Abschlussbericht 2½ Jahre Velux LichtAktiv Haus in Hamburg
(13.7.2014) Hohe Wohnzufriedenheit bei den Bewohnern und eine im Großen und Ganzen gute Performance von Gebäude und Technik - dies sind die wichtigsten Ergebnisse des zweieinhalbjährigen, wissenschaftlich begleiteten Wohnexperiments im Velux LichtAktiv Haus. Damit bestätigt die in dieser Form erstmals durchgeführte interdisziplinäre Untersuchung eines als Nullenergiehaus konzipierten Gebäudes die theoretischen Planungen und Berechnungen des von Velux im Rahmen des internationalen Model Home 2020 Experiments modernisierten typischen Siedlerhauses aus den 50er Jahren.
„Mit unserem auf zweieinhalb Jahre angelegten Wohnexperiment im LichtAktiv Haus wollten wir zeigen, dass bereits mit den heute verfügbaren Kenntnissen und Baumaterialien CO₂-neutrale Gebäude errichtet werden können, ohne dabei Kompromisse bei Wohnqualität einzugehen“, erklärt Dr. Sebastian Dresse, Geschäftsführer Velux Deutschland GmbH. „Die nun vorliegenden Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung bestätigen unsere Annahmen grundsätzlich und zeigen, dass sich höchster Wohnwert und eine komfortable Nutzung erneuerbarer Energien auch bei der Modernisierung von Bestandsgebäuden verwirklichen lassen.“
So liegen die regenerativen Energieerträge durch die Photovoltaik-Module und Solarthermie-Kollektoren über den Erwartungen. Auch Wohnkomfort und Raumklima überzeugten: Die behaglichen Raumtemperaturen sowie das viele Tageslicht und die frische Luft im Haus werden von allen Mitgliedern der im Dezember 2011 eingezogenen Testfamilie als äußerst positiv empfunden. Die Testfamilie fühlt sich in ihrem modernisierten, tageslichtdurchfluteten Eigenheim auf Zeit sogar so wohl, dass sie das LichtAktiv Haus kaufen und dort wohnen bleiben möchte.
Wärmepumpensystem trübte die Bilanz
Einzig der zu hohe Stromverbrauch des eingesetzten Wärmepumpensystems trübt die positive Bilanz. Er lag auch 2013 über den theoretischen Berechnungen, so dass das Ziel „Nullenergie“ im modernisierten Siedlerhaus nicht erreicht werden konnte. Simulationen der TU Braunschweig mit einem alternativen Wärmepumpensystem haben jedoch ergeben, dass die ursprünglich kalkulierten Verbrauchswerte nicht nur eingehalten, sondern sogar unterschritten werden könnten. Aus diesem Grund ist geplant, die installierte Wärmepumpe im Verlauf des Sommers (gegen eine neue von Stiebel Eltron) auszutauschen und die Verbrauchswerte des neuen Systems für ein weiteres Jahr zu erfassen und auszuwerten.
Sozialwissenschaftliches Monitoring
Parallel zu den physikalischen Messungen haben Soziologen der Humboldt-Universität zu Berlin die Erfahrungen der LichtAktiv Haus-Bewohner untersucht. Ziel des Wissenschaftsteams war es, das Gebäude von der Nutzerperspektive her zu evaluieren und so einen Bezug zwischen wahrgenommenem Komfort und Wohlbefinden der Testfamilie und den quantitativen Messwerten herzustellen. Gleichzeitig sollten die Untersuchungen im LichtAktiv Haus auch dazu dienen, mehr über die subjektive Wahrnehmung und Beurteilung von Wohnkomfort zu erfahren und ein standardisiertes Messinstrument zu dessen Erfassung zu entwickeln.
Hierfür wurde Wohnkomfort als mehrdimensionales Konstrukt konzeptualisiert und in Anlehnung an das Einstellungsmodell von Rosenberg und Hovland (1966) zwischen ...
- einer affektiven (Fühlen),
- einer kognitiven (Denken) und
- einer konativen (Handeln) Komponente unterschieden.
Für die Datenerhebung wurde auf eine Reihe gängiger Instrumente aus der empirischen Sozialforschung zurückgegriffen - von persönlichen Interviews über Fragebögen bis hin zur Möglichkeit der Bewohner, ihre Erfahrungen in einem Logbuch festzuhalten. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse konnten die Wissenschaftler der Humboldt Universität mittels Skalentests und Faktorenanalysen zehn relevante Dimensionen des Wohnkomforts ermitteln.
Beschrieben werden können diese mit „emotionaler Verbundenheit“, „Größe“, „Modernität“, „Helligkeit“, „Nachbarschaft“, „Temperaturregulierung“, „Energieverbrauch“, „Feuchtigkeit“, „Schlafbedingungen“ und „Belüftung“. Damit hat das Wissenschaftsteam einen großen Schritt hin zu einem standardisierten Messinstrument zur Erfassung des Wohn-Wohlbefindens gemacht. So ein Erhebungsinstrument ist die Voraussetzung, um zum Beispiel mit Hilfe allgemeiner Bevölkerungsumfragen Aussagen zum Wohlbefinden von Bewohnern energieeffizienter Gebäude machen zu können und diese mit den Ergebnissen aus anderen Wohnumgebungen vergleichen zu können. In einem nächsten Schritt soll nun das entwickelte Instrument in einer größeren Untersuchung getestet und angewendet werden.
Die Ergebnisse des physikalischen Monitorings im Überblick
Im Rahmen des Wohnexperiments wurden seit Januar 2012 kontinuierlich alle Daten zu Energieerzeugung und -verbrauch sowie das Außenklima und die entsprechenden Innenraumwerte quantitativ erfasst und dokumentiert. Im Einzelnen lassen sich folgende Ergebnisse festhalten:
Innenraumklima und Luftqualität
Die
Raumtemperaturen betragen im Mittel 22 bis 23°C und sorgen ganzjährig
für Behaglichkeit. Außerdem gewährleistet die natürliche Querlüftung
in den Sommermonaten auch bei Außentemperaturen von annähernd 40°
C noch Temperaturen von 25 bis 28° C im Gebäudeinneren, die aufgrund
der Luftbewegung als angenehm empfunden werden. Die relative
Raumluftfeuchte ist insbesondere in der Heizperiode im guten Bereich. Im Sommer ist die Luft manchmal etwas zu feucht, was zu
einer leichten Einschränkung der Behaglichkeit führen kann. Die
Luftqualität (CO₂-Gehalt) ist überwiegend gut, im Sommer besser,
im Winter etwas schlechter. Zurückzuführen ist das einerseits
darauf, dass die Bewohner die automatische Fensteröffnung in der
Nacht abschalten. Zudem wird im Winter hin und wieder die
Automatik deaktiviert, um Zugerscheinungen beispielsweise beim
Fernsehen zu verhindern.
Wärmebedarf
Der Heizwärmebedarf im Gebäude ist geringer als vorausberechnet – und
das, obwohl die Innenraumtemperatur im Winter durchschnittlich
rund zweieinhalb Grad über den nach Norm kalkulierten Werten lag.
Dieses Ergebnis zeigt, dass ein niedriger Energieverbrauch auch
mit einer bedarfsgerechten natürlichen Lüftung ohne
Wärmerückgewinnung erzielt werden kann.
Trinkwarmwasserbereitung
Der Anteil der
Trinkwarmwasserbereitung am Gesamtwärmeverbrauch ist sehr gering.
Insgesamt liegt der Verbrauch deutlich unter der Kalkulation und
zeigt, dass die Bewohner sparsam mit Warmwasser umgehen. Der
Warmwasserverbrauch liegt bei etwa 15 Litern pro Person und Tag.
Solarthermie und Geothermie
Die solarthermische Anlage ist mit ca. 19 m²
deutlich überdimensioniert. Die nicht nutzbaren bzw. im
Wasserspeicher nicht speicherbaren Erträge wurden ursprünglich
über die Außeneinheit der Wärmepumpe abgeführt. Im Laufe des
Jahres 2013 sind zwei Doppel-U-Erdsonden mit einer Länge von
jeweils 50 Metern in die Gebäudeversorgung eingebunden worden.
Hierdurch ist es nun möglich, bei hohen Speichertemperaturen das
Erdreich als Wärmesenke bzw. -speicher zu nutzen. Dadurch entfällt
einerseits der Stromverbrauch, der bislang für die Rückkühlung der
solarthermischen Überschüsse notwendig war. Zudem kann nun im
Winter eine höher temperierte Wärmequelle als die Außenluft
genutzt werden, was ebenfalls zu einer Reduzierung des
Stromverbrauchs führt.
Photovoltaik
Der Jahresertrag der
Photovoltaik-Anlage lag 2013 10 Prozent über den berechneten Werten und mit 7.692
kWh auf dem Niveau von 2012. Der regenerative Deckungsanteil am
Gesamtstromverbrauch durch die PV-Anlage betrug 56 Prozent
(Endenergie) bzw. 66 Prozent (Primärenergie). Die Verringerung des
regenerativen Deckungsanteils gegenüber 2012 ist auf den nochmals
gestiegenen Verbrauch der Anlagentechnik sowie das Elektrofahrzeug
als zusätzlichen Verbraucher zurückzuführen.
E-Mobilität
Seit Februar 2013 ergänzt ein Elektroauto das Wohnexperiment und
erhöht die Eigennutzungsquote der solar gewonnenen elektrischen
Energie. Die gemessenen Daten belegen eine regelmäßige Nutzung
des Fahrzeugs. Insgesamt wurde das Auto mit 2.816 kWh Strom am Haus
geladen. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 17,8 kWh pro
100 Kilometer entspricht das einer Fahrleistung von etwa 15.800
Kilometern.
Wasserverbrauch
Der Verbrauch an
Frischwasser ist mit etwa 85 Litern pro Person und Tag gering im
Vergleich zum Bundesdurchschnitt in Höhe von ca. 120 Liter
Frischwasserverbrauch pro Person und Tag. Dies ist unter anderem
auf Regenwassernutzung zurückzuführen, durch die ca. 30 Prozent
der Frischwassermenge eingespart werden.
Energieperformance
Das Ziel
„Nullenergiehaus" wurde in 2013 nicht erreicht. Dieses ist vor
allem darauf zurückzuführen, dass die Anlagentechnik deutlich mehr
Strom verbraucht als kalkuliert. Die Abweichungen des gemessenen
Stromverbrauchs der Anlagentechnik gegenüber dem nach EnEV
kalkulierten Verbrauch betragen etwa 65 Prozent. Auch nach einer
Normalisierungsberechnung des Verbrauchs, mit deren Hilfe
abweichende Raumtemperaturen und Witterungsbedingungen gegenüber
der EnEV-Auslegung bereinigt werden, lag der Stromverbrauch der
Anlagentechnik etwa 48 Prozent über der ursprünglichen Kalkulation.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- velux.de/lichtaktivhaus
- LichtAktiv Haus Blog
- Velux Deutschland GmbH
- TU-Darmstadt, Fachbereich Architektur, Institut Entwerfen und Energieeffizientes Bauen
- Fachbeitrag von Dipl.-ing Joost Hartwig zum Thema Ökobilanz
- Ökobilanz des LichtAktiv Hauses von Velux (30.6.2011)
- Videobeitrag zur Ökobilanz am Beispiel des LichtAktiv Hauses von Velux (23.1.2012)
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- Project Energye - eine Stiebel Eltron-Initiative für das Haus der Zukunft (3.4.2013)
- Sustainia Award: Model Home 2020 gehört zu den 100 nachhaltigsten Projekten... (21.10.2012)
- Effizienhaus Plus in Berlin eröffnet … von Stuttgarter Forschern geplant (7.12.2011)
- Ökobilanz des LichtAktiv Hauses von Velux (30.6.2011)
- VELUX Model Home 2020: LichtAktiv Haus in Hamburg eröffnet (28.11.2010)
siehe zudem:
- Plusenergiehaus, Wärmepumpe, Photovoltaik, Solarstromspeicher, Warmwasserspeicher im Erneuerbare Energien-Magazin von Baulinks
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