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Reizvoll, ohne schrill zu wirken: Fassaden-Upgrade für ein Stahlskelett-Gebäude aus den 1960ern

(22.9.2016) „Lernen - Wohnen - Arbeiten“ - das ist der Dreiklang, der die Stiftung Vi­vendra treffend beschreibt. Gegründet wurde sie 1965 als „Stiftung Schulheim Diels­dorf für cerebral Gelähmte“ durch eine Elternvereinigung. 1970 erfolgte die Eröffnung des Standorts Dielsdorf mit heilpädagogischer Schule, Internat, Therapien und einem Erwachsenenheim. 2011 erfolgte der Namenswechsel in „Stiftung Vivendra“. Davon unberührt blieb die Zielrichtung der Institution, nämlich die Betreuung zerebral („das Großhirn betreffend“) gehandicapter Menschen jeden Alters - vom Kleinkind in der in­tegrativ geführten Kindertagesstätte bis zur Alterswohngruppe. Heute ist die Einrich­tung in vier Ortschaften im Zürcher Unterland tätig. Zuletzt wurden die Fassaden der Keimzelle der Stiftung in Dielsdorf (siehe Google-Maps) umfassend saniert:


Die vier Gebäudeteile A bis D wurden in der Übergangsphase von den 1960er zu den 1970er Jahren errichtet. Sie wiesen typische bauliche Merkmale der damaligen Zeit auf, wie beispielsweise die Betonung der Horizontalen durch markant ausgebildete Fensterbänder oder zurückspringende Sockel sowie der Vertikalen in Form der Trep­penhaus-„Scharten“ an den Stirnseiten.

In den 1980er Jahren erfolgte dann eine erste, eher provisorische Fassadensanierung: Als kleiner Beitrag zur Minderung energetischer Defizite wurde eine ca. 5 cm dünne Steinwolldämmung angebracht und mit Faserzement-Platten bekleidet. Rückblickend kann man diese Lösung sowohl technisch als auch optisch eher als suboptimal be­schreiben (Bild).

Um den unbefriedigenden Zustand zu ändern, begannen 2013 die Planungen für eine umfassende Fassadensanierung durch das Büro L3P Architekten (Regensberg bei Zü­rich) unter Federführung von Dipl.-Ing. Arch. FH Mareike Beumer. Dieser Planung fol­gend wurden dann von Herbst 2015 bis Sommer 2016 die Fassaden von drei (zuerst Haus C, dann B, dann A) der insgesamt vier Gebäude von Grund auf generalsaniert. Haus D folgt zu einem späteren, noch zu definierenden Zeitpunkt, da dort vorher noch umfassende Maßnahmen im Innenbereich durchgeführt und weitere Details ab­geklärt werden müssen.


Foto © Agrob Buchtal / Adriano Faragulo

Herausfordernder konstruktiver Wandaufbau

Bei dieser kürzlichen Generalsanierung gab es eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen. Eine Besonderheit war, dass die Wandkonstruktion - eine Art Stahlskelett mit Ausfachung - statisch nicht ausreichend tragend war. Daher mussten Verankerung bzw. Lastabtrag der neuen Gebäudehülle über die Geschossdecken erfolgen.

Diese Aufgabe wurde gelöst mit Hilfe von Konsolen mit verstellbaren Haltewinkeln, um so gleichzeitig abweichende Fassadentiefen zu egalisieren. Diese Konsolen bildeten auch die Grundlage für den weiteren Fassadenaufbau:

  • Holzlattung mit 4 cm Hinterlüftung
  • verschraubte Knauf Aquapanel Cement Board Outdoor  (Portlandzement und Zuschlagstoffe, beidseitig armiert und kantenverstärkt) und
  • darauf verklebte Fliesen.


© Architekturbüro L3P

Die Gebäudehülle

Die Fliesen stammen von Agrob Buchtal und wurden speziell für dieses Projekt gefer­tigt. Architektin Mareike Beumer vom Büro L3P hatte diese Materialwahl u.a. durch die Besichtigung historischer Fliesenfassaden in Hamburg abgesichert. Überzeugt war sie zudem von der Nachhaltigkeit, Langlebigkeit, Ästhetik und Farb- bzw. Lichtechtheit des keramischen Baustoffs.


Foto © Agrob Buchtal / Adriano Faragulo

Die architektonische Wirkung

Die Pluralität menschlicher Charaktere und die Vielfalt der Stiftung Vivendra sollte sich auch in der Fassade widerspiegeln. Daher galt es, einen monoton-uniformen Ein­druck zu vermeiden und stattdessen eine Anmutung zu finden, die - dem Handicap der Be­wohner entsprechend - leise Reize erzeugt, ohne schrill zu wirken. Kurz gesagt be­stand die Absicht darin, einen Sinnespark mit einem Hauch Poesie zu kreieren. Dieses anspruchsvolle Ziel unterstützt die Fassadenkeramik gleich mehrfach durch ...

  • ihre plastisch-dreidimensionale Formgebung,
  • eine subtil changierende Farbgebung und
  • die  glänzende Glasur.

Je nach Lichteinfall und Standort vermitteln die Gebäudehüllen beim Schlendern durch den Park wechselnde Eindrücke und sanfte Reflexionen. Die erwähnte Pluralität wird auch durch die beiden Fliesenformate 6 x 30 cm und 10 x 30 cm unterstrichen, die zudem nicht streng regelmäßig, sondern in wechselnden Konstellationen angeordnet sind.


Foto © Agrob Buchtal / Adriano Faragulo

Darüber hinaus korrespondieren die zwei Farbtöne der Fassadenkeramik mit der Um­gebung und lassen die Gebäudekörper weniger voluminös und eher filigran wirken. Ein elementarer Beitrag dazu ist auch die Quer-Verlegung der Fliesen, die sogar um die Außenecken der Gebäude und Balkone geführt sind, ohne durch Fremdmaterial wie Metallschienen oder ähnliches unterbrochen zu werden. Möglich gemacht wurde dies durch exakte Gehrungsschnitte. Diese konsequente und homogene Lösung verleiht den Gebäuden einen souveränen monolithischen Auftritt und ist darüber hinaus eine Reminiszenz an die architektonischen Wurzeln durch die Betonung der Horizontalen.

Gleiches gilt für die markant eingefassten Fenster, die sich als prominentes Band über die Längsseiten der Gebäude ziehen Um diesen Effekt zu akzentuieren und auch hier die dritte Dimension gezielt einzusetzen, ließ man die Tiefe der Fensterlaibungen durch die nun weiter vorspringende Konstruktion bewusst anwachsen.


Foto © Agrob Buchtal / Adriano Faragulo

Weitere Informationen zu Fassadenfliesen können per E-Mail an Agrob Buchtal angefordert werden.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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