ARGE Baurecht rät Bauherren zur Vorsicht bei Kostenobergrenzen
(27.3.2016) Viele Bauherren glauben, kostensicher planen und bauen zu können, indem sie eine Baukostenobergrenze mit dem Architekten vereinbaren - und dieser dann bei Überschreitung zu Schadensersatz verpflichtet sei. „Diese Annahme ist jedoch in vielen Fällen falsch“, stellt Dr. Paul Popescu von der ARGE Baurecht fest und betont: „Lange nicht jede Kostenvereinbarungen führt automatisch zur Schadenersatzhaftung des Architekten in Höhe der überschrittenen Kosten.“
Der konkret geschuldete Leistungsumfang des Architekten bei Gebäuden und raumbildenden Umbauten richtet sich grundsätzlich nach den Leistungsbildern der §§34 ff. in Verbindung mit der Anlage 10 der HOAI. „Für den Bauherrn am günstigsten und für den Architekten am haftungsträchtigsten sind vertraglich vereinbarte Kostengarantien“, macht Popescu deutlich. Dies ist der Fall, wenn etwa der Architekt erklärt, dass er - unabhängig von einem Verschulden und ohne Vorliegen eines nachgewiesenen Schadens - alle Kosten für den Bauherrn übernimmt, die über der festgelegten Obergrenze liegen. „Derart weitreichende Kostengarantien kommen in der Praxis jedoch kaum vor“, so Popescu.
Gewährleistungsrechte durch falsche Kalkulation
„Die Regel sind ‚gewöhnliche‘ Baukostenobergrenzen“, erklärt der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Bei einem Architektenvertrag im Sinne der §§34 ff. HOAI ergeben sich diese bereits aus der vom Architekten im Rahmen der Leistungsphase 3 nach Anlage 10 zu §34 HOAI zu erbringenden Kostenberechnung und unabhängig von einer konkreten Parteivereinbarung. Diese Arten der Baukostenobergrenzen sollen nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung eine so genannte Beschaffenheitsvereinbarung gemäß §633 Abs. 1 BGB darstellen. „Das bedeutet, dass eine unzutreffend ermittelte Kostenberechnung in der Regel werkvertragliche Gewährleistungsrechte zugunsten des Bauherrn auslöst“, so Popescu.
Schadensersatzhaftung schwer zu beurteilen
„Nicht jede Überschreitung der Baukostenobergrenze begründet aber zwangsläufig einen Schaden des Bauherrn im rechtlichen Sinne“, erläutert Popescu. Denn bei der Schadensersatzberechnung müssen sich die Bauherren grundsätzlich den in Folge der Mehrkosten erlangten objektiven Wertzuwachs des Bauwerks gegenrechnen lassen. Auf dieser Grundlage gelangt man in den seltensten Fällen zu einer Schadensersatzforderung des Bauherrn. „Allerdings gilt das nicht für jeden Fall im selben Umfang, denn das Schadensersatzrecht ist deutlich komplexer und von vielen Einzelfaktoren abhängig“, schränkt Popescu ein.
Schaden differenziert beurteilen
Die Beurteilung eines Schadens geschieht unter Anwendung der sogenannten „Differenzhypothese“. Dabei werden die angenommene Vermögenslage und Dispositionsmöglichkeiten des Bauherrn bei ordnungsgemäßen Verhalten des Architekten ermittelt und mit der tatsächlichen Vermögenslage aufgrund der unzutreffenden Kostenkalkulation verglichen. Diese vergleichende Betrachtung wird entweder auf den Zeitpunkt bezogen, an dem der Architekt schuldhaft die falsche Kostenberechnung erstellt hat oder zu dem er erstmalig erkennen konnte, dass die von ihm ermittelten Kosten in der Bauausführung nicht einzuhalten sind.
Schadensersatzrelevant ist somit nicht nur die unzutreffende Kostenermittlung, sondern auch die richtig vorzunehmende Kostenkontrolle, welche der Architekt dem Bauherrn während der gesamten Bauphase schuldet. Auf dieser Basis kann es unter Umständen trotz eines entsprechenden Wertzuwachses Schadensersatz beansprucht werden. Dann muss der Bauherr nachweisen, dass er einzelne Gewerke kostengünstiger gebaut hätte, wenn er rechtzeitig von den fehlerhaften Kostangaben erfahren hätte.
„In der Praxis wird für jeden ,Baupfusch‘ oder sonstige vertragliche Unzulänglichkeit sehr gerne gegen den Architekten vorgegangen“, hebt Popescu hervor, „ weil sich dahinter grundsätzlich eine solvente Berufshaftpflichtversicherung befindet“. Allerdings sind Haftungsfolgen, die im Zusammenhang mit Kostenangaben des Architekten stehen, vom Deckungsschutz der Berufshaftpflichtversicherung ohne spezielle Versicherungsvereinbarungen ausgenommen. Die Art der jeweils vereinbarten Kostenobergrenze – garantierechtlicher oder sonstiger Natur – spielt dabei keine Rolle. „Folglich ist bei den Kostenobergrenzen als Beschaffenheit von Architekturverträgen besondere Vorsicht geboten“, warnt Popescu.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
ausgewählte weitere Meldungen:
- EPX-Preisindex: Preise für Gebrauchthäuser steigen zu Jahresanfang am stärksten (27.3.2016)
- Forderung: Reform der Aus- und Einbaukosten von der des Bauvertragsrechts abtrennen (17.1.2016)
- Kostenanteil des Rohbaus beim mehrgeschossigen Wohnungsbau auf 46% gesunken (19.10.2015)
- BauInfoConsult Jahresanalyse 2015/2016: 9.9 Mrd. Euro Fehlerkosten am Bau (13.9.2015)
- Frühe Planungsfehler setzen bei Großprojekten oft unaufhaltsame Kostenspirale in Gang (24.5.2015)
- Vergleichsrechnungen zeigen: Holzbau kann günstiger sein als Standardbauweise (3.5.2015)
- Studie „Kostentreiber für den Wohnungsbau“ von 7 Bau- und Immobilienverbänden (26.4.2015)
- Bundesgerichtshof: Planer müssen Bauherren nach dem Geld fragen (15.3.2014)
- ARGE Baurecht: Baubegleitende Planung erhöht Kosten um bis zu 30 Prozent (24.6.2012)
siehe zudem:
- Bauherren-Magazin, Baumängel und Baupreise bei Baulinks