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Wohnungsbau-Studie: 4,3 Mio. neue Wohnungen allein durch Umbau möglich

(21.2.2022) Wenn es nach der neuen Bundesregierung geht, sollen in diesem Jahr (2022) und in den kommenden drei Jahren jeweils 400.000 Wohnungen neu geschaffen werden - jede Vierte davon eine Sozialwohnung. Parallel dazu stehen ehrgeizige Klimaschutzziele im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, die enorme Auswirkungen auf das Bauen und Wohnen haben werden.

Fotos © baulinks/AO 

Sieben führende Organisationen und Verbände der Bau- und Immobilienbranche haben dazu am 17.2. im Rahmen des 13. Wohnungsbau-Tags in Berlin ein Konzept vorgestellt, wie diese „Herkulesaufgabe für ein neues Wohnen“ gemeistert werden kann. Als Verbändebündnis Wohnungsbau legten sie eine aktuelle Studie des Bauforschungsinstituts „ARGE für zeitgemäßes Wohnen“ (Kiel) vor. Darin setzen die Wissenschaftler beim „Mammutprogramm Wohnen“ der Ampelkoalition auf einen Mix aus ...

  • mehr Neubau und
  • deutlich mehr Umbau im Gebäudebestand.

Das sei - zusammen mit mehr Klimaschutz beim Wohnen - allerdings nur zu erreichen, wenn der Staat ...

  • eine Reihe von zusätzlichen Steuer-Anreizen setze und
  • KfW-Programme anpasse bzw.
  • neue Förderungen schaffe.

„Aus der vorhandenen Gebäudesubstanz kann erstaunlich viel herausgeholt werden: Das Potential, das allein der Umbau bestehender Gebäude bietet, liegt bei über 4,3 Mio. neuen Wohnungen. Genug also, um in Kombination mit dem Bau komplett neuer Wohnhäuser das Ziel der Bundesregierung zu erreichen. Der Vorteil der Umbau-Offen­sive: Es gibt eine enorm hohe Anzahl neuer Wohnungen – ohne dafür auch nur einen einzigen Quadratmeter Bauland zusätzlich zu benötigen“, betonte ARGE-Institutsleiter Dietmar Walberg.

Eine gewaltige Chance sieht Herr Walberg dabei im Umbau von Büros, die auch nach der Corona-Phase durch das Etablieren vom Homeoffice nicht mehr gebraucht werden. Rund 1,9 Mio. neue Wohnungen könnten so entstehen. Und das relativ kostengünstig: Der Umbau von Büros koste pro Quadratmeter Wohnfläche knapp 1.300 Euro. Zum Vergleich: Im Neubau sind es mehr als 3.400 Euro. Auch die Dachaufstockung bei Wohnhäusern, die in der Nachkriegszeit bis zum Ende der 1990er-Jahre gebaut wurden, verspricht nach Angaben der Studie enormes Potential: Rund 1,5 Mio. neue Wohnungen seien durch On-Top-Etagen möglich. Und das zu Kosten von weniger als 2.500 Euro/m².

Dazu kämen noch einmal rund 560.000 Wohnungen, die durch das Aufstocken von Verwaltungsgebäuden und Bürokomplexen entstehen könnten. Zusätzlich böten On-Top-Etagen auf Supermärkten, Discountern, Einkaufspassagen und Parkhäusern die Chance auf rund 420.000 neue Wohnungen - meistens in attraktiven Citylagen.

Die Wohnungsbau-Studie liefert auch einen Fahrplan dafür, wie das Wohnen klimaneutral werden kann: Die Wissenschaftler setzen auf mehr Energiespar-Sanierungen bei den knapp 19,3 Mio. Wohngebäuden in Deutschland. Hier fordern sie, einen „Turbo-Gang“ einzulegen: Rein rechnerisch sollte künftig jeder 55. Altbau pro Jahr energetisch komplett modernisiert werden. Bislang ist es nur jedes hundertste Wohnhaus. Damit würde die jährliche Sanierungsrate von derzeit einem auf dann 1,8% steigen.

Effizienzhaus 115 als Standard bei Sanierungen

Bei der Klimaschutz-Modernisierung fordern die Wissenschaftler der ARGE allerdings, Kosten und Nutzen gründlich abzuwägen, um das Wohnen nicht unverhältnismäßig teuer zu machen. Deshalb favorisieren sie bei energetischen Sanierungen von Gebäuden das Effizienzhaus 115 als Standard. Ein voll sanierter Altbau würde dann beim Energieverbrauch sogar bis auf 15% an einen Neubau mit seinen heute  - im Gebäudeenergiegesetz (GEG) - vorgeschriebenen Standards heranreichen.

Effizienzhaus 70 als Standard beim Neubau

Beim künftigen Neubau empfiehlt die Studie das Effizienzhaus 70. Schließlich sei es beim Neubau genauso wie beim Modernisieren notwendig, die Ressourcen im Blick zu haben - vor allem auch Fachkräfte und staatliches Fördergeld. Beides sei knapp. Und hier bieten die Effizienzstufen 115 (Altbau) und 70 (Neubau), so die ARGE, einen „machbaren Mittelweg“.

Machbarer Klimaschutz bei Altbauten kostet 3,6 Billionen Euro bis 2045

Die jährlichen Kosten für die von der ARGE empfohlenen Energiespar-Sanierungen beziffert die Studie auf bis zu 150 Mrd. Euro pro Jahr - 3,6 Billionen Euro bis 2045. Dann nämlich soll Deutschland klimaneutral wohnen. Ohne zusätzliche grüne Energie fürs Heizen und für Strom wird das allerdings nicht gehen, so die ARGE. Und um die Ener­giespar-Offensive bei Altbauwohnungen überhaupt erst einmal anzustoßen, muss der Staat Anreize für die Modernisierung setzen: Mindestens 30 Mrd. Euro sind hierfür pro Jahr an Förderung notwendig, so die Empfehlung der Studie.

Warnung vorm „falsch investierten Euro“

Würde die Politik die Energiespar-Messlatte noch höher legen, dann wären auch die Kosten und notwendige Förderungen dafür enorm viel höher: Um ein bestehendes Ein- oder Zweifamilienhaus auf das Niveau vom KfW-Effizienzhaus 115 zu bringen, nennt die Studie Kosten zwischen 660 und 1.070 Euro/m² Wohnfläche. Dagegen koste das Effizienzhaus 40 mindestens 50% mehr – in der Spitze also sogar knapp 1.600 Euro/m². Herr Walberg spricht hier vom „falsch investierten Euro“. Grundsätzlich gelte: Im Neubau seien höhere Standards leichter zu erreichen als bei Altbauten.

Auch beim altersgerechten Umbau gebe es erheblichen Nachholbedarf: Nur jeder zwölfte Senioren-Haushalt lebe in einer Wohnung mit keinen oder nur wenigen Barrieren. Um mehr Wohnhäuser altengerecht zu modernisieren, müsse der Staat eine Förderung von 3 Mrd. Euro jährlich bieten - gegen eine wachsende „Graue Wohnungsnot“. Denn die werde spätestens dann zu einem drängenden Problem, wenn die Baby-Boomer-Generation in Rente gehe.

Jeder zehnte Altbau abbruchreif

Die „Wohngebäude-Inventur“ der ARGE hat noch ein weiteres Ergebnis gebracht: Wenn mehr Klimaschutz und Seniorenwohnen kommen müssen, dann wird es auch mehr Häuser geben, bei denen es sich technisch oder wirtschaftlich nicht mehr lohnt, sie zu modernisieren. Nahezu jeder zehnte Altbau – überwiegend Häuser der Nachkriegszeit – müsste abgerissen und an gleicher Stelle durch einen Neubau ersetzt werden, so die Wissenschaftler. Allein beim Ersatzbau seien pro Jahr Investitionen von bis zu 40 Mrd. Euro notwendig.

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