Renaissance der Mietwohnungen
(21.8.2016) Die zu lange vernachlässigte Neubautätigkeit gilt als eine wesentliche Ursache für die in vielen deutschen Städten entstandenen Engpässe auf dem Wohnungsmarkt sowie für die damit verbundenen Preis- und Mietsteigerungen. Inzwischen sind die Bedarfssignale aber am Markt angekommen: Auch getrieben durch das extrem niedrige Zinsniveau und fehlende Anlagealternativen ist die Bautätigkeit kräftig angesprungen, wobei die größte Performance im Geschosswohnungsbau stattfindet - siehe u.a. die Baugenehmigungszahlen vom 1. Halbjahr 2016.
Beim Mehrfamilienhausbau, also Objekten mit drei oder mehr Wohneinheiten, ist zu unterscheiden zwischen ...
- dem klassischen Mietwohnungsbau und
- dem Bau von Eigentumswohnungen als Einzeleigentum, die vom Käufer entweder selbstgenutzt oder vermietet werden. Typischerweise geht gut die Hälfte der neu entstehenden Eigentumswohnungen in die Vermietung
Die Analyse der Baugenehmigungszahlen zeigt, dass sich der hiesige Geschosswohnungsbau ausbreitet - und damit auch das Wohnen zur Miete. Gegenüber 2010, dem ersten Jahr mit wieder spürbar wachsender Bautätigkeit in Deutschland, hat sich der Neubau von Mietwohnungen (reine Mietwohnungen und vermietete Eigentumswohnungen) mit 106% mehr als verdoppelt, selbstgenutzte Objekte (Eigenheime und Eigentumswohnungen) hingegen legten lediglich um 31% zu:
Expertenschätzungen gehen davon aus, dass bis 2020 jährlich zwischen 350.000 und 400.000 neue Wohnungen entstehen müssen, um den Wohnungsbedarf in Deutschland decken zu können - siehe z.B. Baulinks-Beitrag „Studie: ,Deutschland braucht bis 2020 zwei Millionen neue Wohnungen‘“ vom 21.9.2015. Und die aktuelle Entwicklung der Baugenehmigungszahlen zeigt nach Ansicht der Immobilienexperten von LBS Research, dass Deutschland beim Neubau quantitativ auch auf einem richtigen Weg sei. Anlass zur Sorge gebe allerdings die immer deutlicher werdende Verschiebung der Bautätigkeit hin zu einem von Mietwohnungen geprägten Geschosswohnungsbau.
Nur 20% der Wohnungen für Selbstnutzer
Denn diese, so die Forscher, sei ein klares Zeichen, dass es den Städten bisher nicht in ausreichendem Maße gelingt, bezahlbare Angebote für Selbstnutzer zu schaffen. Vielmehr führe die Flucht ins "Betongold" durch hiesige, aber auch durch internationale Kapitalanleger dazu, dass vorwiegend der Bestand an Mietwohnungen ausgedehnt wird. Unterstellt man auf Basis der jüngsten Mikrozensus-Erhebung, dass gut 40% der genehmigten Eigentumswohnungen für Selbstnutzer gebaut werden, so entstehen im Geschosswohnungsbau derzeit zu 80% Mietwohnungen und nur zu 20% Wohnungen für Selbstnutzer.
Das übergeordnete Ziel, die Wohneigentumsquote gerade auch in den Städten zu verbessern, werde so nicht erreicht werden, konstatieren die Immobilienexperten von LBS Research. Eine Verfestigung oder gar eine noch stärkere Ausprägung der aktuellen Struktur der Bautätigkeit werde vielmehr dazu führen, dass der Anteil der Haushalte, die in den eigenen vier Wänden wohnt, weiter niedrig bleibt. Eine Sonderanalyse der EVS hatte jüngst gezeigt, dass die Wohneigentumsquote in Deutschland bereits seit 10 Jahren bei 43% verharrt (West: 46 Prozent, Ost 36 Prozent) - siehe auch Grafik aus dem Beitrag „Wohneigentumsquote stagniert trotz günstiger Rahmenbedingungen“ vom 18.7.2016:
Sicherer Hafen „Immobilienmarkt Deutschland“
Als Hauptgrund für die nicht vorankommende Wohneigentumsbildung in den Brennpunkten der Wohnungsnachfrage nennen die LBS-Immobilienexperten das Engagement der Kapitalanleger im gegebenen Nullzinsumfeld. Die Suche nach Anlagemöglichkeiten im als sicher geltenden Hafen „Immobilienmarkt Deutschland“ habe insbesondere beim Neubau von Eigentumswohnungen zu stark gestiegenen Preisen geführt. Haushalte mit durchschnittlichem Einkommen, die als Selbstnutzer in Betracht kämen, können sich diese Wohnungen immer weniger leisten - und das trotz der derzeit günstigen Finanzierungsbedingungen. Sie müssten deshalb, wenn sie in der Stadt bleiben wollen, auf eine meist teure Mietwohnung ausweichen oder werden ins Umland getrieben. Bei den Käufern der neu entstehenden Eigentumswohnungen handelt es sich dagegen oft um Bezieher höherer Einkommen.
Bei der weiteren, notwendigen Ausweitung des Wohnungsangebots, so das Fazit von LBS Research, sei darauf zu achten, dass die Selbstnutzer wieder in den Fokus gerückt werden - eine Aufgabe, bei der insbesondere die Kommunen gefragt sind, wenn sie Bauflächen ausweisen, erschließen und neue Quartiere schaffen. Wenn es nicht gelingt, die weiter nach oben gerichteten Immobilienpreise zu bremsen, seien auch Bund und Länder in der Verantwortung, die Wohneigentumsbildung für kleine und mittlere Einkommensbezieher durch eine gezielte Selbstnutzerförderung zu verbessern.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- LBS West: „Förderung des Wohneigentums blutet aus“ (3.7.2017)
- Neuvertragsmieten 2016 bundesweit durchschnittlich(!) um 4,9% gestiegen (19.3.2017)
- „Wohneigentum statt Miete“: Eigentumsquote soll auf 50% bis 2020 anwachsen (21.11.2016)
- Bundesregierung plant für 2017 neues Wohnungsbauprogramm (21.8.2016)
- Capital: Deutsche ziehen aus den Städten wieder vermehrt ins günstigere Umland (21.8.2016)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- 30,4% mehr genehmigte Wohnungen im 1. Halbjahr gegenüber Vorjahreszeitraum (21.8.2016)
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siehe zudem:
- Immobilien und Immobilienpreise bei Baulinks