„Bauen und Wohnen in Gemeinschaft“ - Buch zur DAM-Ausstellung
(14.9.2015) Derzeit erleben gerade Innenstädte einen enormen Nachfragezuwachs - auch für gemischtes und integriertes Wohnen. Die gegenwärtigen Immobilienmärkte können diese zeitgenössische Lebensformen und Bedürfnisse jedoch oft nicht bedienen. Die Kommunen sehen sich daher zunehmend mit einem direkten Beteiligungsanspruch ihrer Bürger beim Wohnungsbau konfrontiert. Diese treten dabei als Initiatoren, Investoren und Entscheidungsträger auf. Meist in Form von Eigentums- oder Genossenschaftsanteilen wird neuer Wohnraum geschaffen und auch selbst verwaltet. Die Idee des gemeinschaftlichen Bauens und Wohnens setzt dabei neue und hohe Maßstäbe – für die Lebensqualität ebenso wie für die Architektur und ein neues Verständnis von Urbanität und Besitz.
- Wie und warum bauen und wohnen immer mehr Menschen in Gemeinschaft?
- Welche Ausprägungen dieses Phänomens existieren und was können Architektur und Baukultur in diesem Zusammenhang leisten?
Fragen wie diesen geht eine neues Buch nach, das für die DAM-Ausstellung „Daheim. Bauen und Wohnen in Gemeinschaft“ entstanden ist: Es zeigt 26 in Deutschland und überwiegend im europäischen Ausland realisierte Bauten, die als Baugruppenprojekte, von Genossenschaften oder Wohnungsbaugesellschaften errichtet wurden und das breite Spektrum gemeinschaftlichen Wohnens in seinen individuellen Facetten beleuchten.
Klassische und moderne Lebensmodelle verbinden
Alle vorgestellte Projekte reagieren mit unterschiedlichen Konzepten auf veränderte Lebensentwürfe und vielfältige Standorte. Mit Hilfe von modernen Planungskonzepten und Bauprozessen werden Lösungen entwickelt, die unmittelbar auf die Wünsche und Anforderungen der Bewohner ausgerichtet sind. Dabei steht die Idee im Zentrum, in individuellen Wohnungen und zugleich gemeinschaftlich unter einem Dach zu leben, Nachbarschaft und Freundschaft zu pflegen sowie Raum und soziale Verantwortung zu teilen - Beispiele:
- Zanderroth Architekten setzen beim Projekt BIGyard in Berlin auf einen gemeinschaftlichen Hofgarten - siehe Foto von Michael Feser sowie Bing-Maps und/oder Google-Maps.
- Graupenraub+/- Architekten arbeiteten beim Wohn- und Integrationsprojekt VinziRast in Wien mit Studenten und obdachlosen Menschen zusammen - siehe Foto von Kurt Kuball sowie Google-Maps.
- Beim Künstlerhaus in Yokohama von ON Design Partners teilen sich vier Einzelapartments eine rund 70 m² große Küche, die gleichzeitig zum öffentlichen Ausstellungsraum werden kann. Sie reagieren so auf die hohen Grundstückspreise sowie die dichte Bebauung in japanischen Großstädten - siehe Foto von Koichi Torimura.
- Gemeinschaft findet beim Stadtblock Kalkbreite von Müller Sigrist Architekten in Zürich in Waschküche, Bibliothek, Dachgarten und Kantine statt - siehe Google-Maps sowie Google-Street-View:
In vertiefenden Essays werden Hintergrundinformationen zum gemeinschaftlichen Bauen und Wohnen gegeben: vom volkswirtschaftlichen Nutzen dieser Wohnformen über Fragen der Grundstücksvergabe bis hin zu sozialen Anliegen und rechtlichem Regelungsbedarf.
DAM-Kuratorin Annette Becker zur Reflektion der „sozialen Verantwortung“ in den ausgewählten Projekten: „Aktuell verursachen insbesondere die veränderten Familienstrukturen einen Wohnwandel. Wir beobachten eine enorme Individualisierung der Lebensformen; die traditionelle generationenübergreifende Familie vor Ort besteht immer seltener. Parallel dazu kommt es zu einer Rückbesinnung auf die Werte ,Gesellschaft‘ und „sich umeinander kümmern‘, ,Nachbarschaft‘ und ,Freundschaft‘ als soziale Netze. Und Wohnmodelle ,in getrennten Wohnungen‘ aber ,unter einem Dach‘ erscheinen attraktiv. Der Einzelne traut sich immer öfter zu, aktiv auf die eigene Lebenssituation einwirken zu können. In der Ausstellung gilt Elementen wie geteilten Räumlichkeiten, halböffentlichen Freiräumen oder Gemeinschaftsgärten unser besonderes Augenmerk. Solche Orte können das soziale Zusammenleben befördern, können integrieren und in Stadtquartiere hineinwirken. Das ist nicht zuletzt im Hinblick auf den demographischen Wandel erstrebenswert.“
- DAM-Ausstellung: Daheim – Bauen und Wohnen in Gemeinschaft
- Laufzeit: 12. September 2015 bis 28. Februar 2016
- Ort: DAM Deutsches Architekturmuseum
Schaumainkai 43, 60596 Frankfurt/Main (siehe Google-Maps, Bing-Maps, HERE)
Mitherausgeberin Kristien Ring zum erweiterten Berufsverständnis des Architekten und dem Gestaltungspotenzial, das im Planen mit Baugemeinschaften steckt: „Die Arbeit mit Baugruppen und Kooperativen erfordert ganz neue Arbeitsprozesse und architektonische Ziele. Manche Büros haben strenge Ablaufpläne zur Entscheidungsfindung entwickelt, um die Projekte koordinierbar zu halten und die Hoheit über die architektonische Gestaltung zu behalten. Andere Büros legen besonderen Wert auf einen offenen Diskussions- und Entscheidungsprozess beim Entwurf des Gebäudes, an dem jeder teilhaben soll. In allen Fällen schaffen Architekten jedoch mehr als reine Spekulationsobjekte zur Geldanlage: nämlich ein Zuhause und ein Netzwerk gemeinschaftlich genutzter, spezifischer Räume. Sie schaffen - teils hochkomplexe - Gemeinschaften. Sie sind also wieder mehr als nur Dienstleister, nämlich echte Architekten. Baugruppen und Kooperativen sind häufig sehr aufgeschlossen neuen Ideen gegenüber und investieren auch in neuartige, nachhaltige Konstruktionsarten. Sie zeichnen sich durch eine hohe Bereitschaft aus, alternative Wege zu beschreiten. In dieser Experimentierfreude und sozialen Interaktionsfähigkeit liegt der Schlüssel zu einer belastbaren, relisienten Zukunftsgestaltung; sie ist ein großer Gewinn für Architektur und Baukultur.“
Die bibliographischen Angaben zum Buch:
- Bauen und Wohnen in Gemeinschaft / Building and Living in Communities
- Ideen, Prozesse, Architektur / Ideas, Processes, Architecture
- Hrsg. / Edts.: Annette Becker, Laura Kienbaum, Kristien Ring, Peter Cachola Schmal
- mit Beiträgen von Tobias Behrens, Claudia Haas, Lotte Herwig, Falk Jaeger, Birgit Kasper, Reiner Nagel, Henning Scherf, Andrea Töllner, Pater Westerheide
- 2015, 240 Seiten, zahlreiche Abbildungen
- Sprache: Deutsch / Englisch
- ISBN: 978-3-0356-05648
- erhältlich u.a. bei Amazon
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- DAI: „Benötigen wir für jeden Winkel unseres Landes die gleichen Steuerungsinstrumente?“ (25.6.2017)
- Wohnungseigentümergemeinschaften gelten als Schlusslicht bei der energetischen Sanierung (20.6.2016)
- Urteile rund um den WEG-Verwalter (20.6.2016)
- Forschungsarbeit: Historische Stadtquartiere nachhaltig restaurieren (25.3.2016)
- Forschungsprojekt entwickelt Visionen einer „Gartenstadt 21“ (10.1.2016)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Neues BINE-Fachbuch zur Nutzerzufriedenheit in Bürogebäuden (16.8.2015)
- Kursbuch Bürgerbeteiligung (Bauletter vom 14.7.2015)
- „Timeless City Architecture“ über die Verwertbarkeit historischer Stadtarchitektur-Vorbilder (12.7.2015)
- Bestandsaufnahme von gemeinschaftlichen Wohnprojekten in Genossenschaften (11.1.2015)
- Verwaltercheckliste für (angehende) Wohnungseigentümer von VPB und DDIV (5.1.2015)
- Deutsches Architektur Jahrbuch 2014/15 mit dem DAM-Preis für Architektur in Deutschland (19.12.2014)
- DAM Architectural Book Award 2014 für die besten 10 Architekturbücher vergeben (24.9.2014)
siehe zudem:
- Architekturbücher bei Baubuch.de sowie Architektur-Magazin von Baulinks
- Literatur / Bücher zu den Themen Bauen und Architektur bei Baubuch / Amazon.de