Charta „Zukunft Stadt und Grün“ fordert grüne Stadtentwicklung
(26.1.2014) „Mehr Lebensqualität durch urbanes Grün“ - dafür setzt sich ein breites, branchenübergreifendes Bündnis aus Verbänden, Stiftungen und Unternehmen in einer gemeinsamen Charta ein. Vorgestellt wurde die Charta am 21. Januar bei einer Pressekonferenz im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin.
Die Unterzeichner kritisieren, dass Politik und Verwaltung die Chancen auf eine zukunftsgerechte Stadtentwicklung durch lebendiges Grün vielfach ungenutzt lassen und damit den Wunsch der Bürger nach mehr Grün in den Städten ignorieren. Die Bündnispartner fordern deshalb die Verantwortlichen auf Bundes- sowie regionaler und kommunaler Ebene zu einer Neuausrichtung der Städtebauförderung auf. Zudem regen sie eine stärkere Zusammenarbeit von Akteuren aus unterschiedlichen Handlungs- und Politikfeldern sowie zwischen Verwaltung und Organisationen der Zivilgesellschaft an.
Initiatoren der Charta sind der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (BGL) und die Stiftung DIE GRÜNE STADT. Zu den insgesamt 21 Erstunterzeichnern zählen u.a. ...
- der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten e.V. (bdla),
- die Bundesstiftung Baukultur,
- die Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V. (BDB),
- der Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB),
- die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU),
- der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU),
- der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) sowie
- der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. (ZDB).
Eiko Leitsch, BGL-Vizepräsident
... und Mitglied im Kuratorium der Stiftung DIE GRÜNE STADT, stellt heraus: „Die Politik weiß zwar um die Bedeutung einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Diese wird jedoch viel zu einseitig diskutiert und auf technische Lösungen reduziert.“ Ein Anliegen der Charta sei es daher, den vielfältigen Nutzen von urbanem Grün herauszustellen. „Stadtgrün ist nicht nur schön anzusehen, sondern bietet einen ökologischen, ökonomischen und sozialen Mehrwert, der sich rechnet.“ Beispielhaft nennt Leitsch: „Grün auf Freiflächen und Dächern mildert die Folgen des Klimawandels, zum Beispiel bei Starkregen und Hitzewellen, und reduziert die Feinstaubbelastung. Parks und Grünflächen sind beliebte Erholungs- und Fitnessräume für gestresste Stadtbewohner - und wichtige Begegnungsräume für Menschen unterschiedlichen Alters und Herkunft.“ Leitsch befürchtet, dass die Große Koalition in Berlin dieses Potenzial brach liegen lasse: „Die Mittel für Städtebauförderung im Bundeshaushalt stagnieren seit Jahren bei 455 Mio. Euro. Und das angekündigte „Bundeskonzept zur grünen Infrastruktur“ bleibt völlig vage.“ Leitsch schlägt einen Masterplan „Grüne Stadt“ vor, der die Aufgaben von Bund, Ländern und Städten definiert werden. Zudem fordert er, die Fördermittel für Grünprojekte zu erhöhen sowie neue fiskalische Anreize für die Neuanlage, den Erhalt und die Pflege von gewerblichem und privaten Grün- und Freiflächen zu schaffen, unter anderem für Dach- und Fassadengrün.
Olaf Tschimpke, Präsident des NABU
... betont die Bedeutung vielfältiger grüner Städte für Mensch und Natur: „Abwechslungsreich gestaltete Parks und Grünanlagen, aber auch naturnahe Bereiche und Sukzessionsflächen - diese grüne Vielfalt macht Städte besonders lebenswert.“ Zentrale Fragen für ihn sind: „Wie viel Grün braucht die Stadt um lebenswert zu sein, wie viel Verdichtung verträgt sie, um den Landschaftsverbrauch im Umland zu reduzieren.“ Diese Fragen könnten nur in einer integrierten Planung beantwortet werden: „Für eine zukunftsgerichtete Stadtentwicklung müssen die Bedürfnisse der Einwohner und die Belange von Klima-, Natur- und Artenschutz gleichermaßen berücksichtigt werden.“ Integrierte Entwicklungskonzepte sollten daher nicht nur die baulichen Entwicklungsmöglichkeiten im Stadtgebiet aufzeigen, sondern auch die wichtigen Freiräume für Natur und Erholung mitdenken.“
Andrea Gebhard, Präsidentin des bdla
... fordert: „Im Zuge einer weiteren Verdichtung und Nachverdichtung vieler Städte sind nicht nur die Quantität und Qualität der öffentlichen Räume, sondern auch der Freiflächen von Wohnungs- und Gewerbebauten sowohl in funktionaler, ökologischer und gestalterischer Hinsicht zu sichern.“ Ein Weniger an freiräumlicher Quantität müsse durch ein Mehr an Qualität kompensiert werden, sagte Gebhard weiter. Sie verweist auf das positive Beispiel der Stadt München.
Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA
... sagt: „Attraktive und lebendige Städte leben vom positiven Spannungsverhältnis zwischen bebautem Raum und der Qualität der Grün- und Freiflächen.“ Grün sei nicht nur ein immaterieller Wert für die Lebensqualität in den Städten, sondern beeinflusse ganz konkret auch den Wert der Immobilien - und in besonderer Weise die Qualität von Standorten. Gerade in dynamisch wachsenden Städten gebe es Nutzungskonkurrenzen zwischen Immobilienprojekten und den Grün- und Freiraumansprüchen, räumt Mattner ein. „Durch gute und kooperative Zusammenarbeit und Konzepte, die verschiedene Perspektiven integrieren, können jedoch immer Lösungen gefunden werden, die ökonomisch vernünftig und ökologisch wirkungsvoll sind.“
Charta fordert zusätzliche Fördermittel für Grünprojekte und fiskalische Anreize
Die Charta benennt in insgesamt acht Wirkungs- und Handlungsfeldern die vielfältigen Lösungsbeiträge von urbanem Grün für eine nachhaltige Stadtentwicklung:
- Abmilderung der Folgen des Klimawandels,
- Gesundheitsförderung,
- Sicherung sozialer Funktionen,
- Steigerung der Standortqualität,
- Schutz des Bodens, des Wassers und der Luft,
- Erhalt des Artenreichtums,
- Förderung von bau- und vegetationstechnischer Forschung sowie
- Schaffung gesetzlicher und fiskalischer Anreize.
Die Unterzeichner fordern die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, aber auch in Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf, ihr Engagement für den Einsatz von urbanem Grün gezielt zu verstärken. Eine zentrale Forderung der Charta ist, die Städtebauförderung mit dem Ziel einer klima- und umweltfreundlichen Stadtentwicklung angemessen auszustatten und dafür die Fördermittel für Grünprojekte auf den Ebenen EU, Bund und Ländern zu erhöhen. Darüber hinaus fordern die Unterzeichner, gesetzliche und fiskalische Anreize für gewerbliches und privates Grün zu schaffen, zum Beispiel für die Nutzung von Fassaden- und Dachgrün, sowie eine Reduzierung der Kanalgebühren nach Versiegelungsgrad.
Die Charta ist dowloadbar unter galabau.de > Presse > Charta (direkter PDF-Download).
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Bauen 2030: Szenarien für zukunftsfähige Bauwende vom Fraunhofer IAO, Verbänden und Kammern (21.2.2022)
- Arup-Studie zu grünen Gebäudehüllen und ihrer postiven Wirkung aufs Stadtklima (21.9.2016)
- Grundlagenwerk zum grünen verdichteten Bauen: „Dense + Green“ (7.1.2016)
- Ersatzniststätten im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (12.10.2015)
- Unika erforscht mit Partnern vertikale Begrünung mit speziellen Kalksandstein-Elementen (30.1.2015)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- „DVD INKAR 2013“: Interaktiver Atlas veranschaulicht Lebenslagen in Deutschland und Europa (22.12.2013)
- Leitfaden zur Planung von Gründächern als klimatische Ausgleichsflächen (3.12.2013)
- „Nachhaltige Stadtplanung“ aus der Edition DETAIL: Worüber müssen wir nachdenken? (1.12.2013)
- „StadtGrün“: Neubestimmung städtischer Freiraumplanung (1.12.2013)
- bdla veröffentlicht Flyer „Umweltbaubegleitung“ (1.12.2013)
- „Städte als Marken“ mit Fallbeispielen und Infos für erfolgreiches Stadt-Marketing (3.11.2013)
- Bericht vom 6. Internationalen FBB-Fassadenbegrünungssymposium 2013 (21.10.2013)
- 50 Ideen für nachhaltige Städte vom Fraunhofer-Netzwerk „Morgenstadt – City Insights“ (20.10.2013)
- UN-Forschungsagenda für eine nachhaltige Stadtentwicklung (29.7.2013)
- Pflanzen erobern die (Hochhaus)Architektur (30.6.2013)
- EU-Grünatlas zur Zufriedenheit mit Grünanlagen in Großstädten: Ist der Gezi-Park überall? (12.6.2013)
- Global Green Space Report 2013: Zunehmendes Ungleichgewicht zwischen „Grau“ und „Grün“ (14.4.2013)
siehe zudem:
- Stadtplanung, öffentliche Hand sowie nachhaltiges Bauen im Architektur-Magazin auf Baulinks
- Literatur / Bücher zu den Themen Bauwirtschaft, Immobilien sowie Architekt und Wirtschaft bei Amazon