Stahldach wächst mit den Spielerfolgen von Rot-Weiss Essen
(11.9.2012) Lange haben Verein und Fans dafür gekämpft. Jetzt hat Essen ein neues Fußballstadion - rechtzeitig zu Beginn der neuen Spielsaison. Der Neubau, der am 12. August 2012 eingeweiht wurde, ist bereits für weitere Ausbauphasen ausgelegt. Dazu gehört das Einschieben eines zweiten Ranges bei Anhebung des Daches. Möglich macht das eine flexible Tragkonstruktion aus Stahl.
Wogendes Herzblut versus geradlinige Walzprofile - was überwiegt in dem neuen Stadion im Essener Norden? Spieler und Fans des Fußballvereins Rot-Weiss Essen freuen sich über den Erhalt „ihres" traditionsreichen, seit 1939 bestehenden Standorts an der „Hafenstraße" (siehe Google-Maps).
Stahldach dominiert Gesamtanlage
Die neue Dachlandschaft wird getragen von 64 Fachwerkträgern aus
Stahlwalzprofilen. Die Tribünendächer bestehen zur Zeit aus 1.050
Tonnen Stahl. Zum Ende der ersten Ausbauphase im Sommer nächsten
Jahres, mit der Fertigstellung der vierten Tribüne auf einer
Teilfläche des dann abgerissenen alten Stadions werden es
insgesamt 1.300 Tonnen sein. Zum ersten Anpfiff konnten Anfang
August pünktlich wie geplant die
Filigrane Konstruktion des Stahlfachwerks
Die weit über die Tribüne und wenige Meter nach außen auskragenden Fachwerkträger sind über Zugseile zur Pylonspitze hin abgespannt. Zur Außenseite hin nehmen Zugstäbe, die in der Vertikalen den Rhythmus der horizontalen Trägeranordnung fortsetzen, die Kräfte auf.
Die Fachwerkträger wurden in jeweils drei Teilen angeliefert und an der Baustelle zu einem 39 Meter langen und elf Tonnen schweren Fachwerkelement zusammengeschweißt. Durch die Verjüngung des Abstands von Ober- und Untergurt zu den Spitzen hin wird der Materialeinsatz des Stahls optimiert und die filigrane Anmutung des Fachwerks noch gesteigert.
Die begehbare Bedachung aus gelochten Stehfalzprofilen mit Polycarbonat-Inlayern ruht auf Dachpfetten aus Stahlprofilen. Sie ist zu etwa 40 Prozent lichtdurchlässig, wodurch sich die Träger optisch besonders deutlich abzeichnen und auch die oberen Sitzreihen auf den Tribünen hell und einladend wirken.
Das dreigeschossige Gebäude der Haupttribüne mit den Trainings- und Aufenthaltsräumen für die Spieler sowie den VIP-Lounges und den Presseplätzen ist wie ein langgestreckter Kubus unter das Dachtragwerk eingeschoben. Sein heller kompakter Baukörper und die massiven Tribünensockel mit den jeweils 32 Sitzreihen stehen in reizvollem Kontrast zu der anthrazitfarbenen, filigranen Tragkonstruktion und dem transluzenten Dach.
Kurze Bauzeit durch Vorfertigung und Flexibilität
Bauherrin der Anlage ist die GVE Grundstücksverwaltung Stadt Essen GmbH. Den Zuschlag für die europaweit ausgeschriebenen Planungsleistungen erhielt das Stuttgarter Architekturbüro Plan Forward GmbH. Die in Essen ansässige W+P Gesellschaft für Projektentwicklung mbH ist als Generalplaner für die Umsetzung vor Ort verantwortlich.
Dieter Deichsel, geschäftsführender Architekt bei Plan Forward, konnte durch die Kombination einer gestalterisch „klaren Architektursprache" mit hoher Funktionalität - wie kurzen Wegen und einer gestaltprägenden Tribünenüberdachung - die Bauherrin überzeugen: „Der hohe Grad an Vorfertigung, die Präzision der Elemente und die große Flexibilität der immerhin 50.000 Stahlteile bei der Montage vor Ort trugen wesentlich zum schnellen Bauablauf und damit auch zu einer kostensparenden Bauweise bei.", so der Architekt.
Ausbau der Ecken
Mit großen Erwartungen betreten zahlreiche Fußballfans und -spieler das neue Stadion sicher auch, weil die GVE mit dem Neubau schon die Fundamente für eine positive Zukunft mit noch mehr Zuschauern gelegt hat. Bei Bedarf werden in einer zweiten Ausbauphase die Eckbereiche zwischen den Tribünen ausgebaut und so das Platzangebot von zunächst 20.000 auf dann 27.000 erhöht. Die Ränder der einzelnen Stahldächer sind so ausgeführt, dass sie zu einer durchgehenden Dachfläche von 19.000 Quadratmeter geschlossen werden können.
Anhebung des Daches
Eine extreme Herausforderung für alle Baubeteiligten dürfte die dritte Ausbaustufe für noch einmal knapp 10.000 zusätzliche Plätze sein: Dann werden die Schraubverbindungen zwischen den Pylonen und der Betonunterkonstruktion gelöst, das Dach mittels Hydraulikpressen angehoben, ein zweiter Rang eingeschoben und das Stahldach wieder aufgesetzt und verschraubt. Spätestens in dieser Ausbauphase dürften Fußballbegeisterte und Baufachleute gleichermaßen zu Fans des Materials Stahl werden, das die Anhebung des Daches ermöglicht.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- European Steel Design Award 2013 u.a. für die Antarktische Forschungsstation Bharati (24.9.2013)
- Denkmalpflege mit Dachpfannen aus Stahl, u.a. weil sie leicht sind (22.8.2013)
- „Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues“ für Könige und Donaubrücke (13.1.2013)
- Stahlbau geht zuversichtlich und mit einer Qualitätsoffensive in das Baujahr 2013 (11.1.2013)
- Forschungsprojekt zu modularen (Stahl-)Bausystemen für nachhaltige Architektur (22.9.2012)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Olympia-Wahrzeichen „ArcelorMittal Orbit“ in der 19. „Faszination Stahl“ (23.7.2012)
- Stahl-Innovationspreis: Selbsttragende Dachschale der St. Antony Hütte (27.6.2012)
- Stahl-Innovationspreis: Freigeformtes Wolkendach in Hainburg (27.6.2012)
- Planungshilfen für Stahlhallen und Sportstätten (21.9.2011)
- Stahlbaupreis 2010 für Cape Town Stadium und Rostigen Nagel (21.6.2010)
- Kicker auf dem Rasen, Ökostrom auf dem Dach (23.5.2008)
- Membrane überdacht bedeutendstes Stadion der Fußball-WM 2010 (3.1.2008)
- Dynamische Lasten: Wenn die Fans auf der Stadiontribüne hüpfen (2.1.2008)
- Brandsicherheit in WM-Stadien: Vorbildlicher Brandschutz nur mit Sprinkleranlagen (3.2.2006)
siehe zudem:
- Stahlbau, Leichtbau und Ingenieurbau-Magazin bei Baulinks