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Callweys Häuser des Jahres: Die besten Einfamilienhäuser 2018


  

(15.10.2018) „Bauherren“, so hat Ludwig Mies van der Rohe mal gesagt, „sind wie Kinder. Man darf sie nicht ernst nehmen“. Gemeint hat er damit das durchaus kunst- und architekturinteressierte sowie außerdem sehr kapitalkräftige Unternehmer-Paar Fritz und Grete Tugendhat. Für diese plante der berühmte Baumeister 1928 eine Villa in Brünn, das Haus Tugendhat (siehe auch Beitrag „Villa Tugendhat: Kleiner Rundgang durch die Ikone moderner Architektur“ vom 12.10.2012). Nett war das nicht gemeint. Dabei belegt Mies' Zitat noch die friedliche Variante der Beziehung zwischen Bauherr und Architekt: Angeblich warf Richard Meier mit einem Aschenbecher nach einer Bauherrin. Es war seine Mutter. Die Meiers Ansicht nach selbst schuld war: Ihr Aschenbecher passte nun wirklich nicht in das von ihm geplante Interieur...

Die Baugeschichte kennt diverse Anekdoten, die erkennen lassen, dass Architekten und Bauherren nicht automatisch glücklich miteinander werden, sondern mitunter ein Fall für die Paartherapie sind. Dabei ist spätestens seit dem 1994 erschienenen Klassiker „Von der Utopie, dem guten Geschmack und der Kultur des Bauherrn oder: Wie entsteht gute Architektur?“ des Architekturkritikers Manfred Sack bekannt, dass es ohne Bauherren ja auch nicht geht (siehe auch Amazon). Der Grund: „Die Kultur alles Geplanten und Gebauten gibt ja nicht zuletzt auch die Kultiviertheit seiner Bauherren wieder, ihren Anspruch, ihre Großzügigkeit, ihre Wahl des Architekten.“

1. Preis: „Haus am Deich“ von Thomas Kröger Architekten (Projektfotos © J.Steenblock) 

Es gibt in Deutschland, so behauptet die Statistik, etwa 15,7 Millionen Einfamilienhäuser. Wie viele davon von Architekten geplant wurden, ist nicht verlässlich belegt; zwischen vier bis maximal zehn Prozent, heißt es. Noch weniger weiß man darüber, wie viele Beziehungen zwischen Architekten und Bauherren während des Planungs- und Realisierungsprozesses in die Brüche gingen. Alle, soviel ist sicher, können es nicht sein. Denn Callwey zeigt auch in diesem Jahr wieder 50 Häuser, die dem Vernehmen nach ganz ohne Bauherrenschelte und fliegende Einrichtungsgegenstände ausgekommen sind und stattdessen beweisen, dass aus kultivierten Ansprüchen der Bauherren, der Kunst der ausgewählten Architekten und der glücklichen Kurzzeit-Zweckehe zwischen beiden großartige Wohn- und Lebenswelten aus Stahl, Glas, Beton, Holz und Stein entstehen können. Häuser aus allen Teilen Deutschlands sind darunter, aus der Schweiz, aus Südtirol und aus Österreich.

  • Das kleinste - ein saniertes Ferienhaus aus den 1970er Jahren, das der Architekt Stefan Hitthaler sensibel saniert und ganzjährig nutzbar gemacht hat - misst gerade einmal 61 m².
  • Das größte - eine klassische Villa in München, bis ins Detail sorgfältig geplant von Axel Steudel - bietet 530m² Wohnfläche.

Nachhaltigkeit ist bei allen Bauten ein Thema, mal wird dieser Anspruch technisch umgesetzt, mal insbesondere durch die Wahl des Materials, mal durch die Flexibilität des Grundrisses, der schon während der Planungszeit an zukünftige Nutzer und ihre Bedürfnisse denkt. Und manchmal, so weiß Davide Macullo, reicht die richtige Konzeption und Ausrichtung, um klimaschonend und klimagemäß zu bauen. Häuser in der Stadt überzeugten die Jury ebenso wie Häuser auf dem Land. Bei den meisten handelt es sich um Neubauten, doch Bauen im Bestand ist auch in diesem Jahr wieder ein Thema: Ein ehemaliges Pumpenhaus in Ebersberg wurde zum charmanten Wohnhaus, ebenso wie eine alte Mühle in Berlin, selbst im Unesco-Weltkulturerbe in Hallstatt entwickelten die Architekten Luger und Maul ein Haus, das in seine Umgebung passt und doch eindeutig heutig ist.

Alle 50 Häuser, auch in diesem Jahr wieder grafisch aufbereitet vom Münchner Büro Rose Pistola, werden präsentiert anhand professioneller Innen- und Außenraumfotos. Einheitlich dargestellte Lagepläne im Maßstab 1:2000 machen die städtebauliche Einbindung der Gebäude vergleichbar. Grundrisse und Schnitte, in der Regel im Maßstab 1:400, wurden von den Architekturbüros zur Verfügung gestellt ebenso wie Angaben über Grundstücksgröße, Wohn- und Nutzfläche, Bauweise, Energiestandard, Baujahr und bisweilen auch die Baukosten. Von den Architekten stammen zudem die Entwurfserläuterungen, die zu den verfassten Beschreibungen der Häuser führten. Die meisten Architekten standen zusätzlich per Telefon oder per Mail Rede und Antwort und erzählten, wie sie an den Auftrag gekommen sind, welche Herausforderungen der Entwurf und die Realisierung an sie stellte sowie mit welchen Reaktionen die Nachbarschaft auf das neue Haus reagierte.

Die Frage nach dem Verhältnis zu den Bauherren erübrigte sich: Keines der Häuser wäre im Buch ohne deren Einverständnis erschienen. Ungefragt erinnerten sich jedoch viele Architekten gern und ausführlich an die Planungszeit mit ihren Bauherren, die sie als für beide Seiten konstruktiven Dialog erlebten. Es entstanden Freundschaften: Michaela Wolf und Gerd Bergmeister wurden von der Bauherrin eingeladen, ihre Hochzeit in dem von ihnen errichteten Haus am Gardasee zu feiern. Tatsächlich vermissten einige der Architekten, die für sich selber bauten, wie Marlen Inderst, Wolfgang Schmieder oder Daniel Ellecosta, das „Korrektiv“ des kritisch-interessierten Bauherren-Partners. Helmut Dietrich empfand die Planung seines Hauses als besondere Herausforderung. Und ein Kollege beauftragte für den Bau seines Hauses mit dem Büro Yonder sogar ehemalige Mitarbeiter, um nicht Architekt und Bauherr in einer Person zu sein.

Erst kürzlich wurde Rem Koolhaas im SZ-Magazin zitiert mit der Klage „als Architekt wird man nicht reich“. Auf die Frage, ob er im Ernst behaupten wolle, kein vermögender Mann zu sein, antwortete er: „Mein Büro entwirft Prototypen, die nicht in Serie gehen. Das heißt, wir lösen von morgens bis abends Probleme, und statt die Lösungen für den nächsten Bau zu übernehmen, fangen wir jedes Mal wieder bei null an. Ökonomisch betrachtet ist das ausgemachter Blödsinn, aber ich beklage mich nicht. Routine würde mich deprimieren.“ Rem Koolhaas beschäftigt rund 350 Mitarbeiter und baut momentan auf vier Kontinenten. Sowohl die Größe seines Büros als auch dessen Auftragsvolumen ist mit den Arbeitsbedingungen der in diesem Buch vorgestellten Architektinnen und Architekten nicht wirklich vergleichbar. Doch der Inhalt seiner Aussagen ist es durchaus: Jedes der in diesem Buch vorgestellten Häuser ist prototypisch und einzigartig, so prototypisch und einzigartig wie jeder der Bauherren. Routine, das wissen Paartherapeuten, ist kein Garant für eine glückliche Beziehung.

Die bibliographischen Angaben zum Buch:

  • Häuser des Jahres
    Die besten Einfamilienhäuser 2018
  • von Max Scharnigg / Katharina Matzig
  • 2018. 280 Seiten, 550 farbige Abbildungen und Pläne
  • 23 x 29,7 cm, gebunden mit Schutzumschlag
  • ISBN 978-3-7667-2352-9
  • erhältlich u.a. bei Weltbild und Amazon

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