Abschlussbericht der Reformkommission „Bau von Großprojekten“ und erste Reaktionen
(29.6.2015) Die
2013 vom damaligen BMVBS-Minister Peter Ramsauer
eingesetzte Reformkommission „Bau von Großprojekten“ kam heute (29.6.) unter
Leitung des aktuellen
BMVI-
Die Reformkommission Großprojekte hat den gesamten Bauprozess von der ersten Projektidee über den Planungsvorgang, das Vergabeverfahren, den Bau bis zum Betrieb untersucht. Dabei wurden Ursachen für Kosten- und Terminüberschreitungen identifiziert, Lösungsvorschläge entwickelt, Handlungsempfehlungen abgeleitet und ein „10-Punkte-Aktionsplan“ aufgestellt:
- Nutzung digitaler Methoden - Building Information Modeling (BIM)
- Erst planen, dann bauen
- Risikomanagement und Erfassung von Risiken im Haushalt
- Stärkere Transparenz und Kontrolle
- Kooperatives Planen im Team
- Vergabe an den Wirtschaftlichsten, nicht den Billigsten
- Partnerschaftliche Projektzusammenarbeit
- Außergerichtliche Streitbeilegung
- Verbindliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
- Klare Prozesse und Zuständigkeiten/Kompetenzzentren
BIM als zentrales Werkzeug
Eine Empfehlung der Reformkommission ist es, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Die Methodik des digitalen fünfdimensionalen Planens - drei Dimensionen plus Kosten und Termine - wird mit BIM umschrieben (Building Information Modeling). Sie nutzt gegenüber herkömmlichen computergestützten Planungs-Modellen deutlich mehr Informationen, vernetzt diese und schafft so eine synchronisierte Datenbasis, auf die alle am Projekt Beteiligten zugreifen können.
Das BMVI begleitet BIM aktuell in vier Pilotprojekten, jeweils zwei Straßen- und Bahnprojekten zusammen mit der DEGES und der DB AG:
- Brücke im Zuge der B 107n in Sachsen
- Petersdorfer Brücke im Zuge der A 19 in Mecklenburg-Vorpommern
- Rastatter Tunnel (auf der Schienenstrecke Karlsruhe-Basel)
- Filstalbrücke (auf der Schienenstrecke Wendlingen-Ulm)
Minister Dobrindt wies zudem darauf hin, dass für Ende 2015 ein BIM-Gipfel einberufen und ein Stufenplan vorgestellt werde, wie schrittweise digitale Anforderungen für Infrastrukturprojekte eingeführt werden sollen.
Transparentes, offenes Risikomanagement und mehr Kooperation
Die Reformkommission empfiehlt zudem ein transparentes, offenes Risikomanagement: Die Risiken möglicher Zusatzkosten und Verschiebungen von Anfang an zu berücksichtigen und so am Ende zu minimieren. Das BMVI testet dies ebenfals bei vier Pilotprojekten:
- Rader Hochbrücke der A 7 über den Nord-Ostsee-Kanal
- Achtstreifiger Ausbau A 40 in Duisburg (einschließlich Rheinbrücke)
- Ortumgehung der B 16 / B 85 in Roding-Altenkreith
- Nordostumfahrung der B 301 in Freising.
Eine weitere Empfehlung der Reformkommission ist: Mehr Kooperation. Der Schlüssel zu einem erfolgreichen, im Termin- und Kostenplan umgesetzten Großprojekt liegt in einer offenen und vertrauensvollen Partnerschaft aller Beteiligten. Externe Streitbeilegungsmechanismen, Bonus-Malus-Vereinbarungen für Kosten und Termintreue können einen wesentlichen Beitrag zur verbesserten partnerschaftlichen Zusammenarbeit leisten.
Die Experten werden die Umsetzung der Empfehlungen weiter begleiten. Mit einer „Planung und Bau 4.0 GmbH“ wird ein Kompetenzzentrum für BIM aufgebaut - siehe auch Beitrag „Aus „Bauen Digital“ wurde „planen-bauen 4.0““ vom 22.2.2015.
ZDB: „Arbeit war wichtig – Schlussfolgerungen sind falsch!“
„Es war richtig, dass sich eine hochrangig besetzte Kommission mit den Problemen rund um große Bauprojekte der öffentlichen Hand befasst hat. Leider gehen die Schlussfolgerungen der Kommission, die sich auch in dem Abschlussbericht niederschlagen, in eine völlig falsche Richtung,“ so das Statement von Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), heute zu Beginn der Abschlusssitzung der Reformkommission. Loewenstein gehörte der Kommission an, die über zwei Jahre beraten hat.
„Die Probleme der öffentlichen Hand, große Bauprojekte zu bewältigen sind angesichts des Berliner Flughafens und der Elbphilharmonie offensichtlich geworden. Allerdings wurden oftmals die falschen Schlussfolgerungen in Hinblick auf die Miseren gezogen und die Ursachen des Scheiterns bei den Bauunternehmen gesehen. Deshalb haben wir auch sehr aktiv in der Kommission mitgearbeitet.“
„Die Schlussfolgerung, die die Mehrheit der Reformkommisssion allerdings aus diesen Erkenntnissen zieht, nämlich große Projekte verstärkt über öffentlich-private Partnerschaften oder über Design&Build-Verträge abzuwickeln, ist falsch, zumal die zugrunde liegenden Vertragsmodelle und Wirtschaftlichkeitsberechnungen völlig intransparent sind,“ erklärte Loewenstein. „Diese Vorschläge gehen auch am deutschen Baumarkt mit seinem leistungsfähigen Mittelstand vorbei. Denn nur große internationale Konzerne sind mit Unterstützung durch internationales Finanzkapital in der Lage, solche Riesenprojekte von mehreren Milliarden zu stemmen.“
Aus Sicht des Baugewerbes ist die öffentliche Hand daher aufgefordert, ihre Bauherrenkompetenz wieder auf- und auszubauen und für die heutigen Anforderungen zu wappnen. Denn ohne entsprechende Fachkunde könne die öffentliche Hand solche Projekte weder planen, noch Angebote beurteilen und erst recht nicht die Verträge managen. Darüber hinaus gelte, Projekte erst komplett zu planen, bevor ausgeschrieben wird und Aufträge vergeben werden. „Dann wird sich schnell zeigen, dass die mittelständischen Bauunternehmen hervorragend aufgestellt sind, diese Aufträge kostengünstig und zeitnah abzuwickeln. Dieser Weg ist für alle Beteiligten, öffentliche Hand, Auftragnehmer wie auch die Steuerzahler und Nutzer der beste,“ erklärte Loewenstein abschließend.
Bauindustrie: „erst die halbe Strecke zurückgelegt“
Eine „neue Kultur des Vertrauens und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Auftragnehmern“ hat Prof. Thomas Bauer, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, angemahnt. Mehr Kostensicherheit und Termintreue bei der Umsetzung von Großprojekten sei möglich, wenn die „Kultur des Gegeneinanders“ zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern aus der Zeit der Baukrise ein für alle Mal überwunden werde.
Als besonders wichtig hob Bauer die Stärkung der Bauherrenkompetenz auf Auftraggeberseite, die verbindliche Einführung eines systematischen Risikomanagements sowie die Einführung interner und externer Konfliktlösungsmechanismen, wie z. B. der Adjudikation auf Verlangen einer Seite, hervor. Darüber hinaus empfahl Bauer ...
- den Rückgriff auf die zusammengefasste Vergabe immer dann, wenn die Projektmanagementkompetenz auf Auftraggeberseite begrenzt sei,
- die Erprobung von Modellen der Partnerschaftlichen Projektzusammenarbeit, u.a. um künftig Planen und Bauen besser aufeinander abzustimmen, aber auch
- weitere konsequente Schritte auf dem Weg zur Digitalisierung der Bauwirtschaft durch BIM, um die einzelnen Phasen des Wertschöpfungsprozesses besser miteinander zu verzahnen.
Mit der Vorlage dieser Empfehlungen sei jedoch erst „die halbe Strecke“ zurückgelegt, erklärte Bauer. Es komme jetzt darauf an, diese Empfehlungen in Taten umzusetzen. Dazu müssten - neben dem federführenden Bundesverkehrsministerium - weitere Ministerien, darunter das Bundesfinanzministerium, das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesministerium für Umwelt und Bau sowie das Justizministerium „ins Boot“ geholt werden. Die Bauindustrie sei bereit, diesen Umsetzungsprozess mit Rat und Tat zu begleiten.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Abschlussbericht sowie Informationen zu den Pilotprojekten und der Reformkommission
- Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
- Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB)
- Hauptverband der Deutschen Bauindustrie
- Deutsche Bahn AG
- Bundesarchitektenkammer
- Bundesbauministerium (im BMUB)
- Bauverzögerungen bei 11 Infrastrukturprojekten durch Lärmschutzklagen (28.1.2019)
- Handlungsempfehlungen für digitales Planen und Bauen zum BIM-
4- Infra- Projektabschluss (19.8.2018) - Reaktionen auf die abgeschlossenen Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD (12.1.2018)
- Gutachten zur Planungsbeschleunigung von Infrastrukturvorhaben (1.5.2017)
- Bundesregierung plant Wettbewerbsregister (1.5.2017)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Flughafen Berlin-Brandenburg soll 5,3 Milliarden Euro kosten (27.5.2015)
- Frühe Planungsfehler setzen bei Großprojekten oft unaufhaltsame Kostenspirale in Gang (24.5.2015)
- Bauindustrie fordert u.a. mehr Design-and-Build-Verträge, Investitionswende und Bauen 4.0 (20.5.2015)
- Studie: Öffentliche Großprojekte sind im Durchschnitt 73% teurer als geplant (4.5.2015)
- VDI 7001 Blatt 1: Schulungskonzept für die Kommunikation bei Großprojekten (15.2.2015)
- Podiumsdiskussion zur Frage „Kann Deutschland noch groß?“ (6.10.2014)
- BIM aktuell im Fokus der Reformkommission „Bau von Großprojekten“ (18.5.2014)
- Vorschriften, Leitfaden, Richtlinien zur Bürgerbeteiligung bei Großprojekten (28.3.2014)
- Großprojekte auch funktional ausschreiben (17.2.2014)
- Reformkommission „Bau von Großprojekten“ soll nicht einzelne Bauprojekte diskutieren (10.10.2013)
- Expertengremium soll Handbuch für Großprojekte entwickeln (24.3.2013)
siehe zudem:
- Bauunternehmen und Baubranche auf Baulinks