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Studie: Wie die Baubranche mit vorhandenen Kapazitäten mehr und günstiger Wohnraum schaffen könnte

(26.4.2023) Kaum eine Branche unterliegt so strengen gesetzlichen Auflagen und Vorschriften wie die deutsche Baubranche. Zudem ist die Anzahl der unterschiedlichen Akteure und Gewerke, die an einem Bauprojekt beteiligt sind, immens hoch und fast jedes Gebäude ist ein individuelles Einzelstück. Aus diesen Gründen ist die Produktivitätsentwicklung im Baugewerbe vergleichsweise niedrig. „Die Steigerung der Produktivität entlang der Wertschöpfungskette des Bauens ist einer der Schlüssel, um mehr Wohnraum in Deutschland zu schaffen und Kosteneinsparpotenziale zu erschließen. Indem wir jedes Gebäude wie bisher von Grund auf neu planen und neu bauen, verschwenden wir vorhandene Ressourcen. Das Bauen der Zukunft muss deutlich digitaler, standardisierter und damit kosteneffizienter werden“, fordert Steffen Mechter, Leiter Geschäftsbereich Bau der BayWa AG und Co-Autor der Studie.

Doch trotz des hohen Veränderungsdrucks, etwa durch Fachkräftemangel und Inflation, liegen erhebliche Leistungspotenziale brach: „Wenn die Baubranche die bestehenden Möglichkeiten der industriellen Vorfertigung von Bauteilen, der digitalen Vernetzung und des seriellen Bauens intensiver nutzt, kann sie mit den bestehenden Ressourcen bis zu 15% mehr Gebäude errichten und gleichzeitig 10% der Kosten einsparen,“ ist Axel Schäfer, Partner der Strategieberatung EY-Parthenon, überzeugt.

Bild: destatis; EY-Parthenon-Analyse 

Industrielle Vorfertigung – Bauteile aus der Fabrik

Der wirkungsvollste Hebel für eine Produktivitätssteigerung im Hochbau ist laut Studie die industrielle Vorfertigung. Wenn Arbeitsschritte von der Baustelle in eine Fabrikhalle verlagert und dort Bauteile in optimierten und zum Teil automatisierten Prozessen erstellt werden, lassen sich viele Arbeitsschritte verkürzen und vereinfachen – mit klarer Ersparnis von Kosten und Zeit. 

Dabei kann industrielle Vorfertigung unterschiedliche Formen annehmen: Angefangen bei vormontierten Baugruppen bis zum Bau von vorab komplett ausgestatteten Raummodulen inklusive technischer Ausstattung. „Beim elementbasierten Bau lassen sich beispielsweise bei einem Mehrfamilienhaus mit etwa 25 Wohneinheiten bis zu 15% der Kosten einsparen,“ erläutert Björn Reineke, Partner bei EY-Parthenon. Aber elementbasiertes Bauen hat noch weitere Vorteile: Prozesse können unabhängig von Witterungsbedingungen durchlaufen, die hohe Fragmentierung der Arbeitsteilung wird zum Teil aufgehoben. Und ein hoher Grad an Vorfertigung mindert die Fehlerquote, verhindert Verzögerungen und macht den Betrieb auf der Baustelle effizienter und sicherer. Zeitlich kann die Verlagerung eines Teils der Wertschöpfung in die Werkshalle den Bauprozess sogar um bis zu 30% verkürzen.

In Deutschland erwarten die Autoren der Studie insbesondere bei Mehrfamilienhäusern einen deutlichen Wachstumsschub beim elementbasierten Bauen. Die Zahl der Technologien und Anbieter steigt in diesem Segment.

Bild: destatis; EY-Parthenon-Analyse 

Beim optimierten Bauprozess, beispielsweise gestützt durch BIM und nach Lean-Prinzipien, wird ein Teil der Entscheidungen in die Planungsphase vorverlagert. Dadurch nimmt zwar die Planung mehr Zeit in Anspruch, die Bauphase wird aber verkürzt. Bis zu 15% Zeitersparnis sind möglich, was je nach Bauwerk mehreren Monaten entspricht. Die optimierte Planung vermindert auch nachträgliche Plananpassungen, die häufig einen hohen Abstimmungsbedarf zwischen den Gewerken und somit Verzögerungen nach sich ziehen. Und Plananpassungen kosten nicht nur Zeit, sondern auch Geld: 10 bis 20% Zusatzkosten müssen bei heutigen Bauprozessen zu den ursprünglich kalkulierten Kosten angenommen werden. Beim Bau eines Mehrfamilienhauses mit rund 20 bis 30 Einheiten können diese Zusatzkosten durch den optimierten Bauprozess um bis zu 50% reduziert werden, im Verhältnis zu den Gesamtkosten also um bis zu 10%.

Bild: destatis; EY-Parthenon-Analyse 

Serielles Bauen: Einmal geplant – vielfach gebaut

Der dritte wichtige Produktivitäts-Hebel ist die serielle Herstellung, wie sie beispielsweise von der Automobilindustrie bekannt ist. Dieses Prinzip kann auch im Baugewerbe funktionieren, allerdings nur in bestimmten städtebaulichen Situationen und in begrenztem Rahmen. Voraussetzung sind größere zu bebauende Flächen, die ein Investor entwickelt und bebaut. Es erfolgt eine einmalige Planung der Gebäude, die dann mehrfach gebaut werden. Individuelle Abweichungen sind möglich, aber nur in begrenztem Umfang. Vor allem für Siedlungen mit Ein- oder Mehrfamilienhäusern ist serielles Bauen anwendbar und bereits erprobt, sowohl im ländlichen Raum als auch in Städten.

Der dabei entstehende Wohnraum muss dabei keineswegs monoton oder langweilig sein. Neben dem deutlich geringeren Aufwand für die Planung lassen sich beim seriellen Bauen auch Skaleneffekte über den Einkauf großer Materialmengen erzielen. Die parallele Umsetzung des Bauprojekts ermöglicht zudem eine Prozessoptimierung, weil bei Verzögerungen Ausweichmöglichkeiten bestehen und Lerneffekte sofort übertragen werden können. Insgesamt können dabei bis zu 10% der Kosten gegenüber individueller Bebauung eingespart werden.

Die Studie „Ausbaufähig – wie die Baubranche ihre Potenziale entfalten kann“ steht hier kostenlos zum Download bereit.

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