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Energiepaß = Bedarfspaß oder Verbrauchspaß?

  • Verbrauchspaß: Energiepaß auf Basis des gemessenen witterungsbereinigten Verbrauchs
  • Bedarfspaß: Energiepaß, der den Energiebedarf rechnerisch unter Normbedingungen ermittelt

(4.12.2005) Der Energiepaß / Energieausweis ist das Resultat der "Europäischen Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden", kurz EU-Richtlinie genannt. Sie soll Anfang 2006 in allen 24 EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Ziel der Richtlinie ist auf lange Sicht die Energieeinsparung, denn heute werden rund 40 Prozent der EU-weit verbrauchten Energie für die Heizung von Gebäuden benötigt. Hausbesitzer sollen deshalb in Zukunft für ihr Haus einen Energiepaß beantragen, in dem der Jahresenergiebedarf des Hauses individuell berechnet und ausgewiesen wird.

  • Potenzielle Hauskäufer und Mieter bekommen damit einen Richtwert über die zu erwartenden Energiekosten bei einem bestimmten Objekt.
  • Hauseigentümern bietet der Energiepaß Anreize für die energetische Sanierung der eigenen vier Wände: Wer ein energiesparendes Haus hat, der muss weniger fürs Heizen bezahlen, und kann beim Verkauf mehr erlösen als für eine Energieschleuder.

In Deutschland sind die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung des Energiepaßes mit der Novellierung des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) gelegt. Nun fehlen nur noch die Ausführungsbestimmungen und Richtlinien für den Energiepaß. Sie sollten zwar bis 1. Januar 2006 vorliegen und in Kraft treten. Wegen der Bundestagswahlen und der langwierigen Koalitionsverhandlungen dürfte sich dieser Termin allerdings bis ins Frühjahr 2006 verschieben. Unter anderem ist bis dahin zu klären, wann, wie, wo und warum ein Verbrauchspaß / Verbrauchsausweis oder ein Bedarfspaß / Bedarfausweis zu erstellen ist.

Bedarfsausweis bei Neubauten

Sicher ist, dass der Energieausweis in Zukunft vom Eigentümer grundsätzlich bei Bau, Verkauf und Vermietung von Gebäuden und Wohnungen vorgelegt und nach spätestens zehn Jahren erneuert werden muss. Grundsätzlich wird bei Neubauten und Modernisierungen ein Bedarfsausweis zuerstellen sein. Dies erfolgt meist auf Basis der Planungsunterlagen von Bauvorlageberechtigten wie Architekten.

Ob der Energieausweis bei Bestandsobjekten bedarfs- oder verbrauchsbasiert sein wird, ist dagegen noch offen. Es zeichnet sich aber ab, dass auch ein günstigerer verbrauchsbasierter Energieausweis im Gebäudebestand zugelassen wird. Offen sind aber Fragen wie z.B.:

  • ab welchen Gebäudegrößen (Gebäude größer als 8 Wohnungen) wird welcher Energieausweis eingesetzt,
  • welche Vergleichskennwerte sind vorgesehen,
  • wie kann man mietrechtliche Konflikte vermeiden und
  • wie gestalten sich die Modernisierungsempfehlungen im Energieausweis.

Wohnungswirtschafter setzen auf Verbrauchsausweis

Die meisten Wohnungswirtschafter setzen auf den Verbrauchsenergieausweis. Das ist das Ergebnis einer "Trendumfrage" auf den Deutschen Kongresstagen der Immobilienwirtschaft, die die Techem AG in Bad Reichenhall veranstaltete.

  • Für den Verbrauchsenergieausweis sprachen sich 62,82 Prozent der Teilnehmer aus,
  • 19,23 hingegen für den Bedarfsenergieausweis.

19,23 Prozent der Befragten trauen dem Energiepaß "starken Einfluss" auf die Vermietbarkeit von Wohnungen zu, 76,92 Prozent immerhin "teilweisen Einfluss". Nur 3,85 Prozent glauben, er werde sich überhaupt nicht auswirken. Weiteres Ergebnis der Umfrage: 28,21 Prozent der Wohnungswirtschafter wollen den Energieausweis generell zur Vermarktungsstrategie nutzen, 58,97 Prozent "je nach Liegenschaft".

VDI bevorzugt Bedarfsausweis

Der VDI begrüßt die Pläne des Bauministeriums das CO₂-Gebäudesanierungsprogramm umzusetzen und zu fördern. Allerdings mahnt der Ingenieurverein bei der Umsetzung des Energiepaßes, nicht aus vordergründigen Kostengründen den Verbrauchspaß einzuführen. "Auf den ersten Blick ist der Verbrauchspaß sicherlich günstiger", sagt Professor Dr. Michael Schmidt, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Technische Gebäudeausrüstung. "Aber bei einem verbrauchsorientierten Energiepaß drohen Klagewellen, was ihn letztendlich teurer macht."

Der Energiepaß entfaltet Rechtswirkungen: Eine für eine Immobilie in Verkaufspapieren ausgewiesene Energieeffizienz stellt eine zugesicherte, einklagbare Produkteigenschaft dar. Eine Immobilie, deren aktueller Verbrauch, etwa auf Grund abweichender Nutzung, nicht dem Energiepaß entspricht, könnte Klagen der Eigentümer hervorrufen, so der VDI-Experte. Es müsse also der Bedarfswert die Bezugsgröße für den Energiepaß sein, d.h. die berechnete Größe für den Energieaufwand, den ein angenommener Norm-Nutzer haben würde. Außerdem unterstütze ein Verbrauchspaß nicht das Ziel der Bundesregierung, die Energieproduktivität deutlich zu erhöhen. "Nur der Bedarfswert fördert Modernisierungen, da er energetische Schwachstellen aufdeckt", betont Schmidt.

Mit einem Gebäudeenergiepaß, der auf nachvollziehbar ermittelten Bedarfswerten aufbaut und durch ausgewiesene Experten ausgestellt wird, sollte Deutschland in Europa zum Trendsetter werden. "Sinnvoll ist es, europaweit eine vergleichbare Methodik bei der Erstellung von Energiepässen zu haben." Nur so erfüllt die EU-Richtlinie ihren Zweck. Hier muss Deutschland Vorreiter werden.

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