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Interview: Uzins schrittweiser Ausstieg aus lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen

Dr. Norbert Arnold, dem Leiter des Technischen Produktservices der Uzin Utz AG(9.5.2008) Schon in den 80er Jahren hat man begonnen, von lösemittelhaltigen Produkten wegzukommen. Darin sieht die Uzin Utz AG auch ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung. Umwelt-freundliche Produkte sollen Handwerker und Endkunden vor Lösemitteleinwirkungen schützen. Im Bereich Parkett und bei den Kontaktklebstoffen gibt es allerdings noch lösemittelhaltige Produkte im Sortiment, die Uzin Utz in den nächsten drei Jahren durch neue Systemlösungen ersetzen wird. Zum 100-jährigen Firmenjubiläum im Jahr 2011 soll das Angebot lösemittelhaltiger Produkte dann endgültig eingestellt werden. Das ist auch ein Teil der Gesamtunternehmensstrategie. Sie wird durch verschiedene Maßnahmen unterstützt, die im nachfolgenden Interview mit Dr. Norbert Arnold, dem Leiter des Technischen Produktservices des Unternehmens, beschrieben werden.

Herr Dr. Arnold, warum gibt es heute überhaupt noch lösemittelhaltige Produkte auf dem Markt?

Fakt ist: Lösemittelfreie Verlegewerkstoffe erfüllen heute in allen Bereichen der Bodenverlegung und der zugehörigen Untergrundvorbereitung in hervorragender Weise die jeweiligen Anforderungen nach dem Stand der Technik. Fakt ist aber auch: Obwohl lösemittelhaltige Produkte aus Arbeits- und Umweltschutzgründen generell als kritisch anzusehen sind, gibt es nach wie vor bestimmte Einsatzgebiete, in denen sie noch in nennenswerten, teils sogar erheblichen Mengen verwendet werden. Ich denke, die häufigsten Gründe hierfür sind eingefleischte Verwendergewohnheiten, mangelnde Kenntnisse über die Eigenschaften der Ersatzstoffe oder eben schlichtweg der Preis.

Wenn es keine einschneidenden gesetzgeberischen Maßnahmen gibt, die die bestehenden Rahmenbedingungen verändern, wird es auch mittelfristig noch eine erhebliche Nachfrage nach lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen geben. Dazu kommt, dass auch die Arbeitsschutz-Einschränkungen in der Praxis leider meist nicht hundertprozentig so umgesetzt werden, wie es der Gesetzgeber empfiehlt.

Die bauchemische Industrie unterstützt aber grundsätzlich den vollständigen Ausstieg aus lösemittelhaltigen Produkten. Dem bestehenden Nachfragesog aus dem Markt können sich die einzelnen Hersteller allerdings nicht vollständig entziehen und führen daher auch weiterhin diese Produkte in ihrem Sortiment. Allerdings weisen praktisch alle Anbieter auf die mit den Lösemitteln verbunden Gefahren sehr deutlich hin und fördern den gewollten Ausstieg durch intensive Schulungsmaßnahmen.

Wo werden heute noch Lösemittel-Produkte eingesetzt? Und was tut Uzin, um von Lösemittel-Produkten wegzukommen? Gibt es Alternativprodukte?

Heute gibt es noch zwei bedeutende Einsatzgebiete von lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen. Zuerst zu nennen ist die Parkettverlegung: Beim Kleben von Parkett mit Hilfe der stark lösemittelhaltigen Kunstharzklebstoffe wird das größte Volumen an Lösemitteln eingesetzt. 2003 wurden noch mindestens zwei Drittel der verlegten Parkettflächen mit Kunstharzklebstoffen geklebt; im Laufe dieses Jahres dürfte dieser Anteil auf circa ein Drittel zurückgehen, was einem Verbrauch von noch etwa 5.000 bis 6.000 Tonnen in Deutschland entspricht. Bei einem mittleren Lösemittelgehalt von circa 20 Prozent entspricht dies mehr als 1.000 Tonnen an reinen Lösemitteln:

  Kenndaten zur Abschätzung des Lösemittel-
Verbrauchs, Deutschland 2007*
)

Parkettverbrauch ca. 21 Mio. m²
Anteil der geklebten Verlegung ca. 60 - 70%
Klebstoffverbrauch ca. 1 - 1,2 kg/m²
Anteil Lösemittel-Klebstoffe ca. 35%
Lösemittelgehalt, Klebstoffe ca. 20%
Lösemittel-Verbrauch, Parkett-Klebstoffe ca. 900 - 1200 t
Anteil der grundierten Fläche ca. 80 - 90%
Lösemittelgehalt, Grundierungen ca. 80%
Lösemittel-Verbrauch, Parkett-Grundierungen ca. 330 - 370 t
Lösemittel-Kontaktklebstoffe, Verbrauch ca. 600 - 700 t
Lösemittelgehalt, Kontaktklebstoffe ca. 80%
Lösemittel-Verbrauch, Kontaktklebstoffe ca. 450 - 550 t

Quellen: UZIN-Markfforschung, VdP, IVK

Warum gibt es diesen Rückgang?

Aufgrund überzeugender technischer Alternativen. Und natürlich der weiter steigenden Sensibilität und dem immer größeren ökologischen Bewusstsein der Endverbraucher gegenüber Lösemitteln.

So ist der beachtliche Erfolg der letzten Jahre vor allem der weitgehenden Etablierung der 1K PUR- und MS-Klebstoffe als technisch gleichwertigen Alternativen zu den lösemittelhaltigen Klebstoffen zu verdanken. Ein Wermutstropfen ist allerdings: Die eingesetzten Rohstoffe bedingen, dass sie preislich erheblich über den Kunstharzklebstoffen angesiedelt sind. Es wäre daher blauäugig anzunehmen, dass sie mittelfristig die Kunstharzklebstoffe komplett ablösen werden.

Seit circa 2005 werden auch Kunstharzklebstoffe mit verringertem Gefährdungspotenzial für den Verarbeiter angeboten (die so genannten S 0,5-Klebstoffe). Dies sind Klebstoffe mit speziell ausgesuchten und mengenmäßig reduzierten Lösemittelgemischen.

Die Frage ist, ob diese neue Klasse von immer noch stark lösemittelhaltigen Klebstoffen ein Fortschritt ist oder eventuell nur die Hemmschwelle zum Einsatz dieser Produkte senkt. Das wird in Fachkreisen zum Teil heftig diskutiert. Beim Endkunden provozieren sie auch eher eine Verunsicherung, da in seiner Wahrnehmung Lösemittel gleich Lösemittel sind. Er kann und möchte nicht entsprechend differenzieren und es ist für ihn nicht transparent, was da in Herstellerkreisen "vor sich geht". Ich denke, er hat da eher ein diffuses Gefühl.

Hier bezieht Uzin eindeutig Position: Das entsprechende Produkt, Uzin MK 77 (Bild Uzin MK 77), wurde komplett gestrichen. Darüber hinaus reduzieren wir das noch bestehende restliche Sortiment an Lösemittel-Klebstoffen von drei auf ein Produkt. Diesen Schritt, auf den mit Sicherheit weitere folgen, machen wir bewusst auf dem Weg zum endgültigen Abschied von Lösemittel-Produkten.

Das zweite große Feld sind die Kontaktklebstoffe: Nach den Kunstharz-Parkettklebstoffen stellen die lösemittelbasierten (Neoprene-)Kontaktklebstoffe die mengenmäßig zweitgrößte Gruppe von lösemittelhaltigen Verlegewerkstoffen. Obwohl technische Alternativen auf Wasserbasis zur Verfügung stehen, ist die Marktverbreitung leider nur von untergeordneter Bedeutung. Ihr Anteil dürfte, trotz teilweise intensiver Propagierung durch die Hersteller, noch unter 10 Prozent betragen.

Die seit 2005 angebotene neue Technologie der Druck-Kontaktklebstoffe konnte diese Situation nicht grundlegend ändern. Diese wasserbasierte Klebstoffgeneration ist leistungsmäßig den herkömmlichen (Neoprene-)Kontaktklebstoffen mindestens gleichwertig und Uzin hat mit der Einführung von Uzin DK 700 auch wieder einen Schritt in Richtung Lösemittelausstieg gemacht (siehe dazu auch Beitrag "Lösemittelfreier Druckkontaktklebstoff für Treppenbeläge und Profile" vom 27.7.2006).

Eine kleine Hemmschwelle für die Anwendung dieser Produkte sind allerdings Anpassungen im Arbeitsablauf. Für aufgeschlossene Verarbeiter ist das ein untergeordnetes Problem, eingefleischte (Neoprene-)Fans tun sich aber mit dem Umschwenken und den Änderungen ihrer Gewohnheiten offensichtlich schwer und wir generieren leider nicht die gewünschten Absatzmengen.

Trotz der eher ernüchternden Bilanz forciert Uzin aber auch bei den Kontaktklebstoffen den Lösemittel-Ausstieg durch entsprechende Sortimentsmaßnahmen. 2008 wird eine von zwei Produktlinien ganz gestrichen (Uzin GN 276), bei der zweiten (Uzin GN 222) werden die angebotenen Gebindevarianten reduziert.

Stellt sich das Problem auch bei anderen Produkten rund um die Bodenverlegung?

Häufig wird bei der Betrachtung der Lösemittelproblematik ausschließlich auf die Klebstoffe abgezielt, doch spielen auch die zugehörigen Grundierungen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Grundierungen werden bei circa 80 bis 90 Prozent der mit Kunstharzklebstoffen geklebten Parkett-Flächen eingesetzt und ihre Verbrauchsmengen betragen nur etwa 100 bis 150 Gramm pro Quadratmeter. Aber sie tragen aufgrund ihres relativ hohen Lösemittelgehalts von etwa 80 Prozent dennoch erheblich zur Lösemittelbelastung bei. Die Industrie unternimmt hier aktuell große Anstrengungen, technisch und preislich konkurrenzfähige Produkte bereit zu stellen. Leider sind aber die rohstoffbedingten, preislichen Unterschiede zwischen lösemittel- bzw. reaktionsharzbasierten Produkten in diesem Anwendungsbereich eher noch größer als bei den entsprechenden Klebstoffen.

Gibt es über die Sortiments-Änderungen hinaus weitere Perspektiven?

Es gibt durchaus eine weitere wichtige Perspektive: Die Hochleistungs-Trockenklebstoffe gewinnen zunehmend, insbesondere bei der Sockel- und Treppenklebung, an Marktbedeutung. Uzin ist hier mit der lösemittelfreien switchTec-Klebetechnologie Marktführer (siehe auch Beitrag "GfK und UFloor: Schnelle Bodenerneuerung ist gefragt" vom 4.3.2008).

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Der aktuelle Anteil an den verlegten Flächen beziehungsweise Laufmetern ist momentan zwar schwer abzuschätzen. Aber die Präsenz der Trockenklebstoffe auf der letzten Domotex kann meiner Meinung nach als deutlicher Hinweis für ihre steigende Marktbedeutung gewertet werden.

Wir sind stolz, dass Uzin derzeit sogar der einzige Anbieter ist, der alle auf dem Markt verfügbaren Klebstofftechnologien selbst entwickelt, produziert und vertreibt. Deshalb besitzt Uzin auch als einzige Marke im Bereich Verlegesysteme für Böden und Parkett die umfassende Kompetenz, die uns die alternativen Technologien gleichwertig beraten lässt. Diese Glaubwürdigkeit und das Angebot aus einer Hand vermitteln den Verarbeitern die nötige Sicherheit.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Für mich ist es eindeutig, dass im Grunde eigentlich alle beteiligten Gruppen, Verarbeiter, die herstellende Industrie und auch die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen, den möglichst raschen Ausstieg aus den lösemittelhaltigen Produkten wollen. In vielen Fachdiskussionen wird zum Teil heftig gefordert, diese problembehafteten Produkte überhaupt nicht mehr anzubieten. Die angeblich wirtschaftlichen Zwänge haben den Ausstieg allerdings leider bis heute verhindert.

Mit welchen konkreten Maßnahmen unterstreicht Uzin seinen Willen zum Abschied von Lösemittel-Produkten?

Heute tragen die lösemittelhaltigen Parkettklebstoffe nur noch ca. 20% zu unserem Gesamtabsatz an Parkettklebstoffen bei; wir liegen damit erheblich niedriger als der Gesamtmarkt mit seinen immer noch 35%. Die vorgestellten Schritte werden dem Ausstieg weiteren Schub geben - auch ohne gesetzliche Regelung: So hat Uzin als erster Anbieter den Ausstieg aus den Lösemittelprodukten zum strategischen Unternehmensziel erklärt. Bis zum hundertjährigen Firmenjubiläum im Jahr 2011 soll in Deutschland der Ausstieg komplett vollzogen werden.

Um die Ernsthaftigkeit dieses Unterfangens zu unterstreichen und als Markt-Signal, möchte ich die zum Jahreswechsel beschlossenen Änderungen nochmals als Gesamtpaket beschreiben:

  • Der lösemittelbasierte S 0,5 Parkett-Klebstoff wurde komplett gestrichen.
  • Die Palette der noch erhältlichen Kunstharz-Lösemittelklebstoffe wurde auf nur noch eine einzige Gebindevariante reduziert.
  • Eine der zwei bestehenden Produktlinien an lösemittelbasierten Kontaktklebstoffen wird eingestellt.
  • Die vormals als eigenständige Sifloor-Produktreihe angebotenen Trockenklebstoffe wurden ins Uzin-Sortiment integriert. Damit gewährleisten wir eine "neutrale" glaubwürdige Beratung und Informationsvermittlung zu Lösemittel-Klebstoffen und den alternativen Trockenklebstoffen.

Wir werden damit unsere Alleinstellung mit praxisgerechten und umweltfreundlichen Systemlösungen für alle noch verbliebenen Lösemittelprodukte dazu nutzen, die ökologische Ausrichtung der betroffenen Produktgruppen zu forcieren.

Hat der Ausstieg in letzter Konsequenz weitergreifende Auswirkungen auf Produktionsanlagen und -kapazitäten bei Uzin?

In punkto Ökologie sind wir grundsätzlich der Meinung, dass die komplette Herstellungskette im Mittelpunkt stehen muss, also von der Gewinnung der Rohstoffe, über deren Verarbeitung bis hin zur Logistik. Diese Sichtweise ist neu für uns und wir stecken derzeit mitten im Optimierungsprozess. Dabei ist das Thema Glaubwürdigkeit enorm wichtig und darf nicht eine reine Marketingaktion sein.

Ein Resultat: Beim geplanten anstehenden Ausbau unserer Klebstoffproduktion werden Lösemittel nicht mehr berücksichtigt. Einen angenehmen Bei-Effekt hat das auch, nämlich die positiven Folgen auf die Genehmigungsprozesse. Die Strategie erleichtert uns hier viele Schritte.

Welche Wünsche haben Sie für die Branche bzw. Ihren Wettbewerb?

Einfach formuliert: Die Nachfrage nach Lösemittel-Produkten soll zurückgehen und der Absatz an Alternativprodukten soll sich entsprechend erhöhen. So würden wir uns freuen, wenn die Verarbeiter unsere Philosophie akzeptieren würden und eines Tages auch zu honorieren wüssten.

Und was den Wettbewerb angeht: Bei innovativen Schritten ist meistens der Wunsch groß, einen möglichst großen Vorsprung vor dem Wettbewerb zu erzielen. Im vorliegenden Fall sind die Verhältnisse allerdings umgekehrt. Uzin wünscht sich, dass - im Sinne eines nachhaltigen Wirkens - möglichst viele Mitbewerber möglichst schnell diesem Schritt folgen werden.

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