Vor dem UN-Weltsiedlungsgipfel Habitat III: Gutachten zur „transformativen Kraft der Städte“
(18.9.2016) Im Vorfeld des UN-Weltsiedlungsgipfels Habitat III weist der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) auf die großen Herausforderungen der zunehmenden Urbanisierung hin. Im Gutachten „Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte“ betont der WBGU, dass sich in den nächsten Dekaden der Urbanisierung ein kurzes Gelegenheitsfenster öffne, „um die Weichen in Richtung Nachhaltigkeit zu stellen“ - siehe Drucksache 18/9590. In diesem Zusammenhang empfiehlt der Beirat eine Verkürzung des Habitat-Konferenzen-Rhythmus von 20 auf vier Jahre. Die jetzt anstehende Habitat-Konferenz findet vom 17. bis zum 20. Oktober in Ecuador statt. Auch solle das Thema „Urbanisierung und Transformation“ ein ständiger Tagesordnungspunkt der G20 werden.
Der WBGU stellt in seinem Gutachten eine Transformationsstrategie zur nachhaltigen und „am Menschen orientierten Gestaltung“ der Urbanisierung vor. Städten kommt darin eine besondere Schlüsselrolle zu, denn „der Umzug der Menschheit könnte der wirkungsmächtigste Prozess sozialen Wandels im 21. Jahrhunderts werden“.
Zur Erinnerung: Bis 2050 könnten bereits zwei Drittel der Weltbevölkerung, also etwa 6,5 Mrd. Menschen, in Städten leben. Heute sind es gerade mal 4 Mrd. Menschen. Die nachhaltige Stadtentwicklung braucht laut WBGU daher einen Paradigmenwechsel ...
- weg von Pfadabhängigkeiten und schrittweise erfolgenden Ansätzen
- hin zu transformativen Änderungen mit strategischem, langfristigen Blick auf die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit und die Schaffung von Urbanität, die menschliche Lebensqualität dauerhaft befördert.
Vor besonderen Herausforderungen stehen laut WBGU Schwellen- und Entwicklungsländer. Dort würden „staatliche und gesellschaftliche Belastungsgrenzen schneller erreicht“. Gleichzeitig werde der „große Urbanisierungsschub und der Aufbau neuer Siedlungen für 2,5 Mrd. Menschen bis 2050“ vor allem in ebensolchen Ländern in Asien und Afrika stattfinden. Nach Angaben des WBGU könnten so rund zwei Mrd. Menschen in informellen Stadtgebieten oder Slums unter prekären Lebensbedingungen landen. Die Entstehung solcher Siedlungen müsse vermieden werden.
„normativer Kompass“ und 5 Handlungsfelder
Der Wissenschaftliche Beirat hat für die „Transformation zur Nachhaltigkeit“ einen „normativen Kompass“ entwickelt. Denn man könne bei der nachhaltigen Stadtentwicklung nicht einfach einer „Blaupause“ folgen. Des Weiteren plädiert der WBGU für „eine stärkere Berücksichtigung polyzentrische Ansätze urbaner Entwicklung“. In dem Gutachten werden zudem fünf transformative, miteinander verknüpfte Handlungsfelder identifiziert:
- Dekarbonisierung, Energie und Klimaschutz,
- Mobilität und Verkehr,
- baulich-räumliche Gestalt von Städten,
- Anpassung an den Klimawandel sowie
- Armutsbekämpfung und sozioökonomische Disparitäten.
Hinsichtlich des Klimaschutzes müssten beispielsweise bis 2070 fossile CO₂-Emissionsquellen ersetzt werden, schreibt der WBGU. Ebenso müsse eine „Abkehr von einem Großteil der gängigen Infrastrukturmuster“ erfolgen, um die Temperaturerhöhung auf deutlich weniger als zwei Grad Celsius zu reduzieren.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Drucksache 18/9590 mit dem Gutachten „Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte“
- Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
- „Die New Urban Agenda – Konsequenzen für die Stadtentwicklung“ im IzR-Heft 3 (27.8.2017)
- Universitätsallianz Ruhr will erste Adresse für Metropolenforschung werden (25.6.2017)
- Kaum Wohnungsleerstand in Großstädten (6.12.2016)
- VBI definiert Städte als technische Systeme und fordert Mitwirkung bei der Stadtplanung (20.11.2016)
- Baukulturbericht 2016/17 „Stadt und Land“ erschienen (und downloadbar) (6.11.2016)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Bäume transpirieren für kühlere Städte - allerdings abhängig vom jeweiligen Umfeld (16.9.2016)
- Maximale Verdunstungsleistung vom Klima-Gründach zur Kühlung von Städten (16.9.2016)
- Panasonic beteiligt sich am deutschen Smart City-Projekt „Future Living Berlin“ (4.9.2016)
- BBSR-Themenheft „Straßenbahnen und Stadtentwicklung“ (21.8.2016)
- Capital: Deutsche ziehen aus den Städten wieder vermehrt ins günstigere Umland (21.8.2016)
- „Urbanes Gebiet“: Bauministerium plant neue Baugebietskategorie (3.7.2016)
- Bericht „Urban sprawl in Europe“: Die Zersiedelung in Europa nimmt weiter zu (3.7.2016)
- Verkehr in Städten bis 2030 emissionsfrei? (Bauletter vom 30.6.2016)
- Landflucht: Studie zeigt, was Jugendlichen einen Verbleib in der Region erleichtern könnte (8.5.2016)
- Wie ernähren wir die Städte? (Bauletter 24.1.2016)
- tudie: „Von Science-Fiction-Städten lernen“ (24.1.2016)
- 50 Ideen für nachhaltige Städte vom Fraunhofer-Netzwerk „Morgenstadt – City Insights“ (20.10.2013)
siehe zudem:
- Stadtplanung, öffentliche Hand und Verbände auf Baulinks
- Literatur / Bücher zu den Themen Bauwirtschaft, Immobilien sowie Architekt und Wirtschaft bei Amazon