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Landflucht: Studie zeigt, was Jugendlichen einen Verbleib in der Region erleichtern könnte

(8.5.2016) Kein Jugendtreff, kein Bus nach 17 Uhr, kaum WLAN oder wohnortnahe Gymnasien, wenige Lehrstellen. Im Vergleich zu den Altersgenossen in der Stadt fühlt sich die Landjugend vielfach benachteiligt. Die jugendliche Landflucht betrifft nicht nur den Osten Deutschlands, sondern hat längst struktur­schwache Gegenden in Westdeutschland erreicht. Das Team des DJI-Projekts „Jugend im Blick - Regionale Bewältigung de­mografischer Entwicklungen“ befragte junge Menschen auf dem Land sowie politische Entscheidungsträger und stellt Op­tionen für ein gemeinsames Handeln von Kommunen, Ländern und Bund.

„Es gibt nur wenige Studien, die die Perspektiven von Jugend­lichen auf dem Land in den Fokus nehmen“, erinnert Dr. Birgit Reißig, Leiterin des For­schungsschwerpunkts „Übergänge im Jugendalter“ am Deutschen Jugendinstitut (DJI) und Mitautorin der Studie. In strukturschwachen Regionen Westdeutschlands bahne sich inzwischen eine vergleichbare Situation wie in ländlichen Gegenden Ostdeutsch­lands an. Die Studie untersuchte deshalb drei Kreise in West- und fünf Kreise in Ost­deutschland, die unterschiedlich auf die demografische Entwicklung reagieren:

  • Birkenfeld in Rheinland-Pfalz,
  • Wunsiedel im Fichtelgebirge in Bayern und
  • der Werra-Meißner-Kreis in Hessen sowie
  • der Kyffhäuserkreis in Thüringen,
  • Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt,
  • Prignitz in Brandenburg und
  • Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Gründe, warum vor allem Jugendliche zwischen 18 und 22 Jahren ihre Heimat verlassen, sind demnach vielfältig - dazu zählen ...

  • schlechte Ausbildungs- und Jobperspektiven,
  • drohende Arbeitslosigkeit,
  • eingeschränkte Mobilität,
  • verkrustete Strukturen in den Gemeinden,
  • fehlende politische Mitspracherechte sowie
  • die nicht vorhandene digitale Erreichbarkeit.

Jugendliche schätzen das Landleben durchaus

Gleichwohl erleben viele Landjugendliche ihre Heimat durchaus positiv: Sie schätzen den familiären Umgang in vertrauter Umgebung, lieben die Natur und fühlen sich si­cherer als in der Stadt - allerdings nur, wenn das Gefühl von Benachteiligung und En­ge nicht überwiegt. „Landjugendliche haben ein sehr unterschiedliches Freizeitverhal­ten, das mit dem Wunsch, die Region zu verlassen, korreliert“, erklärt Sarah Beierle, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt. Insgesamt unterscheidet die Studie vier verschiedene Freizeittypen:

  • Typ Wochenend-Freizeiter: besucht meist eine Ganztagsschule, feiert am Wochenende in der nächsten Großstadt durch und freut sich, wenn er nach der Schule seine Heimat verlassen kann.
  • Typ Jugendeinrichtungs-Nutzer: verabredet sich mit seiner Peer-Group im Jugendtreff oder am See, fürchtet die Stadt und möchte in der Region bleiben.
  • Typ Alles-in-kurzen-Distanzen-erreichbar: nutzt wohnortnah Schule, Verei­ne und Jugendeinrichtungen; verlässt aber für eine gute Ausbildung oder Job gern die Heimat. Eine Rückkehr wird nicht ausgeschlossen.
  • Typ Mehrfach-Engagierter: ist im Sportverein wie in der Jugendband aktiv, gut integriert, verfügt in Familie und Freundeskreis über Unterstützung und kann sich ebenfalls vorstellen, später in die Region zurückzukommen.

Was passieren muss, damit Jugendliche in der Region bleiben

„Viele junge Menschen auf dem Land fühlen sich nicht ernst genommen, weil sich Frei­zeitangebote, Fahrpläne von Bussen und Zügen und die Möglichkeiten nach politischer Teilhabe an Älteren orientieren“, so der Projektleiter Frank Tillmann. Langfristig ließe sich die Lebensqualität deutlich verbessern, wenn beispielsweise ...

  • Kommunen einen kostenlosen Breitband-Internet-Hotspot in Dorf und Schulbus zur Verfügung stellten,
  • Fahrradwege ausgebaut würden,
  • Ganztagsschulen, Vereine und Kirchen ihre Räume für Jugendliche nach 17 Uhr öffneten und
  • die interkulturelle Jugendarbeit gestärkt würde.

Auch empfiehlt die Studie andere Formen jugendlicher Mitbe­stimmung. „Mit endlosen Gemeindesitzungen, in denen die Schließung des Jugendtreffs gegen 22 Uhr verhandelt wird und der Jugendvertreter nicht mehr nach Hause kommt, weil kein Bus fährt, locken sie niemanden mehr hinter dem Ofen hervor“, konstatiert Frank Tillmann.

Entscheidend sei es ferner, Ausbildungs- und Berufsperspektiven zu verbessern, indem ...

  • sich Kleinstbetriebe zu Ausbildungsverbünden zusammen­schlössen,
  • es eine mobile Bildungsberatung für Rückkehrwillige gäbe und
  • transparentere Informationen über freie Lehrstellen und Jobs in der Region verfügbar wären.

Damit strukturschwache Regionen langfristig für junge Menschen attraktiv bleiben und werden, bedarf es einer langfristigen abgestimmten Unterstützung von Kommu­nen, Land und Bund – so ein zentrales Ergebnis der Studie, die von der Beauftrag­ten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer gefördert und finanziert wurde.

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