Wohnungsbaugesellschaft abgemahnt wegen Etikettenschwindel mit „Barrierefreiheit“
Foto: BSK (vergrößern)
(9.11.2014) Welche Folgen wenig sattelfeste Werbeversprechen nach sich ziehen können, bekam jetzt die Saarbrücker gemeinnützige Siedlungsgesellschaft GmbH (SGS) zu spüren. Die SGS wurde aktuell wegen „irreführender Werbung“ abgemahnt, weil sie seit einigen Monaten auf ihrer Internetseite und in Werbebroschüren die Vermietung von 96 angeblich „barrierefreien“ Wohnungen in einem Stadtteil von Saarbrücken bewirbt. Die Abmahnung erfolgte auf Initiative des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) der als anerkannter Verbraucherschutzverband für seine Mitglieder und Verbraucher allgemein aktiv wurde.
Bereits im Mai hatten Vertreter des saarländischen Landesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter zusammen mit der Gesamtbehindertenbeauftragten der Stadt Saarbrücken, Dunja Fuhrmann, sowie dem BSK-Experten für barrierefreies Bauen, Bernd Eichenseer, zwei Musterwohnungen in der beworbenen Wohnanlage der SGS begutachtet. Dabei wurden zahlreiche Mängel festgestellt, die nicht mit der DIN 18040-2 (Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 2: Wohnungen) zu vereinbaren sind:
- Stolperfallen im Sanitärbereich,
- nur einseitige Umsetzbarkeit zur Toilette,
- zu enger Flurbereich,
- keine Möglichkeit der Fensteröffnung und kein Blick aus dem Fenster für Menschen im Rollstuhl aus Sitzposition,
- keine Bedienung des Sicherungskastens aus Sitzposition sowie
- eine Versperrung des Wohnbereiches beim Öffnen der Badezimmertür.
Barrierefrei, barrierearm, rollstuhltauglich oder seniorenfreundlich?
Für den BSK sind diese Wohnungen eindeutig Etikettenschwindel: „Der Begriff ,Barrierefrei’ ist in der DIN-Norm 18040 klar definiert. Wer damit wirbt, obwohl die entsprechenden Anforderungen nicht erfüllt sind, handelt unlauter“, betont Uwe Wagner, ehrenamtlicher Vorsitzender der Landesvertretung Selbsthilfe Körperbehinderter Saarland. Für ihn und sein Team sind auch Begriffe wie „barrierearm“, „rollstuhltauglich“ oder „seniorenfreundlich“ irreführend, da sie beim Verbraucher die Vorstellung von echter Barrierefreiheit wecken, die aber tatsächlich nicht gegeben ist. „Es fehlt hier an allen Ecken und Enden an barrierefreiem Wohnraum für Menschen mit Mobilitätsproblemen. Wir haben ständig Anfragen von betroffenen Menschen nach barrierefreiem Wohnraum“, stellt Wagner fest.
Für die Umbaumaßnahmen in den 96 Wohnungen auf dem Eschberg wurden zudem Fördergelder von mehreren Millionen bewilligt. „Mit diesem Geld hätte die SGS tatsächlich barrierefrei nach der DIN-Norm bauen können. Diese Chance ist allerdings vertan. Die vielen Wohnungssuchende mit Behinderung in Saarbrücken müssen sich verschaukelt vorkommen“, ärgert sich Wagner.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Bundesregierung: 2,7 Millionen altersgerechte Wohneinheiten würden benötigt (9.3.2015)
- Anteil der Single-Haushalte liegt bei 37% (25.2.2015)
- Arbeitsgruppe „Altersgerechter Umbau im Quartier“ nimmt seine Arbeit auf (23.2.2015)
- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt (mehr) barrierefreie Arztpraxen (19.12.2014)
- Handel mit großen Wohnungsbeständen - von über 800 Wohneinheiten - wächst (7.12.2014)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Zuschussvariante ergänzt seit 1.10. das KfW-Kreditprogramm „Altersgerecht Umbauen“ (6.10.2014)
- Ratgebermagazin „FreiRäume 2014/2015“ mit vollständig abgedruckter DIN 18040-2 (14.9.2014)
- INSA-Studie 50+: Akzeptanz von Treppenliften auf einem guten Weg (5.9.2014)
- Altersgerechter Wohnraum: 50 Mrd. Euro Investitionsbedarf bis 2030 - laut Prognos (3.8.2014)
- „ready“: Handbuch für die flexible Anpassung von Wohnungen veröffentlicht (13.7.2014)
- Neuer VPB-Leitfaden zum barrierearmen Planen und Bauen (1.6.2014)
- Barrierefrei bedeutet mehr als rollstuhlgerecht (2.12.2013)
- „Altersgerecht umbauen“ jenseits der DIN 18040 (20.10.2013)
siehe zudem: