GmbH