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Nationale Plattform Zukunftsstadt stellt Forschungs- und Innovationsagenda vor


  

(23.2.2015) Die Gesellschaft und damit ihre Quartiere und Städte befinden sich in stetigem Wandel. Schon in wenigen Jahren werden zwei von drei Menschen auf der Erde in Städ­ten leben. Der damit einhergehende Anstieg des Primärener­giebedarfs, und der CO₂-Emissionen steht im Widerspruch zu den ehrgeizigen Klimaschutzzielen der Bundesregierung sowie der Energiewende. Nicht zuletzt deshalb ist eine nachhaltige Entwicklung und Zukunftsplanung unablässig. Einige Landstri­che werden sich unter Umständen sogar neu erfinden müssen.

  • Wie aber wird das Leben in den Städten der Zukunft aussehen?
  • Welche Lösungen müssen Städte und Kommunen schon heute angesichts von demographischem Wandel, Energiewende, Klimaanpassung und Ressourcenschonung finden?

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat die Bundesregierung 2012 die Nationale Plattform Zukunftsstadt ins Leben gerufen, in der Vertreter von Kommunen, Wissen­schaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam eine Forschungs- und Innovations­agenda für die nachhaltige Stadt der Zukunft entwickelt haben.

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka und Florian Pronold, Parlamentarischer Staatsekretär im Bundesbauministerium, hoffen auf eine starke Beteiligung der Bevölkerung. © BMBF/Wissenschaftsjahr 2015 (Bild vergrößern)

Am 19.2. wurde diese Agenda am Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vorgestellt - womit auch der Startschuss für das Wissenschaftsjahr „Zukunftsstadt“ verbunden war. Maßgeblich an dem Bericht beteiligt waren neben dem Deutschen In­stitut für Urbanistik, die Fraunhofer-Institute für Bauphysik IBP und für Arbeitswirt­schaft und Organisation IAO. Die Wissenschaftler haben gemeinsam mit den beteilig­ten Stakeholdern sieben Innovationsfelder definiert und Handlungsempfehlung für den folgenden Umsetzungsprozess formuliert.

Vom Ruhrgebiet lernen?!

Noch vor einigen Jahren war das Ruhrgebiet der Kohlenpott Deutschlands, verraucht und wenig lebenswert. Dies hat sich inzwischen gewandelt. Wie eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt, leben heute 82% der Bewohner gerne im Ruhrgebiet. Die Identifikation mit der Region ist im bundesweiten Vergleich hoch. Zwei Drittel der Befragten mein­ten überdies, das Ruhrgebiet habe sich in den vergangenen zwei Jahren dank der kon­sequenten Vermehrung der Grünflachen und zusätzlichen Kulturangebote zu seinem Vorteil entwickelt. Ein vergleichbarer Wandel muss in Zukunft auch anderen Regionen und Städten weltweit gelingen. Wie der Weg zur Stadt oder Region von morgen in Deutschland geebnet werden kann, zeigt die Forschungs- und Innovationsagenda der Nationalen Plattform Zukunftsstadt.

Die Stadt der Zukunft als ganzheitliches System

Ein Stakeholder-Forum, bestehend aus Vertretern der Interessensgruppen aus Politik, Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie Städten und Kommunen, hat die maßgeblichen Themen in vier Arbeitskreisen definiert und in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl weiterer Experten Handlungsansätze entwickelt.

Das Fraunhofer IBP hat neben der Leitung der Geschäftsstelle der Nationalen Platt­form Zukunftsstadt die Koordination des Arbeitskreises zu Fragen der Energie- und Ressourceneffizienz übernommen. „Weil sich der Energie- und Ressourcenverbrauch auf Städte konzentriert, besteht hier ein großer Handlungsbedarf. Wir müssen diesen Verbrauch mit Hilfe von durchdachten Einsparmaßnahmen drastisch reduzieren. Dazu gehört auch die konsequente Dämmung unserer Bestandsbauten“, erläutert Dr. Eck­hart Hertzsch, Geschäftsstellenleiter und Arbeitskreiskoordinator. Zudem müssen neue Strukturen geschaffen werden, um die Energie- und Ressourceneffizienz zu steigern. „Ein verändertes Stoffstrommanagement bildet eine wesentliche Grundlage, um dies zu erreichen. So müssen wir uns beispielsweise verstärkt Gedanken um die Rückge­winnung von Rohstoffen durch innovatives Recycling machen. Das Fraunhofer IBP ar­beitet derzeit an der Weiterentwicklung der elektrodynamischen Fragmentierung, um diese im großen Maßstab nutzen zu können. Auf diese Weise können Altbeton, Elek­troabfall und vieles mehr wieder in ihre Einzelbestandteile aufgetrennt und die wieder­gewonnenen Rohstoffe in neuen Produkten verarbeitet werden.“

Im Bereich Klimaanpassung und Resilienz haben die Experten sich mit Fragenstellun­gen zum Klimawandel und seinen Auswirkungen beschäftigt. Sie wollten vor allem die Unsicherheit verringern, mit der Städte heute noch bei der Anpassung an den Klima­wandel konfrontiert sind. Wichtig war den Beteiligten, in Zukunft vor allem auch die Bürger bei den Entscheidungsprozessen, wie sich ihr Lebensraum in Zukunft gestal­ten soll, zu Wort kommen zu lassen. Im Arbeitskreis „Transformationsmanagement und Governance“ ging es daher vor allem darum, innovative Arbeits-, Entscheidungs- und Beteiligungsverfahren bereitzustellen, damit Gesellschaft, Wirtschaft, Wissen­schaft und Politik den Prozess der Transformation gemeinsam gestalten können.

Ein Wandel im Sinne der Zukunftsstadt erfordert vielseitige und individuell anwendba­re Stadtentwicklungskonzepte. Auf lange Sicht ist eine Zusammenführung der Stadt­systeme nötig, die nicht nur die Optimierung einzelner Technologiebereiche umfasst, sondern das System als Ganzes erfasst. Das Fraunhofer IAO, dem die Koordination des Arbeitskreis „Systemforschung und -innovation“ oblag, verfolgt gemeinsam mit den Fraunhofer IBP bereits seit mehreren Jahren im Rahmen der Fraunhofer-For­schungsinitiative Morgenstadt den Systemforschungsansatz. Ihr langfristiges Ziel ist die Entwicklung eines neuen Forschungsverständnisses zur Transformation unse­rer Städte durch innovative Lösungen.

© BMBF/Wissenschaftsjahr 2015 (Bild vergrößern)

Prioritäre Innovationsfelder für die Zukunftsstadt

In den vergangenen zwei Jahren haben die Arbeitskreise eingehend an Handlungsemp­fehlungen für die Bundesregierung gearbeitet. „Dafür haben wir in einem Priorisierungs­prozess sieben gleichwertige Innovationsfelder definiert, an denen in den kommenden Jahren intensiv weitergearbeitet werden soll“, erklärt Geschäftsstellenleiter Dr. Eck­hart Hertzsch. „Wir hoffen, dass die Bundesregierung den Umsetzungs- und Transfor­mationsprozess ebenso tatkräftig unterstützen wird“.

1. Ziviligesellschaftliche Akteure als Treiber urbaner Transformation

Die nachhaltige Entwicklung der Städte wird nur in Zusammenarbeit mit den Bürgern gelingen. Deshalb müssen diese verstärkt in die Transformationsprozesse ihrer Städte und Quartiere sowie deren Infrastruktur eingebunden werden, um entscheidende Im­pulse einzubringen und die Akzeptanz des Prozesses zu sichern. Die Experten der Na­tionalen Plattform Zukunftsstadt schlagen dafür beispielsweise vor, neue Verfahren und Instrumente für die urbane Teilhabe der Bevölkerung zu entwickeln, ebenso wie Reallabore für soziale und technische Innovationen einzurichten oder neue Formen von sozialem Engagement der Zivilgesellschaft zu unterstützen.

2. Stärkung und Unterstützung kommunaler Transformation

Die Kommunen sind ein Schlüsselfaktor der Transformation. Da diese jedoch komplex ist, müssen die Formen der Zusammenarbeit zwischen Entscheidungsträgern innerhalb der Verwaltung sowie zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft angepasst werden. Gelingen kann dies unter anderem durch die Förderung beispielhaf­ter Prozesse des Transformationsmanagements sowie die Erarbeitung von integrierten Stadtentwicklungs- und Infrastrukturkonzepten für das Gesamtsystem Stadt und ihre Quartiere.

3. Nachhaltiger Umbau urbaner Siedlungs- und Raumstrukturen

In Zukunft müssen Raum-, Siedlungs- und Infrastrukturen auf Gebäude-, Quartiers- und gesamtstädtischer Ebene stärker in Zusammenhang gebracht werden. Dabei müs­sen vor allem auch die vielfältigen Aspekte der städtischen Lebensqualität, wie zum Beispiel die Baukultur, die kulturelle und soziale Diversität, das Stadtgrün etc., berück­sichtigt werden. Die Experten sehen es deshalb als wichtig an, dass Strategien des Stadtumbaus für Wachstums- und Schrumpfungsräume entwickelt werden. Zudem müssen wirtschaftlich tragfähige und sozial verträgliche Maßnahmenpakete zur ener­getischen Gebäudesanierung erstellt, sowie ganzheitliche Finanzierungskonzepte für den energetischen Um- und Neubau entwickelt werden.

4. Pionierprojekte für urbane Infrastrukturen

Systemgrenzen heutiger Infrastrukturen hinsichtlich Versorgung und Betrieb sowie An­bieter und Dienstleister können massive Hürden für innovative Infrastrukturen in der Zukunftsstadt sein. Deshalb müssen zum Beispiel sektorübergreifende Systeme ausge­baut und weiterentwickelt werden. Gleichzeitig müssen angepasste Lösungen für he­terogene räumliche Teilgebiete gefunden werden, die in sich flexibel und problemlos auf andere Gebiete übertragbar sind. Neue Strukturen müssen so robust und gleich­zeitig anpassungsfähig gestaltet werden, um den sich ständig ändernden Rahmenbe­dingungen gerecht zu werden. Um dies zu erreichen, sind Pionierprojekte zu fördern.

5. Werkzeuge und Verfahren für Planung und Wissensmanagement

Daten und die Gewährleistung eines hohen Qualitätsstandards der Prozessabläufe sind eine bedeutende Grundlage für das Erreichen der Ziele der Zukunftsstadt. Umso wichtiger ist es, dass bestehende Werkzeuge und Verfahren hinreichend weiterent­wickelt werden. Besonderes Augenmerk möchten die Experten hierbei auf Planungs­prozesse legen, die Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe unter Einbeziehung vieler Akteure verstehen. Ein zweiter Fokus liegt auf der Vernetzung dieser Akteure. Gelingen kann dies zum Beispiel durch einen verbesserten Zugang von Kommunen zu Forschungsergebnissen sowie die Veröffentlichung relevanter Daten, wie Geobasis­daten.

6. Neue Rahmenbedingungen für urbane Innovation

Mitunter sind es Ideen und Konzepte jenseits der bekannten Forschungsformate und -felder, die eine Transformation hin zur Stadt von morgen erst voran bringen. Um die­se zu identifizieren und zu erproben, sind Freiräume und Experimentierfelder notwen­dig. Hierfür sollen unter anderem neue Rahmenbedingungen für die Verbesserung in­stitutioneller Zusammenarbeit zwischen kommunalen, privat-wirtschaftlichen, wissen­schaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren analysiert und erprobt werden. Gleichzeitig sollen regulatorische Rahmenbedingungen für den Bau neuer bzw. den Umbau bestehender Stadtquartiere flexibilisiert und neue ökonomische Modelle zu urbaner Wertschöpfung entwickelt werden.

7. Strategisches Finanzmanagement und Geschäftsmodelle

Städten und Kommunen muss es trotz vielfach unzureichender Investitionsspielräume ermöglicht werden, in Infrastrukturen und ihre Organisation zu investieren. Dafür müs­sen die bisherigen Mechanismen der kommunalen Mittelausstattung überprüft und er­gänzende Finanzierungsmodelle und -instrumente erschlossen werden.

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