Deutsche und europäische Bauwirtschaft bis 2016 - aus Sicht des ifo Instituts und Euroconstruct
Erich Gluch
(20.10.2014) Im Rahmen einer Pressekonferenz zur anstehenden BAU hat Erich Gluch vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung und als deutsche Repräsentanz von Euroconstruct am 18.10. ein aktuelles Bild von der deutschen und europäischen Bauwirtschaft skizziert. Die deutsche Bauwirtschaft befindet sich demnach schon seit rund drei Jahren in einer guten Verfassung. Das signalisieren die Daten zum Geschäftsklima aus den ifo Konjunkturtests. Bei den lediglich auf den Hochbau fokussierten freischaffenden Architekten habe sich das Klima sogar bis in diesen Sommer hinein verbessert. Es sei - vor allem dank umfangreicher Planungsaufträge für den Bau von Wohngebäuden - mittlerweile so gut wie beim „Wiedervereinigungsboom“ Anfang der 90er Jahre:
Leicht rückläufige Auftragsbestände - sowohl bei den Baufirmen als auch den Architekten - zeigten jedoch seit einigen Monaten unmissverständlich auf, dass sich auch dieses Hoch einmal einem Ende nähere. Die Eintrübung sei jedoch bislang so gering, dass zumindest bis 2015 noch nicht mit Rückgängen bei den Bauinvestitionen zu rechnen sei. Zumal die Nachfrage im Wohnungsbau seit 2010 von umfangreichen Zuzügen getrieben werde:
- 2012 kamen bereits rund 370.000 Personen mehr nach Deutschland als gleichzeitig Deutsche ins Ausland zogen.
- 2014 dürfte der Wanderungssaldo sogar ½ Million Personen erreichen, und
- 2015 sowie 2016 nicht unter jeweils 400 000 liegen.
Diese Entwicklung habe zur Folge gehabt, dass - trotz einer weiterhin rückläufigen inländischen Bevölkerung - seit 2011 die Bevölkerungszahl insgesamt wieder zunehme. Aufgrund der anhaltend starken Zuzüge werde sich die Bevölkerungszunahme bis 2016 fortsetzen. „Problematisch“ sei jedoch, dass sich die Zuzügler nicht gleichmäßig über Städte und Länder verteilten, sondern sich vornehmlich auf die wachstumsstarken Regionen konzentrierten – und dort vor allem auf die Großstädte mit 500.000 und mehr Einwohnern.
Einkommensperspektiven bis 2016 günstig
Die Forschungsinstitute haben in ihrer Herbstprognose die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts für 2014 auf 1,3% und für 2015 auf 1,2% herabgesetzt. Dennoch dürften die Beschäftigungssituation sowie die Einkommensperspektiven bis 2016 günstig bleiben. Auch die Arbeitnehmerentgelte dürften sich weiter positiv entwickeln. Dabei erhielten die Arbeitnehmer zuletzt sogar von einer recht ungewohnten Seite Unterstützung - nämlich dem Bundesfinanzminister sowie dem Chef der Bundesbank.
Weiterhin werde Wohnungserwerbern das niedrige Zinsniveau helfen, das noch einige Jahre anhalten dürfte. Zur Erinnerung: Hypothekendarlehen mit einer Zinsfestschreibung von 10 Jahren sind heute schon für weniger als 3% zu bekommen. Und auch die Angst vor einer Immobilienpreisblase sei in Deutschland völlig unbegründet. Ganz im Gegenteil: Die lediglich in einigen Großstädten kräftiger gestiegenen Preise für Wohnimmobilien motivierten immer mehr potentielle Käufer oder Bauherren nunmehr in eine (eigene) Immobilie zu investieren. Hinzu komme, dass sich große Teile der Bevölkerung um die Zukunft des Euro sorgten bzw. kaum andere Anlagealternativen sähen.
In diesem Jahr dürften rund 215.000 Wohnungen in neu errichteten Wohngebäuden fertiggestellt werden. Bis 2016 erfolgt eine Steigerung auf rund 250.000 Einheiten. Mit 3,1 Fertigstellungen je 1.000 Einwohner dürfte dann auch wieder der Durchschnittswert für alle europäischen Länder übertroffen werden:
Nachfrage im Wirtschaftsbau alles in allem positiv
Im gewerblichen Hochbau stagnieren laut Gluch/ifo seit rund 1½ Jahren die Auftragseingänge auf einem erhöhten Niveau. Bei den freischaffenden Architekten zeichnete sich bereits im Sommer 2012 eine Auftragsspitze bei den gewerblichen Planungsaufträgen ab. Mittlerweile liege das Volumen der neu akquirierten Aufträge sogar leicht unter dem langjährigen Durchschnittswert. In einigen Branchen zeigten sich überdies Produktionseinbußen sowie Gewinnrückgänge aufgrund der über Russland verhängten Sanktionen. Etliche Firmen klagten zudem über die - aus ihrer Sicht - zu hohen Tarifabschlüsse. Dank der überdurchschnittlichen Qualifikation der Mitarbeiter dürfte die hohe Wettbewerbsfähigkeit jedoch im Großen und Ganzen erhalten bleiben, so dass sich die Nachfrage im Wirtschaftsbau in diesem sowie im nächsten Jahr noch positiv entwickeln wird.
Die öffentlichen Bauinvestitionen seien bereits im 1. Halbjahr 2014 um 8,5% größer gewesen als im Vorjahreszeitraum - was ganz wesentlich an den überaus milden Wintermonaten gelegen habe. Deutlich erhöhte Steuereinnahmen sowie erste Mitteleinsätze aus dem 5 Mrd. Euro-Programm des Bundes werden dazu führen, dass der öffentliche Bau in diesem Jahr merklich zulegt.
Reale Bauinvestitionen in Deutschland - Veränderung in % gegenüber Vorjahr - |
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Quelle: Statistisches Bundesamt; 2014 bis 2016: Prognose des ifo Instituts. |
Die Frühindikatoren weisen wohl auf einen eher schleppenden Verlauf der öffentlichen Baunachfrage in den nächsten ein bis zwei Jahren hin. Impulse könnten sich lediglich aus der verbesserten finanziellen Situation einiger Kommunen ergeben, den zusätzlichen Mitteln des Bundes sowie der Notwendigkeit, etliche Bestandsmaßnahmen nicht noch weiter aufschieben zu können.
Dramatischer Einbruch in Europa
Nach einem Spitzenwert der europäischen Bautätigkeit im Jahr 2007 erfolgte in den darauf folgenden nur 6 Jahren ein dramatischer Einbruch. Das reale Bauvolumen erreichte 2013 wieder das Niveau des Jahres 1993. 2014 wird in der europäischen Bauwirtschaft nun das Jahr der „Wende“. Im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2016 wird ein Wachstum von rund 5½% p.a. prognostiziert. Die drei wichtigsten Treiber für die wieder positive Entwicklung sind:
- Bevölkerungsanstieg und -wanderungen,
- Einkommenszuwächse und sinkende Arbeitslosigkeit sowie
- anhaltend niedrige Zinsen.
Die Bevölkerung werde in Europa bis 2016 um insgesamt knapp 1% zunehmen, wobei es lediglich in Spanien, Portugal sowie Ungarn zu Bevölkerungsrückgängen kommen könnte. Wanderungsbewegungen spielten dabei eine große Rolle. So wies beispielsweise Spanien in den ersten 5 Jahren dieses Jahrhunderts noch eine Zunahme der Bevölkerung um 3 Millionen auf. Deutlich über dem Durchschnitt liegen unter anderen die Bevölkerungszuwächse in allen skandinavischen Ländern sowie in der Schweiz.
In Spanien und Portugal sind die Arbeitslosenquoten am höchsten, während wiederum alle vier skandinavischen Länder in der unteren Hälfte zu finden sind. Dabei weist die Schweiz neben Norwegen die niedrigste Quote auf. Es überrasche nicht - so Gluch, dass gerade diese Länder für die nächsten Jahre eine recht stabile Zuwachsrate bei den Bauinvestitionen von durchschnittlich 2-3% p.a. erwarten lassen.
Bei einer Analyse auf der Basis der Bausparten zeigt sich, dass Irland - nach einem Einbruch der Wohnungsbauaktivitäten um 80% innerhalb von sieben Jahren bis 2013 - nunmehr bis 2016 das höchste Wachstum aufweisen werde. Und Großbritannien sei - unterstützt von staatlicher Seite - auf dem Weg zu einer weiteren spekulativen Immobilienblase.
Im Nichtwohnhochbau schließlich werde zumindest für 2015/2016 in allen Ländern ein moderates Wachstum erwartet. Im Tiefbau werde die zukünftige Entwicklung bis 2016 vor allem in Tschechien und Frankreich recht zurückhaltend eingeschätzt. In Polen sowie der Slowakei dürfte jedoch - nach deutlichen Einbrüchen 2012 und 2013 - ein erhebliches Erholungspotential vorliegen.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- ifo Institut
- Euroconstruct
- BAU München (19. bis 24. Januar 2015)
- Baukonjunktur aktuell
- Globaler Baumarkt wächst bis 2030 auf 15,5 Billionen US$ (15.11.2015)
- Wohnungsbauvolumen in den 19 Euroconstruct-Ländern: rund 625 Mrd. Euro (2.8.2015)
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- ifo Architektenumfrage III/2014: Leichte Eintrübung des Geschäftsklimas bei Architekten (25.9.2014)
- ifo Geschäftsklima im Bauhauptgewerbe auf dem niedrigsten Stand seit Ende 2012 (25.9.2014)
- Bauaufträge sind im Juli um real 5,3% zum Vorjahr gesunken (Bauletter vom 24.9.2014)
- Deloitte-Report erwartet moderates Wachstum der europäischen Baubranche (16.9.2014)
siehe zudem: