Triple Zero: Prof. Werner Sobek plädiert für ephemere Architektur
(23.3.2016) In der deutschen Automobilbranche ist eine Recyclingquote von mehr als 90% vorgeschrieben, der Bausektor ist davon noch weit entfernt. Bei der Entwicklung zukunftsfähiger Autos bemühen sich die Ingenieure außerdem explizit, Ressourcen zu schonen und zunehmend seltene Materialien zu vermeiden. Die Baubranche ist dagegen weiterhin für rund 60% des weltweiten Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Das müsse sich ändern, so Prof. Werner Sobek. Statt etwa nur den Heizverbrauch zu optimieren, müsse die gesamte Energiebilanz und Recyclingfähigkeit eines Gebäudes auf den Prüfstand ...
- von der Produktion der Komponenten
- über den Bau und die Nutzungsphase
- bis hin zum Rückbau.
Rückbau ohne Berge von Sondermüll
Vor diesem Hintergrund hat der Leiter des Instituts für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren an der Universität Stuttgart sein Triple-Zero-Konzept entwickelt. Es beschreibt in einer kurzen, prägnanten Formel, welche Anforderungen nachhaltige Gebäude oder Stadtquartiere idealerweise erfüllen sollten. „Nach dem Triple-Zero-Prinzip geplante Projekte sollen nicht mehr Energie verbrauchen, als sie im Jahresdurchschnitt selbst aus nachhaltigen Quellen erzeugen (Zero Energy), keine Emissionen von Kohlendioxid oder anderen für Mensch und Umwelt schädlichen Stoffen erzeugen (Zero Emissions) und vollständig in den Stoffkreislauf zurückführbar sein (Zero Waste)“, erklärt der Ingenieur und Architekt.
Sobek plädiert für eine ephemere Architektur: „Unsere Gebäude sollten einen Tag stehen können oder zehn Jahre - oder ein Jahrtausend. Je nachdem, ob die nächste Generation sie akzeptiert und liebt - oder sie weghaben möchte“, erläutert obek. „Für letzteren Fall müssen unsere Gebäude aber auch mit Anstand von der Erde verschwinden können. Ohne Berge von Sondermüll zu hinterlassen, wie das heute üblich ist.“
Noch sei die Baubranche der weltgrößte Müllerzeuger - verantwortlich für jede zweite Tonne Abfall. „Außerdem ist die Branche für 35 Prozent der Emissionen verantwortlich. Allein der globale Kohlendioxid-Ausstoß der Zementproduktion ist deutlich größer als der des gesamten Weltluftverkehrs.“ Bei wirklich nachhaltig geplanten Gebäuden sei der gesamte energetische Aufwand für alle benötigten Baustoffe, die sogenannte „graue Energie“, von vornherein radikal zu minimieren.
Mit gutem Beispiel voran beim ökologischen Bauen
Foto: Zooey Braun
Sobek plant mit seiner Firmengruppe pro Jahr ein Wohnhaus. Diese Projekte dienen seinem Planungsbüro als Experiment und Anschauungsobjekt für neue Technologien, die dann oft auch bei den größeren Projekten seiner Firmengruppe Verwendung finden. Eines dieser Gebäude ist R128, das gleichzeitig das private Wohnhaus der Familie Sobek in Stuttgart ist (Bild rechts). Das würfelförmige, viergeschossige, auf allen Seiten vollständig verglaste Gebäude ist nahezu komplett recycelbar und emissionsfrei. R128 ist modular aufgebaut. Der für Heizung und Regelungstechnik benötigte elektrische Strom wird photovoltaisch erzeugt.
Masterplan Haus 2050
Prof. Werner Sobek gehört neben weiteren Experten des deutschen Bauingenieur- und Architekturwesens zum Netzwerk „Masterplan Haus 2050“. Die von der Deutschen Fertighaus Holding AG (DFH) ins Leben gerufene Plattform fördert den offenen Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, um das innovative und nachhaltige Bauen in Deutschland voranzutreiben. Ergänzend zu der Web-Plattform haus-2050.de stellt das Buch „Masterplan Haus 2050“ bereits umgesetzte Projekte und das Triple-Zero-Konzept vor.
Die bibliographischen Angaben zum Buch:
- Masterplan HAUS 2050
- Herausgeber: Thomas Sapper/Peter Neumann
- 2014, 352 Seiten
- Haus-Verlag Wandlitz
- ISBN-Nr. 978-3-9816756-0-3
- erhältlich u.a. bei Amazon
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Das zweite von vier Leitthemen der BAU 2021: Ressourcen und Recycling (7.6.2020)
- Stabwechsel am Stuttgarter Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) (24.5.2020)
- Energetische Stadtraumtypen in 2. Auflage (18.11.2019)
- Sopraloop: Soprema bereitet PET-Kunststoffe für die Herstellung von Dämmstoffschaum auf (28.7.2019)
- Leichtbaumaterialien ganz nah an der theoretischen Steifigkeitsobergrenze (17.12.2018)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
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- Aktueller Nachhaltigkeitsbericht von Baufritz liegt vor (17.2.2016)
- Experimentalbauten von Werner Sobek seit der Jahrtausendwende auf 160 Seiten (31.1.2016)
- Fertigbau-Branche hat sich zu nachhaltigerem Bauen verpflichtet (10.1.2016)
- Pilotphase für den AktivPlus-Gebäudestandard abgeschlossen (21.12.2015)
- BUND-Jahrbuch 2016: „Effizienzhäuser im Vergleich“ und „Gute Luft im Haus“ (1.11.2015)
- BINE-Themeninfo: Null- und Plusenergiegebäude planen und bilanzieren (4.10.2015)
- Werner Sobek wird für sein Lebenswerk mit dem Fritz-Leonhardt-Preis geehrt (25.3.2015)
- Weltweit erstes „Aktivhaus“ in Stuttgart von Werner Sobek und SchwörerHaus (13.7.2014)
- Manfred Hegger löst Werner Sobek als DGNB-Präsident ab (11.6.2010)
siehe zudem: