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„Urban Emotions“: Methoden, um Emotionen in die Stadtplanung einbeziehen zu können

(15.9.2014) Unsichere Radwege, Stress durch Verkehrsstaus, Angst in Unterführun­gen - in modernen Städten gibt es viele belastende Faktoren für die Einwohner. Eine nachhaltige Stadtgestaltung sollte nach Ansicht von Experten deshalb emotionale Re­aktionen der Bürger auf ihre Umwelt miteinbeziehen.

Im interdisziplinären Forschungsprojekt „Urban Emotions“ entwickeln Wissenschaftler der Universitäten Heidelberg und Kaiserslautern Methoden, um mit nutzergenerierten Daten Auskunft über solche Gefühle zu erhalten. Die Daten sollen zeigen, ...

  • wie Bürger ihre Stadt nutzen,
  • wo sie sich wohlfühlen und
  • durch welche Gegebenheiten problematische Situationen entstehen können.

Die Forscher werten öffentlich zugängliche Daten aus sozialen Netzwerken aus und testen für ein geeignetes Instrumentarium die Möglichkeiten des „People as Sensors“-Konzepts, mit dem automatisiert Emotionen und Stresslevels gemessen werden. Da­zu werden Testpersonen mit Armbanduhr-ähnlichen Sensoren ausgestattet.

„Mit den Sensoren können wir die Hautleitfähigkeit, die Körpertemperatur und die Herzfrequenzvariabilität messen, die sich ändern, wenn sich beispielsweise jemand erschrickt“, erklärt Dr. Bernd Resch. Der Geoinformatiker vom Geographischen Insti­tut der Universität Heidelberg leitet das Forschungsprojekt zusammen mit Dr. Peter Zeile vom Fachbereich Raum- und Umweltplanung an der Technischen Universität Kaiserslautern. Die Messdaten ermöglichen Rückschlüsse darauf, wo es Stress aus­lösende Verkehrspunkte und somit Verbesserungsbedarf gibt - etwa auf Radwegen, die Radfahrer immer wieder in gefährliche Situationen bringen. „Mit den Sensoren lässt sich auch das subjektive Sicherheitsempfinden erfassen, zum Beispiel in einer Unterführung. Damit können wir überprüfen, ob ein ‚Angstraum‘ vorliegt und wie mit diesem im Idealfall planerisch umgegangen werden soll“, erklärt Bernd Resch. Die Da­ten sollen aber auch Aufschluss geben über Stress, der durch Lärm oder Hitze verur­sacht wird, oder über die positive Wirkung städtischer Gestaltungsmaßnahmen wie Grünanlagen als Entspannungsräume.

Zusätzlich zu den Messdaten werten die Forscher öffentlich zugängliche Daten aus sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook, Flickr oder Instagram aus. „Dort steht uns eine große Menge an subjektiven nutzergenerierten Daten zur Verfügung - eine bestens geeignete Datenquelle in einem Projekt, in dem wir auf die persönlichen Emp­indungen von Menschen abzielen“, betont Dr. Resch. Auf diese Weise wollen die Wis­senschaftler ihre Ergebnisse validieren, indem überprüft wird, ob gemessene Empfin­dungen mit subjektiven Einschätzungen in sozialen Medien übereinstimmen. „Da bei der Auswertung dieser Daten nicht nur der Ort des Geschehens wichtig ist, sondern auch die Semantik der Aussagen, arbeiten wir hier in einem neuartigen Forschungs­ansatz auch mit der Computerlinguistik zusammen“, erklärt der Geoinformatiker. „Da­bei soll der Computer Emotionen kontextbezogen erkennen, so dass die Planer diese besser auswerten können.“

Mit dem „Urban Emotions“-Projekt wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie sich bisher nicht identifizierbare dynamische Vorgänge in der Stadt über Emotionsinforma­tionen erfassen und beeinflussen lassen. „Unsere Vision ist es, dass hier ein System entsteht, in dem die Bürger in die Raumbeobachtung aktiv mit einbezogen werden. Sie sollen helfen, eine andere Form der Raumwahrnehmung zu generieren und so auch ei­ne neue Sichtweise auf die Stadt als eine Art ‚Organismus‘ zu entwickeln“, erklärt Dr. Zeile. Dazu untersuchen die Wissenschaftler, wie Emotionsinformationen am besten gewonnen werden können, wie belastbar diese Daten sind und wie sie so aufbereitet werden können, dass sie im Stadtplanungsprozess nutzbar sind. „Diese neuen kreati­ven Methoden können im Erfolgsfall eine wertvolle Ergänzung der traditionellen Stadt­planung sein“, sagt Dr. Resch.

Wissenschaftliche und technische Unterstützung erhalten die Wissenschaftler aus Heidelberg und Kaiserslautern vom Center for Geographic Analysis der Harvard Uni­versity und dem Civic Data Design Lab des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) sowie den Research Studios Austria – iSPACE in Salzburg.  Das Forschungsprojekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

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